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Iglau, Sommer 1318

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„Die Hochfläche, die sich rund um Jihlava erstreckt, ist aus den gleichen Gesteinen, die du auch schon von zu Hause kennst, der grauschwarz gesprenkelte Granit und der grauschwarz gebänderte Gneis. Hier haben wir den Vorteil, dass sich die Schichten von Sonnenuntergang nach Sonnenaufgang senken, so dass man schon bald feststellen kann, ob das Gestein Silber enthält.“ „Das ist viel einfacher als bei uns – da liegen die Schichten gerade und man muss sich erst hindurch graben, um Erzgänge zu finden!“ „Siehst du, das ist schon ein Grund, warum wir hier viel erfolgreicher sind. Woran erkennst du, ob Silber im Gestein ist?“ „Zwischen den schwarzgrauen Punkten oder Streifen sieht man kleine fast braune Kerne oder Fäden – das ist das Silber.“

Cuno und der Schwarze Boris liefen von der Burg durch Staré Hory zum ersten Schacht. Er war von einem massiven Dach aus Balken und Schindeln gekrönt, das die eigentliche Mechanik verbarg. Zwei dicke Stämme, die auch den Dachfirst trugen, hatten je ein großes Loch, durch das ein kleinerer Stamm geschoben war, an dessen beiden Seiten Hölzer hineingeschlagen waren, damit man an ihnen wie an einem Steuerrad den Stamm drehen konnte.. Der Schachtmeister überwachte die Anlage und rieb oft Tierfett in die Löcher, so dass sich der kleinere Stamm leicht bewegte, trotz der großen Lasten, die an ihm hingen. An ihm befestigt waren zwei Seile, die jeweils große Wannen trugen. Die Seile waren aber so gewickelt, dass ein Bergmann, der sich in so einer Wanne in den Schacht begab, mit seinem Gewicht die andere Wanne mit ausgebrochenem Gestein nach oben zog – auch wenn der Schachtmeister manchmal nachhelfen musste, weil die eine oder die andere Wanne schwerer waren. Aber dafür waren die Querhölzer an den beiden Enden des Stammes ja schließlich da. Oft musste des Schachtmeisters Geselle, der tatsächlich nach seinem Körpergewicht ausgesucht wurde, an der Stelle eines Bergmanns in den Schacht fahren, damit das Gestein nach oben kam. Der arme Kerl hatte dann aber immer wenig Zeit, um über die Leitern wieder nach oben zu steigen, denn es waren viele Steiger und ihre Gehilfen im Schacht, und die Schmelzöfen brauchten ständig Nachschub an Gesteinsbrocken. Das silberhaltige Gestein wurde in Schubkarren geschüttet und zur Verarbeitung gebracht. Das „blinde“ Gestein, also der Abfall, der ausgebrochen wurde, um den Schacht tiefer zu machen oder um zwei Gänge zu verbinden, wurde rund um den Schachteingang aufgeschüttet. Dieser Wall war beim ersten Schacht schon höher als der Schachtturm. Cuno hatte die letzten Wochen die niederste Arbeit im Berg getan: er hatte das von den Steigern herausgebrochene Gestein in Weidenkörben entweder schräg nach oben oder schräg nach unten bis zum Schacht getragen und in die Wannen geschüttet. Da die Schichten sich absenkten, wie ihm Boris gerade wieder erklärt hatte, hieß das, dass er auf dem unebenen Boden im Dunkeln die nicht mal mannshohen Gänge schwerbeladen bergauf laufen musste, immer auf das Licht im Schacht achtend, das ihm die Richtung wies. Zurück war der Weg