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Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit
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Der 1. Weltkrieg endete bekanntlich 1918 mit der Niederlage Deutschlands. Die Monarchie wurde durch bürgerkriegsähnliche Zustände abgeschafft, Kaiser-Wilhelm II. ging ins Exil nach Holland, bürgerliche Parteien entstanden. Die Wirren der Nachkriegszeit, Hungerjahre, in denen man froh war, manchmal nur trockene Kartoffeln und einen mageren Hering auf dem Tisch zu haben, trafen jetzt nicht nur abgelegene Regionen wie das Erzgebirge, den Pfälzer - und den bayrischen Wald und Oberbayern. Im gesamten, durch viele Kleinstaaten zersplitterten Deutschen Reich, war Schmalhans Küchenmeister.
Zunehmend werden links- und rechtsradikale Parteien tonangebend. Linksradikal war die kommunistische Einstellung, die sich an die russische Doktrin anlehnte, rechtspopulistisch die Volksfront und spätere NSDAP. Dadurch kam es wiederholt zu blutigen Straßenkämpfen, in Berlin und anderen Städten Deutschlands. Der Aufstand auf dem Panzerschiff Aurora in St. Petersburg gegen das Zarenregime mündete in Russland in Kommunismus und Chaos. Die Zarenfamilie wurde ermordet. Auch hier verbluteten Tausende im Bürgerkrieg.
Deutsche Lande unter Kaiser Wilhelm II. und seine Verbündeten hatten an zwei Fronten gekämpft. Im Westen gegen die so apostrophierten 'Erzfeinde' Frankreich und England, im Osten war es das zaristische Russische Reich.
Die heimkehrenden, schwer traumatisierten, oft amputierten Soldaten fanden selbst in der Heimat und ihren Familien oft keinen Halt. Sie orientierten sich zu rechten oder linken Parteien, ohne recht zu wissen, was von denen zu erwarten ist. Rudolf `s Vater kam ebenfalls zurück, beinamputiert und seelisch ein Krüppel. Kurz nach seiner Rückkehr starb die Frau als Folge der körperlichen Auszehrungen durch die vielen Geburten und ständiger Unterernährung. Der Veteran Haub wurde von zwei Töchtern bis zum Tode liebevoll umsorgt. Die Familie war am Ende, Rübenau im Erzgebirge durch Hunger und Kriegstod dezimiert.
Bruno Grynszpan war aufgrund seiner Bergmannskrankheit von der Bürgerwehr freigestellt. Er hat deshalb an den Fronten des Kaiserreichs an den Schlachten 14/18 nicht teilgenommen. Statt dem engagierte er sich in Rübenau und den umliegenden Orten auf humanitäre Weise. Den kriegsverletzten Nachbarn Haub betreute er nach dessen Rückkehr aus dem Grabenkrieg vor Verdun. Fürchterliche Monate hatte er da zu überstehen, im Schlamm der Schützengräben, bei Angriff und Verteidigung. Er ist dermaßen traumatisiert, dass er darüber nicht zu sprechen vermochte.
Im 1. Weltkrieg kämpfte man noch mit Bajonetten gegeneinander. Das waren Kämpfe Mann gegen Mann, wie im Mittelalter hat man sich gegenseitig abgestochen. Und immer hatte der Schütze Asch seinen Kopf hinzuhalten, wenn König und Kaiser wieder einen persönlichen Streit auszutragen geruhten. Bewaffnete Auseinandersetzungen gab es um Länder, um Einflusssphären und fiskalische Gewinne. Millionen mussten sterben, Milliarden wurden in Kriegswerkzeug investiert statt ins Wohlergehen der Bevölkerung.
Die nachbarschaftlichen Bande in der Kriegszeit waren besonders ausgeprägt. Wegen der allgegenwärtigen Nachkriegsarmut hatte die Allgemeinheit Deutschlands aber keinen Sinn und Geld, um sich die früher so begehrten erzgebirgischen Holzwaren zu kaufen. Die Familien kämpften ums nackte Überleben, und daher versuchte man vorrangig, überlebenswichtige Grundnahrungsmittel zu ergattern. Von Rächermandeln konnte man nichts abbeißen, und die Holzengel ließen sich auf Tauschhandel nicht ein.
Die Heimarbeit mit früher so begehrten Holzfiguren brachte nur noch knappen Gewinn. Deshalb lebte die Weberfamilie Haub jetzt etwas besser, denn in dieser Zeit waren neben Lebensmitteln vorzugsweise Textilerzeugnisse gefragt. Dabei handelte es sich in erster Linie um rauborstig gestrickte Unterwäsche aus Schafwolle, die so fürchterlich auf der Haut kratzt, aber angenehm wärmt, besonders in den eisigen Wintern des Erzgebirges. Es gab auch Spezialisten, welche die Herstellung von Joppen, Hosen ebenso wie zwiefach verknüpfte Handschuhe besonders vollkommen beherrschten. Reichtümer konnte mit diesen Waren zwar niemand erwerben, aber es reichte gerade so hin. Der Tauschhandel florierte nach dem Motto gibst du mir, dann geb ich dir. Heiß begehrt waren Zigaretten, für die mancher sein letztes Hemd hingab.
Weil die zahlreichen Geschwister Rudolf`s ins jugendliche Erwachsenenalter gekommen sind und deshalb das Haus verließen, wurden die Mitesser am Tisch weniger. Was hat es somit gebracht, wenn man viele Kinder zeugte? Froh war man, als sie endlich lebe wohl sagten.
Leider drifteten die Ansichten und Einstellungen der beiden in den Vor- und Kriegsjahren so sehr verbundenen Familien Haub und Grynszpan jetzt zunehmend auseinander.Rudolf und zwei seiner Schwestern fühlten sich zur S.A. hingezogen, weil sie der Meinung waren, dass es in Deutschland ohne Zucht und Ordnung so wie bisher nicht weitergehen kann. Anton, Emma, Artur und besonders Joseph Grynszpan empfinden ein gütliches, religiöses Verbundenheitsgefühl und engagieren sich für ihre hilfsbedürftigen Mitmenschen. Leider wurde es ihnen in späteren Jahren nicht gedankt. Sie hatten unter den Nationalsozialisten ein schweres Los zu tragen. Emma wollte ihre Fähigkeiten nicht brachliegen lassen und versuchte sich auch mit der brotlosen Kunst der Aquarell-Malerei. Aber insgeheim hoffte sie, dass der Handel mit den erzgebirgischen Holzwaren wieder in Gang käme. Daran hatte sie ihr Herz verloren.