Читать книгу Die Isar kann sehr nass sein - Hans-Peter Hohmann - Страница 5
Оглавление…zwei Jahre zuvor
Noch ist nichts passiert. Und daran ändert sich vorerst auch nichts. Denn es ist September, irgendein Tag. Ein warmer Tag immerhin, um die Mittagszeit.
Zwei junge Menschen haben auf einer Bank, die unter hohen Bäumen steht, Platz genommen. Sie liest in einem Buch. Er isst. So weit, so gewöhnlich.
Doch plötzlich hebt sie den Kopf und schaut ihren Begleiter an. Dann sagt sie:
„Die Wahrheit kann einen Menschen sehr einsam machen.“
„Äh, von dir?“
„Leider nicht. Steht hier, habe ich gerade gelesen.“
„Aha. Lass mal sehen. Haruki Murakami. Die Ermordung des Commendatore. Spannend?“
„Geht so. Manchmal zieht es sich.“
„Na dann.“
„Findest du, dass der Satz stimmt?“
„Keine Ahnung. Vielleicht schon. Es gibt ja nicht viele, die die Wahrheit vertragen können.“
„Genau. Und wenn du einem was sagst, und dem passt das nicht, ist es schnell aus mit der Freundschaft. Nehmen wir mal dich, zum Beispiel. Du bist richtig fett geworden.“
„Spinnst du? Willst du mich beleidigen?“
„Ich sage nur die Wahrheit.“
„Die will ich aber nicht hören. Schon gar nicht von dir, du blöde Kuh.“
„Ah, jetzt wird der Satz erklärt. Willst du wenigstens das hören?“
„Ich dachte, das Buch ist langweilig.“
„Manchmal. Manchmal aber auch nicht. Was ist! Willst du, oder willst du nicht?“
„Na gut, lass schon hören, Nervensäge.“
„Also, die Person will damit sagen, dass man lieber darauf verzichten soll, die Wahrheit herauszufinden, wenn der Schaden, der dadurch angerichtet wird, größer ist als der Nutzen.“
„Klingt irgendwie logisch. Dass ich, ähm, zu fett bin, weiß ich selber. Das musst du mir nicht noch unter die Nase reiben, du mit deiner blöden Wahrheit.“
„Bist du noch sauer?“
„Schon.“
„Sorry. Andererseits, ein bisschen was auf den Rippen, das steht dir. Irgendwie.“
„Du kannst mich mal.“
„Eigentlich ist das ja ziemlicher Unsinn.“
„Was?“
„Na, das mit dem Schaden und dem Nutzen.“
„Wieso?“
„Wenn ich es demnächst als Polizistin mit einem Verbrechen zu tun kriege, dann will ich doch die Wahrheit herausfinden, oder? Wer ist der Täter. Warum hat er…“
„oder sie!“
„… ja, meinetwegen, hat er oder sie das Verbrechen begangen. Sowas. Wenn dann der Fall aufgeklärt ist, gibt es doch nur einen Nutzen. Und keinen Schaden.“
„Der Täter hat eindeutig einen Schaden erlitten und keinen Vorteil von der Aufdeckung seiner Tat.“
„Und du hast einen Dachschaden. Das ist die Wahrheit.“
„Und du verträgst nicht, dass man dir widerspricht. Das ist auch die Wahrheit.“
„Du hast recht. Aber wenn es um die Wahrheit geht, ertrage ich keinen Widerspruch. Ich will halt immer die Wahrheit wissen.“
„Und wozu soll das gut sein?“
„Ich will Gerechtigkeit, ganz einfach. Zum Beispiel soll jemand, der ein Verbrechen begangen hat, bestraft werden. Damit Gerechtigkeit herrscht, muss die Wahrheit ans Tageslicht kommen. So einfach ist das.“
„Du bist halt eine hoffnungslose Idealistin, Bernie.“
„Und du bist ein Idiot.“
„Was isst'n du da? Thüringer Bratwurst? Lass mich mal abbeißen.“
„He, nicht alles!“
„Zu spät. Sorry.“