leichter, aber die Funzeln der Steiger waren so schwach, dass er oft gegen das Gestein taumelte. Die eiserne Kappe und die festen Schuhe hatten ihm oft geholfen, aber er hatte trotzdem mehr blaue Flecken als jemals in seiner Knappenzeit. Aber, und das hatte ihm Knappenmeister Pritbor ja vorausgesagt, er war wesentlich kräftiger geworden. Das war wohl auch der Grund, warum Boris heute mit ihm sprach, statt ihn direkt in den Schacht zu schicken. „Du hast jetzt genug Kraft, um selbst als Hauer zu arbeiten. Lass uns über die Leitern in den Schacht steigen, und dann versuchst du mal,ob du eine Stelle finden kannst, die wirklich Silber führt und an der du das Gestein aus deinem ersten Erzgang herausbrichst.“ Er drückte Cuno eine Haue in die Hand. Sie sah fast aus wie ein Kreuz: der Eichenholzstiel steckte in einem Flacheisen, das an beiden Enden daumenlang und zugespitzt war. Cuno war stolz, dass der Schwarze Boris ihm das Steigen schon nach so wenigen Wochen zutraute, aber er wusste auch, dass er jetzt gut suchen musste, sonst würde er noch Monate Steine schleppen. Als sie die Leitern bis fast zum Grund des Schachts herabgestiegen waren, sah er aus den Augenwinkeln im Licht der Laterne eine braune Linie im Gneis, die eine andere Farbe hatte als die Gesteinsbänder. Er stieg die Leiter wieder etwas hinauf und bat Boris um seine Laterne. Oft genug hatte er die Hauer ihr Werkzeug führen sehen und so konnte er mit wenigen Schlägen einen vielleicht faustgroßen Stein herausbrechen, den er mitsamt der Laterne Boris reichte. „Verdammt, da kommt so ein Anfänger und sieht, was alle meine Steiger übersehen haben! Leg eine zweite Leiter an und dann schauen wir, ob da noch mehr ist als ein Silberfädelchen.“ Boris nahm sich ebenfalls eine Haue und mit vereinten Kräften hatten sie bald eine kleine Höhle in die bis dahin recht glatte Schachtwand geschlagen. Normalerweise reichte der Schacht immer nur so tief, wie die unterste Fundstelle, aber nun arbeiteten sie mindestens 20 Fuß über dem Schachtboden, so dass sie genauso viel Kraft brauchten, nicht von der Stelle zu rutschen als Gestein zu hauen. „Hol die Proben, und dann schauen wir nach, was Du wirklich entdeckt hast!“ Cuno stieg zum Schachtboden hinab, füllte das herausgehauene Gestein hinein, trug es zur Wanne und schaute ihr nach, als sie nach oben stieg und der Geselle des Schachtmeisters unten aus der anderen Wanne sprang. Während Boris schon die Leitern hinaufstieg, blieb Cuno unten, bis alles Gestein verladen war. Als auch er oben ankam, sah er, dass Boris den Inhalt der ersten Wanne bereits einem Hauer zugeschoben hatte. Wie viele andere saß dieser gleich hinter dem Gesteinswall, der den Schacht umgab, auf einem Sitzbalken, vor sich einen Granitwürfel, so hoch wie der Balken. In der Oberfläche war durch das dauernde Hauen eine Kuhle entstanden, in die der Hauer nun das neu gebrochene Gestein legte. Mit einem Holzschlegel und einem Flacheisen rückte er den Brocken zu Leibe und zerschlug sie in kieselgroße Stückchen. Ein Junge füllte diese Splitter in einen Korb, und als die „Ernte“ von Cuno und Boris zerkleinert war, lud sie der Junge auf eine Schubkarre und führte sie zu dem Schmelzofen, der