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Familie Grynszpan

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Bruno Grynszpan mit seiner Familie lebt weiterhin in Rübenau. Man fühlt sich ortsverbunden und hat dabei den Kontakt zum Nachbarn Rudolf verloren, denn der lebt und arbeitet jetzt in Freital, einer Stadt zwischen Chemnitz und Dresden. Nur die jungfräulichen Schwestern, längst zu hübschen Damen herangewachsen, wohnen auf sich zurückgezogen im Elternhaus. Freier haben sich noch nicht eingefunden. Die restlichen Kinder der Familie haben in anderen Orten ein zeitgemäßes Zuhause gefunden. Etwas Weltbewegendes hat sich bisher nicht zugetragen.

Nach wie vor sind es kümmerliche Zeiten für erzgebirgische Nussknacker, Rächermandl und Weihnachtsengel. Nur Schwibbogen hatten zu Weihnachten Konjunktur, wenn diese mit innovativen Ideen angeboten und durch Kerzen beleuchtet werden. In der dunklen Jahreszeit erzielt man so eine eigenartig-stilvolle Atmosphäre in der Stube. Und damit vermag man auf dem Weihnachtsmarkt, der wieder abgehalten wird, die Besucher anzusprechen. Weihnachten ist wie immer ein Fest der Familie, und ganz besonders auch im Erzgebirge.

Schwibbung (erzgebirgisch) war von Alters her die Sehnsucht der Bergleute nach Licht, das sie so rar zu Gesicht bekommen. Morgens vor Sonnenaufgang fuhr der Bergmann in die Grube ein und abends erst bei Dunkelheit kamen die Hauer heim. Kaum, dass die Kumpel ein paar freie Tage im Jahr erhalten. Ihre Kinder sehen sie nur sonntags aufwachsen. Grynszpans hatten sich einen eigenen Vertrieb aufgebaut. Den Zwischenhandel über den Kalfaktor verdienten sie sich jetzt selber. Zur Adventszeit geht Bruno mit seinen Söhnen Josef und Artur auf die Weihnachtsmärkte in den reizvollen Städten Freital und Pirna, manchmal sogar nach Dresden. Verkaufsbuden ließen sich da kostengünstig mieten.

Es ist stets eine beschwerliche Aufgabe, die kleinen Kunstwerke in Tragekiepen zum Zöblitzer Bahnhof zu schaffen, denn der Weg musste zu Fuß zurückgelegt werden. Es war zwar mal angedacht worden, von Olbernhau eine Zweigbahn nach Rübenau zu bauen, doch wegen der geografischen Verhältnisse wurde der Plan verworfen.

Deshalb ist Schuhwerk von ausgezeichneter Qualität erforderlich für die steinigen Pfade. Indes, dafür haben sie ja ihren Schuhmacher Sachs, der ein Meister seines Fachs für widerstandsfähige Gebirgsstiefel ist. In Rübenau betreibt er eine urige kleine Werkstatt.

Maschinen hat er keine in dem Arbeitsraum. Der ist ein Teil der Wohnküche, wo er vom frühen Morgen bis in späte Abendstunden bei dem Licht einer ’Schusterkugel’ arbeitet. Das ist eine mit Wasser gefüllte Glaskugel, die den spärlichen Schein einer Kerze oder Spirituslampe verstärkt und durch Lichtbrechung bündelt, sodass der Schuhmacher die Schuhe auch bei Dunkelheit bearbeiteten kann. Alles ist präzise Handarbeit, was Hans Sachs fertigt.

Zusammen mit einem Lehrjungen besucht er regelmäßig auch entlegene Bauernhöfe und repariert dort die schweren Arbeitsstiefel. Es ist ein hartes Stück Brot, das er sich da verdient.

Einfache Ausführungen von Fußbekleidungen werden mit Holzstiften genagelt, bessere Ware wird mit Pechfaden genäht. Man nennt es doppeln, und mancher präzise Stich wird dafür gesetzt. Das ist eine sehr hochwertige Arbeitsweise, und solcherart hergestelltes Schuhwerk wird über viele Jahre getragen. Immer wieder kommt es zur Reparatur, wenn Sohlen oder Absätze abgelaufen sind. Sogar mit erneuerten Vorschuhen wurden verschlissene Treter versehen, um sie weiterhin gebrauchsfähig zu halten.

So was von wertvoll waren früher ein Paar handgefertigte Schuhe, dass sie nicht selten vererbt worden sind. Es ist eine anstrengende, schweißtreibende Arbeit, welche dem Dorf-Schuhmacher Sachs trotzdem nur ein bescheidenes, aber für die Zeit um 1920/30 vergleichsweise sicheres Einkommen bescherte. Er ist ein angesehener Mann im Ort, denn genau wie sein berühmtes Vorbild aus Nürnberg verfasst Hans Gedichte über sein geliebtes Erzgebirge. Er hat sich aber auch selbst und sein Handwerk mit ein paar Zeilen gewürdigt:

Den Mann, der Schuhe machen kann,

den hat man Grund zu lieben.

Denn hat man keine Schuhe an,

dann käm man schnell zum Liegen.

Man hätte Husten, Schnupfen, Weh,

und manchmal schmerzt der große Zeh.

Drum achtet drauf und seid gescheit,

kauft gute Schuhe, liebe Leit!

Bruno ist ein freundlicher, uriger Verkäufer. Da kommt ihm seine Vergangenheit als Bergmann zugute. Er kam in erzgebirgischer Tracht daher–das mögen die Marktbesucher. Und er macht Musik auf dem Akkordeon oder der Mundorgel. Es regt zum Kauf an, besonders, sobald das Wetter mitspielt und die Berge tief verschneit sind. Konkurrenzdenken unter den Händlern gibt es aber auch, und innovative Ideen schaut man sich gelegentlich bei anderen Marktbeschickern ab.

»Joseph, gieh do eemol lunsn, wos de Adelbacher hot«

»eija, de hot orchveel gudde neie Zeich, abr de Küppner vu Olbrhaa......dos Gelump braucht keenr meh. ...«

Die Verkaufstouren sind zwar stets mit erheblichen Kosten und körperlichen Anstrengungen verbunden, doch sobald die handwerklich gefertigten Werke verkauft worden sind, hat sich der jährliche Aufwand gelohnt. Dann wird der Heiligabend sehnsüchtig in den erzgebirgischen Stuben erwartet. Das Holzfeuer knistert, Tannenduft zieht durch die Behausung und man freut sich auf das traditionelle 'Neinerlei', die Suppe vor der Bescherung.

Vom Krieg und vom Frieden

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