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Nordhausen, Thüringen, Sommer 1349

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Er hielt an, schaute hinter sich und lauschte. Kein Getrappel war zu hören, keine Bewegung zu sehen. So lautlos wie möglich führte er den Hengst durch das Tor. Mit dumpfem Schlag fiel der rechte Flügel des schweren Holztors des Klosters Himmelgarten bei Nordhausen hinter ihm zu, der eiserne Riegel glitt quietschend in seine Verankerung.

Cuno, Cuonradus von Steigerthal, war aus der Welt der alltäglichen Menschen verschwunden und in die Welt des Klosters eingetaucht.

Er dankte dem Bruder Portenarius und führte sein Ross nach rechts an den Gesindewohnungen und den Schweineställen vorbei zu den Stallungen. Um kein Aufsehen zu erregen, öffnete er selbst die in der Mitte geteilte Tür, suchte sich, im Dunkeln tastend, eine leere Box und nahm Berno, dem Enkel Vážís, das Geschirr ab, hängte es an den Haken an der Rückwand, legte die nasse, schwere Pferdedecke über die Trennwand zur nächsten Box und rieb Berno mit trockenem Stroh ab, bevor er ihm einen Eimer Wasser holte und einen Scheffel Hafer in die Futterkrippe schüttete. Dann hängte er die zwei Handrohre, das Pulverhorn und den ledernen Beutel mit den Bleikugeln ebenfalls an den Haken für das Zaumzeug,

Als er aus dem Stall trat und sorgfältig die Tür wieder verriegelte, brach das Unwetter, das er schon vor Stunden ertragen hatte, erneut los. Heftige Sturmböen peitschten die Birken an der Klostermauer, im Westen zuckten erste Blitze. Noch vor dem ersten Regenguss lief Cuonrad eilig an der Klosterkirche und dem Kreuzgang entlang zum Haus des Abtes.

Ono von Wettin war von Walafried, dem Bruder Pförtner, der den späten Gast eingelassen hatte, schon in Kenntnis des längst befürchteten Ereignisses gesetzt worden und erwartete Cuonrad mit zwei reich verzierten Kelchen dunklen, roten Weines.

„Setz dich“. Cuonrad betrat den spartanisch aber erlesen möblierten Wohnraum des Abtes, der trotz seines Amtes kaum älter war als der Ritter. Gewebte Teppiche mit Darstellungen aus dem Leben und Wirken Christi bedeckten die beiden Querwände, direkt gegenüber der Tür befand sich das große Fenster mit der oben zulaufenden Spitze, wie es in den letzten Jahrzehnten Mode geworden war; völlig ungewöhnlich war der Luxus der mit Blei gefassten bunten Scheiben, die den ganzen Rahmen ausfüllten und so das Unwetter draußen hielten. Bei jedem Blitz konnte Cuonrad andere Szenen im Glasfenster erkennen. Unter dem Fenster stand die schwere, aus Eichenholz geschnitzte Truhe, in der die Dokumente des Klosters aufbewahrt wurden, auch die, die Cuno über sich und die Seinen ihm zur Verwahrung übergeben hatte. Zwei Fackeln in ihren Wandhalterungen rechts und links des Fensters gaben ein schwaches, aber im Vergleich mit den Blitzen stetiges Licht. Der Abt, ein großer, kräftig gebauter Mann, kaum älter als Cuonrad, der nach den langen Jahren des Streitens und Ausgleichens eher wie ein Ritter als wie ein Kirchenmann erschien, saß, mit der schwarzen, weit fallenden Kutte seines Ordens bekleidet, den Kopf von der Kapuze fast verdeckt, in einem reich verzierten Armstuhl aus hellem Holz, neben sich ein Tischchen mit Intarsien, auf dem die beiden Kelche standen; zwischen ihnen lag die – wie Cuonrad wusste – reich illustrierte Bibel, in die sich Ono in seinen wenigen Mußestunden zu vertiefen pflegte. Er wies auf den Stuhl an der anderen Seite des Tischchens. „Mach die Tür zu, das Wetter ist gar zu unchristlich – und außerdem muss niemand zuhören.“

Der Ritter legte seinen schweren Mantel ab, der bisher den wappengeschmückte Brustharnisch verborgen hatte und ließ sich in den Stuhl sinken. Unter den prüfenden Blicken das Abtes lächelte er kurz und sagte: „Nein, nein, Ihr müsst nicht schauen, ich habe keine Pestbeulen, bin unverletzt und vom letzten Gewitter schon fast wieder trocken, aber müde. Auch des Lebens!“

Der Abt reichte ihm den ziselierten Pokal: „Trink erst einmal und dann erzähle!“


Silber

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