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Kapitel 10

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Renard hatte sich am Mittwoch mit anderen Fällen zu beschäftigen, er hatte Laffitte ganz vergessen, als er diesen um fünf Uhr nachmittags in das Großraumbüro des Komissariats einbrechen sah. Er rannte fast die Schreibtische von Granier und Hérail um und stürzte in seinen Glaskasten

"Chef, halten Sie sich fest!" rief er, sich mit beiden Händen vor Renard auf den Tisch stützend, um Luft zu holen, "es ist zu phantastisch, wir haben ihn! Wir haben seinen Namen!"

"Was?" rief der Chef begeistert, "so schnell!"

"Ja, und jetzt raten Sie mal, wie er mit Vornamen heißt?"

"Rinaldo oder?"

"Genau. Rinaldo Santini." Er ließ sich immer noch außer Atem auf einen Stuhl sinken. "Ist es nicht phantastisch? Genau so wie ich es mir dachte!"

"Nun, erholen Sie sich erst einmal!" sagte Renard fürsorglich und tätschelte ihm die Rechte, die ganz schwach auf dem Schreibtisch vor ihm lag, "und dann erzählen Sie einmal alles ganz von vorn."

"Also als ich gestern mit der Liste anfing, dachte ich, jetzt beginnt wieder diese undankbare Knochenarbeit. Zähe Gespräche, genaue Fragen, ungenaue Antworten. Ich war schon erschöpft, als ich daran dachte. Und dann ging alles wie am Schnürchen."

"Nun mal ganz ruhig," besänftigte ihn der Chef. "Wie war das denn im einzelnen?"

"Ich fuhr als erstes zu einer Frau Reinette Péladan, Rue Montmartre, die war zum Glück da, Hausfrau, nicht berufstätig. Der Strafzettel wurde um 23,12 Uhr ausgestellt. Sie hat nach ihrer Aussage etwa um 22,30 Uhr den Wagen geparkt, hat eine Bekannte in der Gegend besucht und ist gegen Viertel vor zwölf zurückgekehrt."

"Und, hat sie was gesehen?"

"Nein, nicht direkt, sie sah nur, als sie ausstieg, wie jemand in einem Leihwagen von Hertz hinter ihr parken wollte, die ganze Parkverbotsstrecke war frei, dann habe er wohl doch das Schild bemerkt und sei weitergefahren."

"Hat sie gesehen, wer drin saß?"

"Ein Mann, glaubt sie, hat aber nicht weiter darauf geachtet. Wozu sollte sie auch?"

"Gut, erzählen Sie weiter!"

"Danach kam ich an einen saublöden Typ, einen Paul DelaRue, Arzneimittelvertreter für Rhône-Poulenc. Ich mußte ihn in der Geschäftstelle der Firma in Boulogne-Billancourt erst wie eine Stecknadel im Heuhaufen suchen. Als ich ihn schließlich aufgestöbert hatte, wollte er mir nichts sagen, behauptete, er sei nicht verpflichtet, mir Auskunft darüber zu geben, was er in seinen Nächten treibe und sehe. Er sei freier Staatsbürger und kein Polizeispitzel und so weiter, wir seien Agenten eines Schnüffelstaates, er würde erst etwas sagen, wenn wir ihm eine offizielle Vorladung schickten etc. pp. Ich sagte ihm, das könnte durchaus noch passieren und nahm mir dann Fräulein Hamouni vor, die wohnt in der Rue Mouffetard und ist Tochter des Besitzers eines algerischen Restaurants. Sie parkte um 22,45 Uhr ungefähr, meinte sie, ihr Strafzettel ist datiert auf 23,15 Uhr. Sie erinnert sich, daß dort schon zwei weitere Wagen standen, deshalb hat sie gewagt, sich dazu zu stellen. Das war wohl der R 4 von Frau Péladan und Achtung, jetzt kommt's: ein Wagen von Hertz, und der Fahrer saß noch drin!"

"Hat Sie gesehen, wie er aussah?"

"Ja, das war's, warum sie sich überhaupt an ihn erinnerte. Er sah irgendwie arabisch oder südländisch aus, schwarze Haare, schwarzer Kinnbart, bräunliche Haut."

"Wie hat sie das im Dunkeln erkennen können?"

"Hab ich sie auch gefragt. Als sie an seinem Wagen auf der Straße vorbeiging, zündete er sich gerade eine Zigarette an, da sah sie es im Lichtschein des Streichholzes, er hatte die Scheibe heruntergekurbelt, es war ja noch so warm. Sie hielt ihn für einen Landsmann und grüßte ihn, er grüßte auf Französisch zurück."

"Und weiter?"

"Dann ging ich erst mal nach Haus und horchte eine Nacht lang an der Matratze. Heut früh kam ich in der Liste an einen Luc Brasseur, der wohnt in St. Germain, das war mir zu weit, ich rief vorsichtshalber an, ob er überhaupt zu erreichen wäre, da sagte mir seine Tochter, er sei für ein paar Tage auf Geschäftsreise."

