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Beim Mexikaner

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„Wenn du eben Haberkorns Gesicht gesehen hättest … glaube mir, da steckt mit Sicherheit mehr dahinter. Er rückt aber nicht das Geringste heraus. Wir müssen irgendwie anders an die Informationen herankommen, wie das muss ich selbst noch herausfinden“, fasste Leon seinen Nachmittag zusammen. „Hattest du heute mehr Erfolg beim Sport?“, lenkte er zu Vanessa über.

„Ach, lass uns doch über was anderes reden. Es ist doch schade um die kostbare Zeit. Das Leben findet hier und jetzt statt sagt Buddha.“ Vanessa legte die Hände zum indischen Gruß in Richtung Leon zusammen und lächelte.

„Na, wenn sogar Buddha das sagt, was wollen wir essen meine Liebe, ich habe einen Bärenhunger“, antwortete er mit einem verschmitzten Grinsen. Dabei erwiderte er den indischen Gruß und sagte „Namasté. Ups, vermutlich habe ich das falsche Thema erwischt oder hast du ausnahmsweise auch mal Kohldampf?“, fragte er. „Aber hast du dir mal Buddhas Figur angesehen? Schlank könnte man das eher nicht nennen, oder?“, witzelte er.

„Alles gut, es gibt ja eine Speisekarte, von der ich selbst auswählen kann“, antwortete sie knapp mit einem Lächeln.

„Na dann los, lass uns mal schauen, was es Leckeres gibt. Was magst Du trinken?“, fragte er, während die Bedienung schon an den Tisch kam und nach einer kurzen Begrüßung erwartungsvoll schaute mit einem kleinen Block in der Hand.

„Ich nehme einen Caipirinha und zum Essen hätte ich gerne einen Ensalada Pollo“, kam die spontane Antwort.

„Welches Dressing?“, fragte die freundliche junge Bedienung

„Ich nehme Balsamessig, ohne Öl, bitte“.

„Gut, dann nehme ich Tres Miniburritos mit den drei verschiedenen Burritos und einmal Sex on the beach, bitte“, antwortete Leon mit einem Augenzwinkern.

Die Bedienung lächelte kurz, dankte und steckte die Karten in den Tischständer zurück und verschwand wieder.

„Wem galt das Augenzwinkern? Sex on the beach mit der hübschen Bedienung oder dachtest du gleich an einen Dreier?“ Die Stimmung kippte schon wieder ins leicht Gereizte.

„Ich habe gerade nur Augen für dich liebe Vanessa“, log Leon.

„Boah, du lügst ohne rot zu werden. Deine Augen haben dich aber bereits verraten. Du hast die kleine Studentin doch schon nackt auf dem Tisch liegen sehen. Vermutlich mit dem Cocktail im Bauchnabel.“

„Meinst du, wir könnten vielleicht ohne Streit und ganz in Ruhe unser Abendessen nach diesem anstrengenden Tag einnehmen? Mir ist gerade ganz ehrlich weder nach Sex am Strand noch nach Sex auf der Tischplatte, Vanessa. Und zwar tatsächlich mit niemandem.“ Dabei schaute er Vanessa streng an und ganz tief in ihre Augen. „Und sollte sich das heute noch ändern im Verlaufe des Abends, wirst du die Erste sein, die es erfährt.“ Er schüttelte mit dem Kopf.

„Entschuldige!“, antwortete sie knapp. „Ich schleppe leider noch einige Altlasten mit mir herum“, erklärte sie.

„Wie fast jeder von uns. Sag mal, hast du eine Idee, was wir in unserem Fall jetzt tun könnten?“, versuchte er abzulenken.

„Welchen Fall meinst du, den Fall Walters-Herzsprung oder den Fall Haberkorn?“ Sie kicherte dabei und schaute ihn verliebt an.

„Um Walters-Herzsprung kümmern wir uns später, jedenfalls wenn du das möchtest. Erst einmal würde mich deine Meinung zu Haberkorn interessieren?“

„Sollten wir nicht mal nachhören, was die Polizei inzwischen schon alles herausgefunden hat? Wir könnten sie eventuell auf unsere Spur ansetzen, falls die bisher selbst nichts Neues haben. Sicher ist der Professor bei den Beamten ein wenig auskunftsfreudiger und sie haben eher die Mittel, um entsprechend nachzuhelfen, falls er immer noch nicht reden will“, brachte sie ihre Gedanken zum Ausdruck.

„Das klingt vernünftig. Aber heute erreichen wir dort sowieso nichts mehr. Meinen Kontakt will ich auch nicht ständig zu Unzeiten strapazieren. Wir könnten den heutigen Abend gemütlich ausklingen lassen und morgen früh hören wir gleich bei Kriminaloberrat Unterbeck und seinem Team nach. Wir müssen baldmöglichst einen neuen Artikel bringen“, sagte er. „Futter für unseren hungrigen Hai, bevor der uns noch beißt“, sagte er mit einem breiten Grinsen.

„Wirst du mich heute Nacht beißen?“, fragte Vanessa und nahm seine Hand.

