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Vorstandssitzungssaal Provita, 14:00 Uhr

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„Herr Vorsitzender, liebe Vorstandsmitglieder, meine Damen und Herren, wie Sie wissen, ist der Umsatz von Infantocalm in den letzten fünf Jahren um fünfhundert Prozent gestiegen. Die Produktionskosten konnten zudem durch Auslagerung nach China noch einmal fast halbiert werden. Diese Zahlen kennen Sie, wie ich annehme, bestimmt alle.“

Einige der Damen und Herren blätterten in ihren Unterlagen, überflogen die Zahlenkolonnen und nickten anerkennend.

„Unsere bisherigen Strategien haben sich also ohne jeden Zweifel bewährt. Insbesondere der Abteilung Absatzinnovation ist es zu verdanken, dass bei konstanter Anzahl an Erkrankungen der Umsatz pro Jahr mehr als verdoppelt werden konnte.“

„Das klingt ja unglaublich, Herr Professor Meggle. Wie haben Sie das nur wieder hingekriegt?“, fragte der älteste Herr in der Runde, in der Mitte sitzend.

„Nun, Herr Vorsitzender, unser letzter strategischer Schachzug bestand darin, die Behandlungsalternativen auf fast allen Gebieten in den eigenen Konzern zu holen. Wir haben jetzt das homöopathische Gebiet, den Algensektor und sogar eine Softwarefirma, die ein Trainingsprogramm bei ADHS als Marktführer eingeführt hat. Selbst die Kliniken und Fachambulanzen gehören zum Konzern.“

„Respekt, Herr Professor. ADHS und Provita sind also überall eng verknüpft. Aber erzählen Sie nur weiter …“ Der Vorstandsvorsitzende zeigte sich bei bester Laune und auch die anderen Damen und Herren sahen offensichtlich keine Veranlassung an den Schilderungen zu zweifeln. Das Geld in dieser Abteilung schien Ihnen offensichtlich gut investiert und dies lockerte die Atmosphäre auf eine angenehme Art und Weise.

„Wir bestimmen somit maßgeblich die Meinung in den gängigen Internetforen zum Thema ADHS, verdeckt natürlich.“ Professor Meggle lächelte in die Runde und erhielt zustimmende Signale aus der Zuhörerschaft.

„Wir können hier sogar ganz gezielt und punktuell über die Platzierung von Meinungen und Informationen im Netz eine Nachfrage in dem einen oder anderen Gebiet forcieren oder bremsen.“

„Herr Professor, das ist ja teuflisch … teuflisch genial, wenn ich das so sagen darf.“ Die Stimme des Vorstandsvorsitzenden überschlug sich vor Begeisterung.

„Somit können wir flexibel auf die Rohmaterialpreise reagieren. Es lässt sich durch Verfeinerung der Strategien exakt der notwendige Lagerbestand errechnen. Das hilft dann wiederum Kosten zu sparen und Umsätze zu steuern.“ Seine Stimme wurde immer langsamer, betonter und leiser. Dies unterstrich die Brisanz seiner Worte und im Raum hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Niemand getraute sich mehr, ihn zu unterbrechen. Wie gelähmt saß der Vorstand des riesigen Konzerns und lauschte den Worten eines ihrer Top-Strategen.

„Unsere Abteilung plant, die aktuellen Entwicklungen im ADHS-Therapieangebot noch weitergehend zu integrieren und neue Märkte zu erschließen. Daher beantrage ich die Zusage der veranschlagten 27 Millionen Euro für das Projekt mit dem Namen Zappelmaus. Die Unterlagen erhielten Sie bereits vorab zur Kenntnis. Für Fragen stehe ich Ihnen natürlich gerne zur Verfügung.“ Professor Meggle nickte zum Abschluss kurz und wartete auf Rückmeldungen.

„Vielen Dank, Herr Professor Meggle, ganz herzlichen Dank für Ihre Ausführungen und die hervorragende Vorarbeit. Gibt es bis hierher Fragen meine Damen und Herren?“ Er schaute kurz in die Runde. „Da dies nicht der Fall ist, wie ich sehe, dürfte ich die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung bis zum Ende der Abstimmung in den Warteraum nach nebenan bitten?“ Der Vorstandssprecher deutete nach diesem Satz als Aufforderung kurz in Richtung Tür.

Professor Meggle, Frau Doktor Köhler und Herr Rathke nahmen etwa fünf Minuten nebenan Platz und warteten auf das Ergebnis der Abstimmung.

„Herr Professor Meggle, dürfen wir Sie noch einmal kurz vor den Ausschuss bitten?“, fragte die Vorstandsassistentin.

Er folgte der Sekretärin, die die Abstimmungsergebnisse protokollieren musste, zurück in den Konferenzraum. Seine beiden Assistenten warteten mit Spannung vor der Tür.

„Herr Professor Meggle, Sie ahnen es sicher, die Abstimmung war einstimmig und, wenn wir ehrlich sind, waren wir eigentlich auch schon vor Ihren Ausführungen überzeugt. Wir kennen uns ja bereits ein paar Jährchen und die Zahlen sprechen eindeutig für Sie und Ihre Konzepte. Die Mittel sind natürlich bewilligt. Viel Erfolg. Machen Sie etwas daraus.“ Der Vorstandsvorsitzende gab Professor Meggle zum Abschluss die Hand und nahm wieder Platz.

„Danke. Ich wünsche noch einen schönen Tag und ein glückliches Händchen bei der weiteren Mittelvergabe.“ Professor Meggle verließ lächelnd den Raum und zeigte den anderen beiden wartenden Abteilungsmitgliedern den erhobenen Daumen.

„Glückwunsch, Herr Professor“, sagte Frau Doktor Köhler.

Herr Rathke schloss sich mit einem kurz Gesagten „Gratuliere“ an.

„Danke. Kommen Sie, wir trinken darauf ein Gläschen Schampus in meinem Büro.“

Der meergrüne Tod

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