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Presseabteilung – Polizeipräsidium Koblenz

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„Komm, wir schauen mal, was die Polizei inzwischen schon alles herausgefunden hat“, sagte Leon und hielt Vanessa die Wagenschlüssel vor die Nase.

Vanessa schnappte sich die Schlüssel und sprang auf der Fahrerseite in den Wagen. In nicht einmal fünf Minuten rasten sie zum Polizeipräsidium und unterwegs schwiegen sie ausnahmsweise. Offensichtlich waren beide sehr betroffen von dem soeben Erlebten. Leon hatte noch seine Begegnung mit Sophie zu verarbeiten und für eine Sportreporterin waren Leichen auch nicht gerade an der Tagesordnung.

„Leon Walters, wie immer in Begleitung einer hübschen und charmanten neuen Kollegin. Was habt ihr zwei Hübschen denn noch vor?“, fragte der Polizeibeamte am Kontrolleingang des Polizeipräsidiums.

„Darf ich vorstellen? Vanessa Herzsprung. Unsere überaus kompetente Verstärkung beim Koblenzer Tageskurier. Wir berichten gerade über den Todesfall in der Lützeler Turnhalle. Wer kann uns denn da weiterhelfen?“, fragte er.

„Hm. Die Pressekonferenz ist erst für morgen 11 Uhr angesetzt, das müsstest du doch wissen. Viele Neuigkeiten dürfte es da bis jetzt sicher nicht geben. Die Obduktion hat noch nicht einmal stattgefunden, die Ermittlungen laufen gerade erst an. Kriminaloberrat Unterbeck kümmert sich um den Fall. Ich kann ihn zwar fragen aber nichts versprechen. Und nur weil du es bist, Leon“, sagte der Beamte. Eigentlich soll ich alle auf die Pressekonferenz vertrösten. Du kennst das ja.

Leon zwinkerte ihm zu. „Danke, eine Hand wäscht die andere.“

Nach einem kurzen Telefonat drückte er auf den Türöffner und sagte: „Siebter Stock, du kennst dich ja aus. Viel Glück euch beiden.“

„Dank dir, Siggi. Wie lange geht deine Schicht noch?“

„Noch zwei Stunden, dann geht’s zum Glück nach Hause zu meiner Frau“, sagte er strahlend.

„Du bist ja bekannt wie ein bunter Hund“, sagte Vanessa anerkennend.

„Siggi war mal ziemlich unter Beschuss. Es gab ein Handyvideo von ihm. Bei einer Kontrolle war es zu Handgreiflichkeiten gekommen und einige nicht so polizeifreundliche Journalisten hatten es ziemlich auf ihn abgesehen. Sie warfen ihm vor, er hätte zugeschlagen und unverhältnismäßig gehandelt, die ganze Vorgeschichte, die dazu führte, wurde großzügig weggelassen. Wir vom Tageskurier haben damals versucht, wie eigentlich immer in solchen Fällen, objektiv zu berichten. Die Polizei macht ja auch umgekehrt einiges mit und meist einen guten und harten Job. Die müssen manchmal ganz schön was einstecken, sollen immer freundlich bleiben und dabei noch blitzschnell reagieren, wenn es doch einmal kippt. Das ist fast immer eine Gratwanderung“, erklärte er.

„Du musst es ja wissen“, sagte sie. „Warst lange Zeit nahe genug dran, bestimmt sogar drin“, fügte sie schnippisch an.

„Hey, hey, was wird das denn? Eifersüchtig? So, wir sind da. Kriminaloberrat Unterbecks Büro. Jetzt zeig mal dein freundlichstes Gesicht. Er wird nämlich nicht begeistert sein von unserem Erscheinen. Sicher hat er gerade eine ganze Menge um die Ohren und bestimmt keine große Lust auf uns Presseleute.“

„Boah, nee, der Walters, der hat mir jetzt gerade noch gefehlt in meiner Sammlung“, kam zur Begrüßung. Die Tür stand offen. „Kommt rein! Ihr gebt ja sonst sowieso keine Ruhe.“

„Meine neue hinreißende Kollegin kennen sie noch nicht, Vanessa Herzsprung. Den Namen müssen sie sich merken“, versuchte er eine Einleitung.