"Hm."

"Chef, ich erspar Ihnen die übrigen zwei. Sie kamen später, der eine parkte kurz vor halb zwölf, der andere knapp vor Mitternacht. Sie wurden bei der zweiten Strafaktion erwischt, die Zettel sind datiert auf 12, 03 und 12,05 Uhr."

"Also 10 Minuten bevor der Nachtwächter die Leiche entdeckte!"

"Genau. Und sie konnten nichts sagen. Ihnen ist nichts Besonderes aufgefallen."

"Ja, wahrscheinlich war ja zu dem Zeitpunkt die Tote schon abgeladen."

"Dachte ich auch. Es könnte der Mann im Hertz-Wagen gewesen sein. Das bot sich auch an, wenn man so etwas Riskantes tut, ist es besser, nicht den eigenen Wagen zu nehmen. Jemand könnte sich die Nummer merken."

"Aber so ein Wagen ist doch noch auffälliger."

"Stimmt, aber...Lassen Sie mich fortfahren?"

"O.K."

"Ich ging also heute Mittag zu der Hertz-Zentrale und erkundigte mich nach Wagen, die in der Zeit ausgeliehen waren. Man gab mir eine Liste und: Bingo, ich fand den Namen Rinaldo Santini. Rinaldo, dachte ich mir, das ist doch unser Stichwort. Das muß er sein. Laut Reisepaß ist er geboren am 12.11.51 in Palermo, Sizilien. Der Wagen ist in Nizza am vorigen Dienstag entliehen und vorgestern um zehn Uhr früh in der Hertz-Zentrale Bd. Clichy wieder zurückgegeben worden. Als er gemietet wurde, stand der Kilometerzähler auf 45189 km, als Santini ihn zurückgab auf 46221 km. Die Autobahnstrecke von Nizza bis hierher ist 932 km. Da bleibt ein Rest von 200 km."

"Wo mag er da rumgekurvt sein?"

"Frage ich mich auch. Aber das können wir uns später überlegen. Ich hänge mich also ans Telefon, rufe unsere Dienststelle in Nizza an und erkundige mich nach diesem Santini. Ist dort unbekannt. Dann ließ ich mich mit Interpol verbinden. Sie haben Stunden gebraucht, um in Palermo das Paßamt zu erreichen und die sagten ihnen, ein Paß auf diesen Namen (die Nummer hatte ich von der Hertz-Zentrale in Nizza) sei nie ausgestellt worden. Der Paß sei zwar echt, er sei zusammen mit einem Konvolut anderer Pässe 1993 aus dem Municipio von Savona gestohlen worden. Der Name Santini taucht auf keiner schwarzen Liste auf."

"Palermo," seufzte Renard, er sah manches Schlimme auf sich zukommen.

"Ja, Palermo," murmelte Laffitte düster und bewegte das Kinn nickend auf und nieder.

"Wenn der Paß falsch ist, braucht Rinaldo oder wie immer er sich schimpft, natürlich auch nicht aus Sizilien zu sein," versuchte sich Renard Mut zuzusprechen. Keiner von beiden wagte das Wort Mafia auszusprechen. Es war ihnen zu ominös, bedeutete Ärger, Blut, Wirrwarr, Ergebnislosigkeit. War so unfranzösisch, kurz gesagt.

Also doch Italian connection, da war es geschehen, was Renard befürchtet hatte. Die Lirescheine und Münzen zusammen mit dem französischen Geld in dem Portemonnaie der Toten deuteten auf jemand, der zwischen Italien und Frankreich hin- und herpendelte.

"Haben Sie sich schon um den Wagen gekümmert, mit dem dieser angebliche Santini gefahren ist?"

"Jawohl, Chef. Er ist im Moment vermietet, soll aber morgen zurückgebracht werden. Wir nehmen ihn auseinander. Leider werden die Wagen vor der Weitervermietung immer gewaschen und innen geputzt und gesaugt. Da wird nicht mehr viel herauszuholen sein."

"Na ja. Man soll auch in den Hotelmeldelisten nachsehen, ob er allein oder mit Frau irgendwo aufgetaucht ist, ich verspreche mir zwar nicht viel davon, solche Typen haben immer mehrere Pässe auf verschiedene Namen parat. Außerdem kann er natürlich auch privat übernachtet haben."

"Wird gemacht."

Renard sah auf die Uhr: "Ich bin irgendwie ausgepumpt, kommen Sie mit ein Bier trinken und einen Happen essen? Beim Essen kommen einem die besten Ideen."

Laffitte dachte an seine einsame Frau und schüttelte den Kopf: "Kann ich nach Hause? Ich bin den ganzen Tag unterwegs gewesen, mag meine grauen Zellen nicht mehr strapazieren."

Der Kommissar ließ ihn frei und steuerte selbst sein Lieblingsrestaurant an.

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