„Wir nutzen jetzt erst einmal hier vor Ort die Fütterungszeit um satt zu werden, und anschließend schauen wir, wie sich unsere Bissigkeit verändert hat“, ging er auf das Bild ein.

Beide genossen das Abendessen und die Getränke ohne weitere Komplikationen, sie nahmen sogar noch ein kleines Dessert, bevor Leon die Rechnung beglich und sie in den weiteren Abend aufbrachen.

Die beiden kamen sich schnell näher, nachdem sie in Leons Villa eingetroffen waren und landeten dieses Mal auch in einem Zimmer. Sie fielen regelrecht übereinander her und die Kleidungsstücke waren schnell über das halbe Haus verteilt. Als es dann jedoch wirklich zur Sache kommen sollte, blockierte Vanessa. „Ich kann das nicht. Bitte sei mir nicht böse, aber ich kann nicht“. Sie begann zu weinen.

Leon wollte sie in den Arm nehmen, doch Vanessa konnte keinerlei körperliche Berührung ertragen. Sie heulte und heulte und konnte sich kaum beruhigen. Leon verstand überhaupt nichts, ahnte aber was hinter dem Verhalten stecken könnte. Wie sollte er jetzt reagieren. Er fühlte sich hilflos, wütend und frustriert zugleich.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte er. „Wir hatten bisher einen schönen Abend, haben lecker gegessen und ich mag dich wirklich sehr. Ich war mir ganz sicher, du wolltest auch mehr heute. Wir sind ein verdammt gutes Team gewesen in den letzten Tagen und uns auch menschlich etwas nähergekommen“. Leon versuchte Vanessa aus ihrer Vergangenheit ins hier und jetzt zurückzuholen.

Nach längerer Zeit kuschelte sie sich tatsächlich an Leons Schulter. Sie erzählte, wie sie mit zwölf von ihrem Stiefvater missbraucht wurde, immer und immer wieder. Die sexuellen und zwischenmenschlichen Probleme hätten in der Folge immer nur für sehr kurze Beziehungen gesorgt. „Es hält einfach niemand länger mit mir aus. Viel zu schnell wird es für die meisten kompliziert. Ich sehne mich so sehr nach einem Menschen, der mich versteht.“

Die Nacht verbrachten sie kuschelnd im Bett und während Vanessa recht schnell in seinem Arm einschlief, bekam Leon kein Auge mehr zu. Immer wieder musste er sich vorstellen, wie ein erwachsener Mann sich an Vanessa verging, obwohl dieser sie eigentlich beschützen sollte. Schließlich bekam man die Tochter nicht einfach mitgeliefert, wenn man eine Beziehung zur Mutter einging. Das schienen einige Herren völlig falsch zu verstehen. Kurz nachdem er gerade eingenickt war, klingelte schon wieder der Wecker.

„Na toll. Das wird ein Tag. Ich bin völlig gerädert“, dachte Leon.

Vanessa machte langsam die Augen auf, erschrak kurz, als sie Leon erblickte, lächelte dann aber, nachdem sie bemerkte, dass sie beide noch angezogen waren. Nach der Entkleidungsorgie am Vorabend hatten nämlich beide ganz schnell wieder einige Kleidungsstücke angelegt, um Vanessa ein Sicherheitsgefühl zurückzugeben.

„Danke, Leon“, sagte sie und gab ihm ein Küsschen.

„Wofür war das?“

„Fürs da sein und als kleine Entschuldigung“.

„Es gibt überhaupt nichts zu entschuldigen. Wenn du mal reden willst ...“, begann er seinen Satz.

„Dasselbe gilt auch für dich“, beendete sie.

Sie umarmten sich und gingen nachdem jeder eine ausgiebige lange Dusche genossen hatte zum Frühstück in die Küche. Leon hatte den Tisch schon vorbereitet, während sie sich noch im Bad fertig machte.

„Schade, heute hätte ich dich gerne mal mit einem Frühstück verwöhnt. Männer sind immer so rasend schnell im Bad. Da habe ich einfach keine Chance mit meinen langen Haaren“, sagte sie. „Du warst gestern so lieb, ich hätte dir gerne etwas Gutes getan“.

„Die Gelegenheit kommt schon noch, keine Sorge. Es ist alles gut, wie es ist“, sagte er und schenkte ihr Kaffee ein.

Sie wollte gerade die Tasse zum Mund führen, als mit einem riesigen Knall die Scheibe in Richtung Rheinterrasse zersprang und die Tasse in ihren Einzelteilen mitsamt Inhalt auf den Tisch vor ihr klatschte. Vanessa saß völlig erstarrt da und war zu keiner sinnvollen Aktion in der Lage.

„Runter mit dir Vanessa, los, geh endlich in Deckung. Das war ein Schuss“, rief Leon und zerrte dabei gleichzeitig an Vanessa, die nun endlich seiner Aufforderung nachkam. Leon hatte bereits sein Handy in der Hand und rief die Polizei. Nach dem einzigen Schuss auf Vanessas Tasse passierte aber absolut nichts mehr. „Das war auf jeden Fall ein Profi. Er wollte vermutlich nur die Tasse treffen. Das war eine Warnung“, sagte Leon schlussfolgernd.

