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„Wo war denn unser Gott?“

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Wie Kirchen in Trümmer sinken

Unter meinen Füßen knirschen verbeulte Plastikflaschen, verrostete Cola- und Thunfischdosen. Mein Blick fällt auf zerfetzte Sofas und Sessel, ausgebrannte Küchen, umgekippte Kühlschränke, herumliegende Kleidungsstücke und aufgerissene Matratzen. Haus um Haus taste ich mich mit meinen Begleitern voran. Es ist ein Rundgang durch ein zerschundenes Dorf.

„Und wo sind die Einwohner?“, frage ich.

„Irgendwo bei Verwandten“, lautet die Antwort. „Oder in einem Lager. Oder schon bei euch im Westen.“

Tel Shamiran ist der arabische Name dieses Dorfes, seine Bewohner aber nannten es Marbusnayeh. Sie waren Assyrer, Nachfahren eines Volkes, das um 900 v. Chr. in Mesopotamien das erste Großreich der Welt errichtete. Die Menschen, die an den Ufern des Flusses Khabur siedeln, sprechen noch heute Aramäisch, die Sprache Jesu. Sie gehören zu den Kulturen, die man die „Versprengten der Geschichte“ nennen kann. „Das war die Front“, sagen die Assyrer, die mich hierhergebracht haben. „Hier haben sich die IS-Kämpfer verschanzt. Die Häuser boten ihnen Schutz. Ohne die Unterstützung der Alliierten aus der Luft hätten wir sie wohl nur schwer vertreiben können. Schauen Sie sich um! Das Dorf sieht heute noch so aus, wie die Leute vom ‚Islamischen Staat’ es verlassen haben.“

Drei Monate lang, von Februar bis Mai, tobten hier 2015 die Kämpfe. Die daesh, wie die selbsternannten Gotteskrieger im Nahen Osten heißen, hatten einen Großteil der Provinz Hassaka im Nordosten Syriens überrannt. In Dörfern wie Tel Shamiran buddelten sie Bunker in die Gärten und hoben Schützengräben aus. So schossen und starben sie für Allah und ihren Traum vom Kalifat, das sie am liebsten über die ganze Welt ausdehnen würden.

Als die daesh über diese Gegend herfielen, ahnten die Assyrer, dass für sie wohl wieder einmal die Stunde geschlagen hatte. Sie gehören einer christlichen Glaubensgemeinschaft an, die oft als „Nestorianer“ bezeichnet wird, sich offiziell aber „Assyrische Kirche des Ostens“ nennt. Für die daesh waren sie nichts anderes als kafir, Ungläubige. Die Assyrer wussten aus ihrer leidvollen Geschichte heraus, was das für sie bedeutete: die zweite große Flucht innerhalb von hundert Jahren.

Die Welt hatte schon kaum Notiz davon genommen, dass 1915 im Osmanischen Reich die Vernichtung der Armenier begann. Noch viel weniger drang nach außen, was zeitgleich mit den Assyrern geschah. Seit Generationen hatten sie im Turabdin, einer urchristlichen Region im Südosten der Türkei, und noch weiter östlich in den Bergen rund um Hakkari und den Van-See gelebt. Nun fielen auch sie der brutalen ethnischen Säuberung zum Opfer, die die Jungtürken zusammen mit verbündeten kurdischen Stämmen betrieben. An die 300.000 Assyrer, so schätzen Historiker, kamen damals um, die anderen flüchteten in den Norden Syriens. Knapp 20 Jahre später, 1933, wurden im Nachbarland Irak Tausende von Assyrern durch Soldaten umgebracht, weil sie angeblich Plünderungen veranstaltet hätten. Die meisten, die sich retten konnten, bekamen auf Beschluss des Völkerbundes in 37 Dörfern am Khabur eine neue Heimat.

Wir müssen uns tief ducken, so können wir durch Wände gehen. Die daesh haben sie einfach durchbrochen, damit sie im Innern der Häuser im Blickschutz bleiben und sich trotzdem bewegen konnten. „Gott, vergib uns“, sprühten sie an die Mauern. „Alle Macht ist bei Gott“, lesen mir meine Begleiter die Graffiti vor. „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“

Mit Feuer und Schwert

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