Читать книгу Die unschuldige Königin - Hans-Peter Dr. Vogt - Страница 8
1.3.
ОглавлениеDas Gespräch ist nun schon ein paar Wochen her. Elvira hat noch viel darüber nachgedacht. Jetzt liegt sie hier mit Asha zusammen in einem Bett. Ach wie gut, dass gerade Sommerferien sind. Da kann sie all die Dinge tun, für die sie in der Schulzeit nicht genug Zeit und Kraft hat.
Wenige Wochen später erfasst sie diesen Hilferuf der quer über den Ozean zu ihrer Cousine Irina läuft. Irina, die dort in Brandenburg bei Großvater Leon lebt, zusammen mit ihrem Bruder Dimmy und ihrer gemeinsamen Mutter Vera.
Der Hilferuf ist nicht für Elvira bestimmt, aber sie hat ihn vernommen. Sie hat auch gespürt, dass Irina sofort in die USA springt und dass Opa Leon ihr am Abend folgt.
Leon.
Opa Leon kennt sie seit ihrer Geburt. Opa Leon ist wundervoll. Er ist mal in Berlin, mal in Brandenburg, mal Sachsen-Anhalt, in England, in den USA, oder in Südamerika, aber immer wenn er gebraucht wird ist er da. Elvira kann sich über Energieströme mit Opa Leon in Verbindung setzen, quer über den Ozean. Opa Leon hat viel Güte, aber er kann auch sehr streng sein.
Auf jeden Fall hat sie von ihm gelernt, sich in Alltagssituationen hervorragend zurechtzufinden. Er hat die Kraft der Familie, aber er pflegt stets zu sagen. „Nutze deine Kraft unauffällig. Sperre die Ohren und die Augen auf. Schärfe deinen Verstand. Versuche, die richtigen Worte und Argumente zu finden. Deine Kraft hilft dir dabei. Suche auch stets die Hilfe der Familie, wenn du nicht mehr weiter weißt.“
Opa Leon hatte 40 Jahre mit Oma Katharina zusammengelebt. Dann hatte er Oma Katharina verlassen. Er ist jetzt mit Vera zusammen, die viel jünger ist als Oma Katharina. Elvira war damals entrüstet gewesen. Sie hatte den Schmerz von Oma Katharina gespürt, als Leon mit Vera zum ersten Mal fremdging. Sie hatte die Qual gesehen, die Oma Katharina in diesen Tagen zerfraß. Aber Elvira hatte nicht helfen können. Dann hatte Tante Chénoa Oma Katharina abgeholt, und sie war mit ihr nach Peru gesprungen und wenige Tage später hatte Opa Leon mit seinen Energiestrahlen alle wichtigen Mitglieder der Familie zu einer Familienkonferenz nach Peru gerufen. Auch Elvira hatte dabei sein dürfen.
Opa Leon hatte sich vor der Familie rechtfertigt. Er hatte Vera liebgewonnen, und er würde in Zukunft mit ihr zusammenleben. Sie hatten in diesen Tagen viel geredet. Nicht nur über Opa Leon, sondern über die Aufgaben und die Moral der Familie.
Oma Mila (die nun wirklich die leibliche Großmutter von Elvira ist, und die in Peru lebt, inmitten einer riesigen Schar von indianischen Freunden), die hatte damals gesagt: „Auch wenn Leon jetzt Vera liebt, so wird er uns nie verloren gehen. Nicht mir und auch nicht Katharina. Wir lieben ihn seit über über vierzig Jahren. Eine Liebe, die ganz auf Gegenseitigkeit beruht. Ich für meinen Teil werde die Liebe von Leon nicht verlieren, auch wenn Leon jetzt mit Vera zusammenleben will. Es gibt Dinge, die Menschen für immer miteinander verbinden. Schließlich haben wir etwas zusammen aufgebaut und wir arbeiten immer noch daran. Jeden Tag. Leon, Katharina, ich, und viele andere. Eine davon ist Vera. Sie gehört nicht erst seit gestern in unsere Familie.“
Sie hatte den Gedanken dann fortgeführt: „Es gibt wichtigere Dinge, als gegeneinander zu kämpfen. Lasst uns immer daran denken, dass wir die gemeinsamen Ziele verfolgen und uns nicht gegenseitig anfangen zu zerfleischen. Manchmal müssen schmerzhafte Einschnitte sein.“
Sie hatte sich der Gruppe prüfend umgesehen und dann sagte sie, „Paco hat einmal viel Mist gebaut und Leon musste damals einschreiten. In dieser Situation war das wohl nötig. In unserem Fall ist das nicht nötig. Niemand wird hier einschreiten. Das, was gerade passiert ist, das betrifft nur Leon, Katharina und mich. Katharina und ich, wir haben uns bereits entschieden Leon loszulassen, und wir wollen, dass alle in der Familie unsere Entscheidung respektieren, auch wenn Katharina und mir ein Stück von Leon verloren geht. Bewahren wir den großen Zusammenhalt.“
Elvira hatte das nicht alles verstanden. Viele andere der Familie hatten diesen „Großmut“ von Oma Mila und Oma Katharina auch nicht ganz verstanden.