gerade die größte Hitze entwickelte. „Jetzt wird es spannend“, sagte der Schwarze Boris und wies einen Knecht an, den Karreninhalt in einen der großen tönernen Tiegel zu füllen und schob diesen eigenhändig auf eisernen Schienen in die Glut. Der Knecht stellte eine Sanduhr auf „Beginn“; neben ihm begann ein dritter Helfer, den Blasebalg mit beiden Händen zu ziehen. Die Hitze in der Schmelzhütte war enorm, die Knechte trugen eigentlich nur Lederschürzen, um sich vor herausfallender Glut oder gar geschmolzenem Metall zu schützen. „Warum sind die Schmelzöfen eigentlich von Mauern umgeben und haben ein Dach? Die Hitze kann man doch kaum ertragen, und wenn einem der Schweiß in die Augen läuft, wie mir gerade, kann doch viel passieren.“ „Das stimmt schon“, lachte Boris, „Aber Hitze brauchen wir nun mal zum Schmelzen, und es ist teuer genug, die Hitze zu erzeugen, da wollen wir doch nicht den Wald dadrüben mit erwärmen!“ Als der Sand in der Uhr durchgelaufen war, zog der Knecht den Tiegel wieder aus der Glut, stellte einen anderen davor, befüllte diesen und das Ganze wiederholte sich. Boris und Cuno waren zu neugierig, um abzuwarten, bis der erste Tiegel ausgekühlt war. Cuno schnappte sich einen Holzspaten, mit dem gewöhnlich die Holzkohle aufgelegt wird und schob das heiße Gestein heraus. Und am Boden blieb eine ziemlich große, mattgraue Lache übrig. Als Cuno den Spaten in die Lache stieß, brach die mattgraue Haut darüber und das hellglänzende Silber kam zum Vorschein. „Junge, damit hast du dir in ein paar Stunden einen ordentlichen Einstand geschaffen,“ rief der Schwarze Boris und schlug Cuno auf die Schulter; denn wie im ganzen Reich erhielt der Steiger auch in Böhmen den zehnten Teil des erschmolzenen Silbers als Lohn, und das Zehntel der ersten Schmelzung sofort. „Damit kannst du deinen vornehmen Herren und Knappen heute Abend so manchen Krug Bier kaufen!“ „Ihr seid eingeladen, Boris, und der Schachtmeister auch!“

Als Cuno bei Sonnenuntergang zurück zur Burg mehr schwankte als ging, hatte er „seinen“ Erzgang schon so weit vertieft, dass er beim Hauen in der Höhlung knien konnte, und die Ausbeute war weiter gut gewesen. Die Hände schmerzten vom Aufprall der Haue auf das Gestein, die Finger waren blutig vom Zusammenklauben der Brocken, aber trotzdem war er glücklich. Er hatte einen Fladen Silber in der Tasche und endlich ging es vorwärts mit seinen Kenntnissen über den Bergbau. Allein die Vorrichtungen wie der Schachtturm oder der ausgeklügelte Schmelzofen, die er in den letzten Wochen kennengelernt hatte, würden die Produktion in Steigerthal vervielfachen. Er musste nur noch die Technik soweit verstehen, dass er sie nachbauen konnte. Wenn er da an die primitive Kurbel dachte, mit der das Gestein zu Hause aus dem Schacht gezogen wurde – wie Wasser aus dem Brunnen! Und die Schmelzen waren eher wie der Holzkohlehaufen an der südlichen Bastei, damals, als Graf Hohnstein und sein widerstrebender Vater versucht hatten, Silber zu verschneiden. Vieles aber verstand er noch überhaupt nicht, und deswegen war es gut, dass er bis zum Winter dem Schwarzen Boris zugeteilt war, auch wenn er seine Knappenbrüder nur des Abends wiedersah.