„Warnen, aber wovor denn? Wem haben wir auf den Fuß getreten?“, fragte Vanessa noch halb in Trance.

„Wenn wir das rauskriegen, haben wir den Fall wahrscheinlich fast gelöst“, antwortete er.

„Es gibt im Moment drei Möglichkeiten, wenn ich das richtig sehe. Entweder hat es irgendetwas mit diesem Video zu tun, das du besorgt hast, mit dem verärgerten Professor oder mit Zengler und seinem Umfeld“, fasst die Reporterin zusammen.

„Du bist echt knüppelhart. Gerade noch wurde auf dich geschossen und du bist schon wieder am analysieren. Hut ab, du in der Sportredaktion, das ist doch Perlen vor die Säue geworfen“, schmeichelte er ihr.

Inzwischen war Kriminaloberrat Unterbeck mit einer Polizeistreife als Verstärkung eingetroffen. Unterbeck suchte nach dem Projektil. Es steckte in einem Fachwerkbalken und nachdem er es vorsichtig mit einer Pinzette herausgeholt hatte sagte er: “Das sieht aus wie .300 Winchester Magnum. Spezialmunition für ein Scharfschützengewehr, Kaliber 7,62 mm als Weichmantelgeschoss.“ Er steckte es in einen Kunststoffuntersuchungsbeutel. „Genaueres wird die KTU ergeben.“

„Also vielleicht ein G22“, schlussfolgerte Leon.

„Möglich. Nanu, sind sie Bundeswehrscharfschütze oder woher kennen Sie das Scharfschützengewehr?“, fragte Unterbeck erstaunt und schaute ihn mit großen Augen an.

„Nicht direkt, aber mit dem G22 habe auch ich schon unzählige Male geschossen.“

„Aha. Angeber! Haben Sie einen Verdacht, wer auf Sie geschossen haben könnte“, fragte er.

„Sie wissen woran wir gerade arbeiten. Wir haben ja den gleichen Fall. Vielleicht sollten wir sie mal auf unseren neuesten Stand bringen.“ Dieses Mal war es Vanessa, die kurz zusammengefasst schilderte, was sie die letzten Tage und Stunden alles herausgefunden hatten, ergänzt von kleineren Bemerkungen durch Leon.

„Interessant. Wenn wir also herausfinden, wer diese kleine Kugel hier auf die Reise zu Ihnen geschickt hat, sind wir im anderen Fall vermutlich auch einen gehörigen Schritt weiter. Das sieht mir aber doch ganz nach militärischem Umfeld aus. Wer hat ansonsten ein Scharfschützengewehr zur Verfügung?“, fasste Unterbeck zusammen.

„Na ja, wir beliefern schon eine ganze Menge unserer eigenen Gegner ebenfalls mit solchen Waffen. Es könnte also genauso gut jemand von der gegnerischen Seite gewesen sein“, erklärte Leon.

„Wir? Wen meinen Sie damit? Und wer soll das überhaupt sein? Die gegnerische Seite?“, fragte Unterbeck unwissend.

„Nehmen wir mal an, Herr Professor Haberkorn hat im Ausland irgendeinem Provinzoberguru auf den Schlips getreten, so wäre es doch möglich, dass dieser jemanden hergeschickt oder beauftragt hat, um sich an dessen Sohn zu rächen. Was gibt es Schlimmeres, als sein Kind zu verlieren?“, sagte Leon.

„Aber warum schießt der dann Frau Herzsprung in die Kaffeetasse?“, kam die berechtigte Frage. „Hat er seine Scharfschützenbrille vergessen?“

„Vielleicht weil wir aufhören sollten, zu tief in diesem Fall zu ermitteln, beziehungsweise zu recherchieren. Verzeihung, die ermittelnde Polizei sind ja sie“.

„Wie gut, dass Ihnen das auch schon auffällt“, sagte der Kripobeamte mit einem scharfen Blick zu Leon.

„Wir könnten ja auch ein wenig gemeinsam daran arbeiten und dann haben alle etwas davon“, versuchte er sein Glück.

„Genau, eine Kugel im Kopf zum Beispiel“, kam prompt die Antwort.

„Lassen Sie uns unsere Arbeit machen und Sie können dann brav von der Pressekonferenz berichten. Jeder macht seine Arbeit, so wie es sich gehört“, holte er ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. „Wir sind hier schließlich in Koblenz und nicht in Texas“, fügte er an. „Haben wir uns da jetzt verstanden?“

„Ja, ja, ist schon gut. Ein Danke für die wertvollen, vielleicht entscheidenden neuen Informationen hätte auch gereicht“, sagte Leon zynisch. „Brauchen Sie uns hier noch, wir müssten mal so langsam was arbeiten fahren, wir sind ja leider keine Beamten, die fürs Nichtstun genauso bezahlt werden“, fragte Leon gereizt.

„Hey, Vorsicht, Walters, Sie wollen mit Sicherheit bald wieder die eine oder andere Information von mir. Außerdem brauchen wir noch die genaue Aussage von Ihnen beiden. Sagen wir in einer Stunde auf dem Revier“, kam die beleidigte Antwort.

Braunes Eck

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