„Aber unbedingt. Das sehe ich schon. Endlich mal ein freundliches Gesicht beim Tageskurier. Aber seid ihr nicht ein wenig spät dran für einen Tageskurier“, machte er sich lustig. „Oder zu früh, denn die Pressekonferenz ist morgen um 11 Uhr, was Siggi eigentlich auch wissen sollte“, sagte er. „Was hat es denn heute gekostet, an Siggi vorbeizukommen? Wozu sitzt der Kerl eigentlich da unten?“, beendete er sein Donnerwetter.

„Siggi hat sein bestes gegeben. Er konnte unserem Charme einfach nicht widerstehen. Lassen Sie ihn bitte in Ruhe. Einiges haben wir schon zusammengetragen. Wir brauchen hauptsächlich diese eine Information: Selbstmord oder Fremdeinwirkung?“, schoss es spontan aus Vanessa heraus.

„Donnerwetter, Sie gehen ja blitzschnell und ohne Umschweife aufs Ganze“, sagte er lächelnd und nickte Leon anerkennend zu.

„Nach allem was wir bisher wissen, ist eine Fremdeinwirkung sehr wahrscheinlich. Es gab keine Leiter, keinen Stuhl. Wie soll der junge Mann sich also selbst am Basketballkorb erhängt haben? Er müsste schon hochgesprungen sein, sich festgebunden haben, um sich dann fallen zu lassen. Mehr als unwahrscheinlich würde ich meinen. Oder ein Helfer müsste den Tatort anschließend verändert haben. Eher auch unwahrscheinlich. Dafür gibt es keine Hinweise. Aber gell, ihr wisst ja, keine Details vom Tathergang im Bericht. Das könnte uns sonst gewaltig die Ermittlungen versauen.“

„Klar, wir sind schließlich Profis. Aber wenn es kein Suizid war, können wir wenigstens überhaupt etwas darüber berichten, wie du weißt. Was habt ihr jetzt vor?“, fragte Leon.

„Wir ermitteln wie immer in alle Richtungen. Er scheint nicht sehr beliebt gewesen zu sein, der junge Mann. Allerdings scheint er seit Wochen ziemlich neben der Spur zu laufen. Er hatte ein recht gutes Abitur, wollte wohl Medizin studieren. Das scheint vom Notenschnitt her jedoch nicht geklappt zu haben“, sagte Unterbeck.

„Müsste wohl eher heißen: Sollte Medizin studieren“, fügte Vanessa an.

„Ja, als Erbe der Haberkorn-Dynastie hat man es nicht immer leicht. Es gibt Verpflichtungen der Familie gegenüber“, erklärte Leon.

„Wollt ihr damit sagen, er stand unter Druck von zu Hause?“, fragte der Beamte.

„Sieht unseren Erkenntnissen nach bisher sehr danach aus, jedenfalls wenn wir unseren Quellen glauben schenken“, antwortete Vanessa.

„An euch sind ein paar gute Polizisten verloren gegangen. Aber vielleicht schafft es ja Sophie doch noch, dich umzustimmen, Leon, was meinst du?“, fragte er frotzelnd.

Leon zuckte zusammen. „Leider nein. Das mit Sophie und mir ist vorbei.“

„Oh, Verzeihung. Ich treffe wirklich blind jedes Fettnäpfchen. Das wusste ich noch gar nicht. Schade, ein hübsches Paar seid ihr gewesen auf dem Polizeiball. Na ja, kann man nichts machen“, stammelte er. „Mehr habe ich leider heute nicht für euch. Wir sind erst ganz am Anfang“, sagte er.

„Bis morgen früh dann. Wir sehen uns sicher“, sagte Vanessa, um den peinlichen Abschluss zu verkürzen. Diesmal zog sie Leon hinter sich her. Er wirkte seltsam abwesend und war froh, dass Vanessa so spontan übernommen hatte.