Miška war nach Hause geritten um den alten Vater als Herrn der Güter abzulösen. Tibor war alleine von Prag zurückgekommen und hatte Wolf wieder mitgebracht, dem es ohne Cuno zu langweilig geworden wäre. Er war jetzt ein erwachsener Wolf, der sehr wohl sein Fressen selbst besorgen konnte, aber er war auch so gut erzogen, dass selbst Friedrich ihn jetzt in der Knappenkammer akzeptierte, vielleicht auch, weil Wolf als einziger sich nicht über ihn lustig machte. Als Cuno eintrat, stürmte der Hund schwanzwedelnd auf ihn zu, und so wackelig, wie Cuno auf den Beinen war, hätte er ihn fast umgeworfen. Gemeinsam gingen sie in den Stall, wo Cuno wie jeden Abend Váží noch einmal sattelte und rund um die Burg eine kleine Runde drehte. Diesmal ritten sie allerdings in die Stadt hinein, wo Cuno im besten Wirtshaus der Stadt für einen kleinen Teil seines Silberfladens ein Fässchen Bier erstand, das er vor sich auf dem Sattel zur Halle transportierte. Vorsichtig stieg er mit seinen schmerzenden Knochen von Váží, der gar nicht mehr so klein zu sein schien, und trug das Bier in die Halle, wo er und das Fass mit großem Hallo begrüßt wurden.

Am nächsten Morgen taten ihm seine Knochen immer noch weh, aber zusätzlich der Kopf! Der Schwarze Boris erwartete ihn schon am Schachtturm, doch als Cuno sich auf den Weg nach unten machen wollte, hielt ihn Boris am Arm fest. „Du hast doch einen unvoreingenommenen Blick von außen“, sagte er. „Wenn Du jetzt mal überlegst, was Dir gestern passiert ist: Kann man schneller eine Silberader finden? Nein! Gibt es eine andere Möglichkeit, das Gestein herauszuschlagen? Ja, nämlich mit Holzkeilen, die wir in vorhandene Spalten schlagen und dann mit Wasser befeuchten, bis sie aufquellen und so den Stein brechen. Aber das geht nicht im Schacht, da ist die Gefahr, dass der Bruch riesig wird, zu groß. Gibt es eine Möglichkeit, das Gestein schneller aus dem Schacht zu befördern? Nein!“ „Doch“, unterbrach ihn Cuno, „das haben wir sogar in Steigertahl schon mal gemacht, als uns vor zwei Jahren viel Silber gestohlen worden war und wir viel mehr herausbrechen mussten als normal üblich: Wir haben damals aus einer alten Windmühle die Flügelwelle, die die Flügel trägt mitsamt dem Kammrad ausgebaut. Die Welle haben wir aufrecht in ein Holzgestell gesteckt und an die Flügel jeweils einen Ochsen geschirrt, die statt des Windes die Welle gedreht haben. Das Kammrad, also ein Holzrad mit ganz vielen Zapfen am Rand, haben wir mit einem zweiten Kammrad verbunden, das auf der Welle saß, an dem der Fördereimer festgemacht war. Wenn sich die Ochsen also im Kreis bewegten, drehten sie das Kammrad auf der Welle und dieses Kammrad drehte die Seilwicklung. War der Eimer oben, wurde er geleert, durch einen Hebel wurden die beiden Kammräder getrennt und der leere Eimer fiel wieder an seinem Seil in den Schacht; war er voll, wurde der Hebel wieder entfernt und der Eimer rauschte nach oben. Nur schade, dass das Holz schon sehr alt und mürbe war, so dass wir nicht allzu lange die Förderung so einfach hatten.“ „Habt ihr nicht versucht, diese Vorrichtung noch einmal zu bauen?“ „Nein, ich glaube, die Steiger und die Knechte wollten das nicht – und was machst du mit einem Bergwerk, wenn die Steiger nicht wollen?“ Boris setzte sich auf den Wall am Schacht, nahm einen Stein auf und versuchte, die von Cuno beschriebene Vorrichtung in den Staub zu zeichnen. „Lauf zurück zur Burg, nimm dein Pferd und reite zu Ješko, dem Zimmermann, der seine Werkstatt direkt an der Mündung der Jihlávka hat. Bring ihn so bald wie möglich her. Und er soll seinen Kopf mitbringen, wir brauchen ihn hier!