Elvira weiß, wie Oma Katharina unter diesem Seitensprung gelitten hatte, aber in der anschließenden langen Diskussion begriffen die Kinder damals eins: Katharina und Mila gaben Leon frei, weil sie wissen, das er ihnen nie verloren gehen wird. So werden sie den Frieden in der Familie erhalten.
Elvira weiß inzwischen, dass Oma Katharina und Opa Leon immer wieder einmal miteinander die Nacht zusammen verbringen, obwohl Leon mit Vera zusammen ist. So richtig hatte sich Opa Leon also von Oma Katharina doch nie getrennt, und naja, in der Arbeit, also in der Sache, da arbeiten Oma Katharina und Opa Leon regelmäßig zusammen, wie ein gut geschultes und geöltes Team. Oma Katharina hatte ihr einmal gesagt. „Wir haben eine gemeinsame Vision. Da ist es nur natürlich, dass wir am selben Strang ziehen.”
Sie sieht auch die Energieströme zwischen Oma Katharina und Leon, und sie staunte immer wieder über diese Einheit aus Gedanken zwischen zwei Menschen. Vera weiß das von Katharina und Leon, und Elvira weiß inzwischen, dass Vera auch damit einverstanden ist, dass Opa Leon und Oma Katharina immer wieder einmal das Bett miteinander teilen. Sie hat die Energieströme zwischen den beiden staunend wahrgenommen. Das sind schon wunderliche Beziehungen. Sie hätte das nie gekonnt, da ist sie sich sicher, aber sie mischt sich da nicht ein. Das ist nicht ihre Aufgabe und der Respekt vor Oma Katharina und vor Opa Leon verbietet ihr das. Sie liebt sie beide.
Schließlich ist es wirklich so, wie das auch Oma Mila das einmal gesagt hatte. „Katharina, Mila, Leon und auch Vera haben ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Aufgabe.“ Es gibt viele ständige Kontakte. Auch sie nennen das so: „Wir haben eine gemeinsame Vision.“
Elvira hat lange mit Lara darüber geredet. Mit Lara, die immer noch nicht verheiratet ist, und die mal mit dem einen, mal mit dem anderen Mann schläft.
Lara hat Elvira lange angesehen. „Du bist noch jung“, hat sie gesagt. „Ich weiß nicht, wie heftig deine erste Liebe sein wird. Ich weiß nicht, ob dies in deinem Leben der einzige Mann sein wird. Eins weiß ich. Papa war seinen beiden Frauen sein Leben lang treu. Das war die große Liebe und das hat 40 jahre lang perfekt funktioniert. Warum? Nun. Sie hatten eine gemeinsame Vision und beide Frauen haben diesen Mann genauso abgöttisch geliebt, wie er sie beide auch geliebt hat. Sie haben voneinander gewusst, aber das Wichtigste war, dass Papa seinen beiden Frauen immer ehrlich gegenüber war.“
Sie fuhr fort: „Manchmal spielt das Leben mit uns Ball, und dann passieren Dinge, an die wir nie zuvor gedacht haben. Wir müssen das akzeptieren, wenn Papa jetzt mit Vera zusammen lebt, obwohl er Katharina und Mila immer noch liebt. Wir freuen uns auch, wenn Papa und Mama sich manchmal das Glück der körperlichen Freuden schenken. Wir spüren das. Wenn Vera damit nicht einverstanden wäre, würde Papa das nie tun. So sind sie alle glücklich. Urteile nie vorschnell über andere, aber versuche, deinen eigenen Weg zu finden. Der muss nicht so aussehen, wie bei deinem Großvater. Er muss nicht so aussehen, wie bei deinem Vater, bei Paco, und er muss auch nicht so aussehen, wie bei mir. Finde deinen eigenen Weg.“