„Jetzt sollten wir langsam sehen, dass wir etwas für die morgige Ausgabe zusammenschreiben. Dann haben wir uns den Feierabend heute redlich verdient, würde ich sagen.“ Vanessa versuchte Leon wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen.

„Lass uns in die Redaktion fahren. Da sind wir sicher konzentrierter und hoffentlich etwas schneller fertig“, antwortete er. „Du bist wirklich nett, Vanessa. Ich weiß nicht, was ich heute ohne dich gemacht hätte. Ich danke dir!“

„Gerne und danke für das Kompliment. Du bist übrigens auch sehr nett. Schade, dass ich in den nächsten Tagen sicher eher alleine unterwegs sein werde für den Sportteil. Zusammen ist es schon spannender und irgendwie auch schöner. Ich hätte nie gedacht, wie spannend der Lokalteil sein kann“, stellte sie fest. „Außerdem hielt ich mich nach meinen bisherigen Erfahrungen eher für eine Einzelkämpferin, Teamarbeit hat erstmalig einen gewissen Reiz für mich bekommen, das ist echt ganz neu für mich. Das ist nun wirklich dein Verdienst der letzten Stunden“, ergänzte sie und zwinkerte Leon zu.

Der Artikel war schnell im Kasten und für einen Todesfall, der erst einige Stunden her war, ziemlich gut gelungen. „Wird dem Alten der Fisch hier schmecken?“, fragte sie.

„Delikat“, kam die kurze Antwort. „Sei mir nicht böse, ich würde mich für heute gerne aufs Ohr legen. Ich bin wirklich platt!“, gestand Leon.

„Kann ich gut verstehen. Wer Polizistinnen mit einem Hang zum Supermodel haben kann, will sicher den Abend nicht mit einer hässlichen grauen Sportmaus verbringen. Alle haben gesagt, ihr hättet ein gutes Paar abgegeben“, platzte es beleidigt aus ihr heraus.

„Das darf doch wirklich nicht wahr sein. Jetzt ist die Krone vom krönenden Abschluss für heute aber doch noch ganz tief ins Klo gefallen. Mach jetzt nicht alles unnötig kompliziert und kaputt. Ich mag dich wirklich, aber …“, versuchte Leon zu erklären.

Doch die Tür des Büros fiel schon knallend ins Schloss und weg war Vanessa.

„Gut, an den Teil von ihr muss man sich erst einmal gewöhnen“, brummelte Leon leise vor sich hin und fuhr den Rechner herunter, schaltete die Lichter aus und ging genervt zum Fahrstuhl. Gedankenverloren trottete er über den Parkplatz.

„Wenn du glaubst, du wirst mich so einfach los, vergiss es“, hörte er eine bekannte Stimme aus dem Dunkel hinter seinem Fahrzeug, kurz bevor er einsteigen wollte.

„Du schaffst es wirklich meine totale Erschöpfung durch einen kleinen Adrenalin-Kick in schlagartiges Wachsein zu verwandeln. Wer sagt denn überhaupt, dass ich dich loswerden möchte, Vanessa. Ich brauchte nur eine kleine Verschnaufpause nach diesem aufregenden Tag, vor allem nach diesen letzten Wochen. Aber wenn du jetzt schon auf mich gewartet hast, komm halt mit auf ein Getränk, wenn du magst“, bot Leon an.

„Okay edler Prinz, zeigt mir euer Schloss“, antwortete sie knapp, trat aus dem Dunkel hervor und wurde wieder quirlig.

„Folgt mir Prinzessin Herzsprung. Steigt in meine bescheidene Kutsche mit den hundert Pferden. Sie wird uns geschwind dorthin bringen“, spielte er mit und wurde dabei fast schon wieder fröhlich und wach, obwohl er insgeheim gehofft hatte, sie würde sein Angebot ausschlagen, denn er sehnte sich wirklich nach etwas Ruhe.

Braunes Eck

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