“ Cuno rannte los, stürmte in den Stall, wo er von Wolf mit Schwanzgewedel und von Váží mit einem Stupsen der Schnauze an die Schulter begrüßt wurde. Er führte das Pferd in den Hof, legte ihm die Trense an und schwang sich ohne gesattelt zu haben auf dessen Rücken. In leichtem Galopp ging es, begleitet von dem weitausgreifenden Wolf zum Burgtor hinaus, den Pfad hinunter und in das Gedränge der Händler, Käufer und Gaffer am Fluss. Als er die Einmündung der Jihlávka gefunden hatte, schaute er sich suchend um und fand schließlich das schmale, vielstöckige Haus mit dem Dreieck und der Bügelsäge als Abzeichen über der Tür. Ješko saß an seiner Werkbank und glättete mit einem Zugeisen die Rundung eines Holzrades. Als Cuno halb durch das Tor trat, die Zügel in der Hand und Wolf an den rechten Fuß geschmiegt, fragte der Handwerksmeister unwirsch: „Was willst Du? Du nimmst mir das Licht!“ Wolf gefiel der drohende Tonfall gar nicht und lies ein kurzes Heulen hören. Der Alte sprang mit vor Angst geweiteten Augen auf, drückte den Rücken an die Wand und hob das Zieheisen als einziges, was er als Waffe in Reichweite hatte. „Hsch, Wolf“ zischte Cuno und das gehorsame Tier legte sich sofort auf den Bauch, wedelte ein wenig mit dem Schwanz und legte die Schnauze auf Cunos Schuh. Ješko entspannte sich langsam, starrte aber weiter auf Wolf: „Was ist das für ein Vieh?“ Cuno erklärte zum unzähligen Mal, wie er Wolf gefunden hatte und dass er eine ganz harmlose, gut gezogene Kreatur sein. „Das glaube ich erst, wenn er tot vor mir liegt!“ polterte der Zimmermann. „Er hört sich genauso an wie die verdammte Meute, die vor vielen Jahren meine ganze Familie drüben in Mähren angegriffen hat. Nur meine Mutter und ich haben überlebt, sie, weil sie auf den Dachboden geflüchtet war, und ich, weil ich zum Holzholen im Wald war und erst zurückkam, als es schon zu spät war. Einmal Wolf, immer Wolf.“ Cuno ließ es gut sein und gab seinen Auftrag weiter. „Ich bin einer der Knappen Boleslav Přemisl; der Schwarze Boris, sein Bergmeister, schickt mich, weil er sobald wie möglich einen Auftrag mit dir besprechen will. Er wartet am Schachtturm des ersten Schachts in Staré Hory auf dich.“ „Wenn Boris was von mir will, ist es immer was Besonderes“ sagte der Alte, nun schon weniger brummig. „Aber du verschwindest vorher mit dem Vieh aus meiner Sichtweite!“ „Nichts lieber als das!“ Cuno trat die wenigen Schritte zurück auf die Straße, Váží hatte sogar schon gelernt, rückwärts zu gehen, Wolf folgte gehorsam. Als eCuno sich auf den Rücken des Pferdes schwang, bemerkte er – was ihm vorher nicht aufgefallen war – wie die Leute ihn aus den Augenwinkeln beobachteten. Klar, er war auffällig: Ein großer, kräftiger Junge, fast schon ein Mann, mit langen dunkelblonden Locken und fast schwarzen Augen auf einem Pferd, dem man die Erziehung sofort anmerkte, den Wolfshund, der auf seine Anweisungen reagierte, neben ihm; doch der Bursche war schmutzig wie nur je ein Bergmannsein konnte. Er sah, wie die Mägde der umliegenden Werkstätten ihn mit Blicken verfolgten und kichernd miteinander tuschelten, aber er musste zurück. Er gab Váží die Absätze und stob davon. Am Burgtor glitt er vom Pferd und führte es in die Stallungen. „Heute braucht er nur noch geritten werden, wenn ihr Zeit habt“, rief er den Stallknechten zu, „ich habe ihn gerade ganz schön galoppieren lassen!“ Er nahm Váží die Trense ab, gab ihm einen Scheffel Hafer in die Futterkrippe, holte einen Eimer frisches Wasser und strich ihm über die Nüstern, bevor er hinauslief. Wolf sah, dass es nach Staré Hory hinüber ging, und aus den letzten Wochen wusste er, dass er dort keinen Platz hatte; deshalb drehte er ab und trottete zurück zu seinem vierbeinigen Freund im Stall.

Noch bevor Cuno am Schacht ankam, brach eines der typischen Sommergewitter los. Er hatte natürlich den Himmel keines Blickes gewürdigt und war deshalb völlig überrascht, als ihm etwas Kaltes im Nacken traf und hatte schon seine Knappenbrüder in Verdacht, aber als alles um ihn herum plötzlich weiß wurde, war auch ihm klar, dass es ein Graupelschauer war und kein Schabernack. Trotzdem lief er schneller zurück zum Schwarzen Boris, den er auf dem Schachtwall im Trockenen sitzend vorfand, vor sich einen Haufen Zweige, Schnüre, Holzscheiben, Stöckchen – Boris konnte es nicht erwarten, die Idee aus Steigerthal in „seinen“ Bergwerken auszuprobieren. Als Ješko dann endlich eintraf, triefte er vor Nässe, was seine Laune auch nicht gerade hob. Das änderte sich allerdings schlagartig, als ihm Boris sagte, was er von ihm wolle. „Und bei euch hat das funktioniert?“ fragte er Cuno. „Ja, aber da es eben eine alte Mühle war, hat es nicht lange gehalten.“ „Da muss eben ein Fachmann heran, dann kann man das schon dauerhaft machen – bin ich ganz sicher!“ „Also“, beendete Boris das Gespräch, „du weißt, wie es funktionieren soll, und du machst bis zum Montag ein Modell, mit dem wir dann Boleslav Přemisl überzeugen können, dass wir so die Bergwerksausbeute erhöhen können – es soll euer beider Schaden nicht sein. Althergebrachtes ist gut, aber in unruhigen Zeiten wie diesen, in denen Přemisl fast täglich von uns fordert, dass wir mehr Silber gewinnen müssen, kann man auch einmal etwas versuchen, das es bisher noch nicht gab!“ „Wir hatten die Rolle, die das Seil bewegte, ziemlich hoch gelegt, so dass die Ochsen unterhalb laufen konnten; dadurch war es möglich, das herausgebrochene Gestein mit Hilfe eines ganz normalen Ladebaums, wie er auf jedem Schiff und in jedem Kaufmannshaus zu finden ist, auf Karren umzuladen. Aber das wackelte immer ziemlich heftig. Vielleicht könnte man hier die Ochsen auf dem Schachtwall laufen lassen, dann könnte darunter alles so bleiben wie es ist?“ „Probier‘ beides aus, Ješko!“ Damit war der Zimmermann entlassen und Cuno musste wieder in den Schacht in „seinen“ Gang, denn die anderen Steiger waren schon argwöhnisch geworden, ob ihnen „das Jüngelchen“ nicht den Verdienst verderben würde. Da jeder in einem anderen Stollen arbeitete, aber der eine Schachtturm das Gestein von allen heraufbrachte, wurde der Ertrag allen Gesteins als Grundlage genommen, von dem die Steiger ihren zehnten Teil erhielten, und ein Steiger, der den halben Tag nicht arbeitet, ist schlecht für Alle anderen..

Schon zwei Tage später wurde Cuno, als er abends müde und dreckig aus Staré Hory zurückkam, von den anderen Knappen mit der Aufforderung empfangen, sich zu waschen und dann unverzüglich in den Saal zu Boleslav zu kommen. Pjotr grinste schon höhnisch: „Na, hast wohl mal wieder gezeigt, dass du es nicht kannst, was?“ Aber die ärgerlichen Blicke der anderen Knappen, die keine Lust hatten, mal wieder wegen einer von Pjotr angezettelten Prügelei bestraft zu werden, brachten ihn zum Schweigen.

Als Cuno, noch vom Waschen tropfend, die Halle betrat, sah er Boleslav mit dem Schwarzen Boris, Ješko und dem Weißen Boris an einem Tisch sitzen. „Komm her, Cuno! Und du, Zimmermann, erklärst jetzt nochmal, was ihr vorhabt, Cuno muss ja auch eingeweiht werden.“ Ješko und die beiden Boris senkten ihre Köpfe, damit man das Grinsen nicht sehen konnte, denn es war ihnen klar geworden, dass Boleslav die zweite Erklärung für sich brauchte, weil er die Idee noch nicht verstanden hatte. Der Alte fing also nochmal an und stellte das Modell auf dem Tisch auf. „Diese Welle zieht die eine Wanne mit den Gesteinsbrocken nach obenund lässt die zweite, leere Wanne nach unten. Das Kammrad hier am Ende greift in das andere Kammrad auf dieser Welle, die senkrecht nach oben führt. Die zweite Welle endet in einem Flügelrad. An jedem der vier Flügel wird ein Ochse mit verbundenen Augen angeschirrt, der oben auf dem Schachtwall läuft…“ „Die verbundenen Augen sind notwendig, damit den Ochsen nicht schwindlig wird, wenn sie immer im Kreis laufen müssen“, warf der Weiße Boris ein. „Ja, ja, lass mich doch fertig erklären: Wenn eine volle Wanne oben angekommen ist, kann ein Helfer mit diesem Hebelstock hier die beiden Kammräder voneinander trennen. Oben kann die volle Wanne geleert und unten die leere gefüllt werden. Dann wird der Hebel wieder weggenommen und die weiterlaufenden Ochsen verrichten wieder ihre Arbeit.“ „Wenn das wirklich so geht, dann können wir noch mehr Hauer einstellen und brauchen dann noch einen neuen Schmelzofen und noch mehr Köhler, damit wir genügend Holzkohle haben und dann…“ Boleslav hörte auf zu sprechen, aber auf seinem offenen, breitem Gesicht war deutlich abzulesen, dass er in Gedanken schon das zusätzlich verdiente Geld nochmal gewinnbringend einsetzte! Doch dann schaute er Cuno plötzlich an: „Wenn das funktioniert – wieso arbeitet ihr in Steigerthal wieder mit Eimer und Handkurbel?“ „Die Steiger und die Knechte wollten nicht, dass wir wieder so etwas bauen, nachdem das alte Mühlengestell zerbrochen war. Sie hatten viel mehr Gestein herausbrechen müssen, damit die Ochsen was zu tun hatten, die Knechte mussten mehr schleppen, die Hauer mehr brechen – mein Vater wollte neue Steiger aus Böhmen holen, aber unsere Leute sind sehr stolz; sie wissen, dass man ohne Steiger und Knechte kein Bergwerk betreiben kann. Als sie deshalb drohten, wieder in ihren kleinen Stollen zu arbeiten, die ihre Vorfahren schon vor Jahrzehnten angelegt hatten, hat mein Vater aufgegeben. Normalerweise hat es mit der Kurbel und dem Eimer ja auch funktioniert.“ „Das werden wir hier anders machen – ein Přemisl findet immer Mittel und Weg. Findet ihr nicht“, wandte er sich an die vier Männer, „dass die Preise für alles seit einiger Zeit steigen? Selbst das Bier wird teurer! Wenn das alles so klappt, wie ihr das sagt, dann werden die Leute mehr Silber bekommen – ein Zehntel ist ein Zehntel, ein Zehntel von zwei Händen ist ein Finger, aber ein Zehntel von vier Händen sind zwei Finger!“ Mit dieser přemislschen Logik beendete er das Gespräch und rief eine Magd, dass sie ihnen Bier bringe. Ein guter Trinkspruch eröffnete einen langen Abend.

Silber

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