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Während sich Mitch zu Hause in Erwins Kladden vertieft, hat Benno Stiller seinen Arbeitstag am Telefon beendet. Er ist in seinen Panamera gestiegen und steuert jetzt die Frankfurter Innenstadt an. Benno hat noch nie ein Parkhaus angefahren, er parkt in der Fußgängerzone in der unmittelbaren Nähe des Eschenheimer Turms. Die Ansage ist klar. Gebt mir doch einen Knollen, ihr Penner, den zahl ich aus der Hosentasche. Benno freut sich auf Bill Costello, ein Treffen mit Bill hat immer was von einer guten Pokerparty. Ein Spiel, bei dem es keine Regeln gibt und man nie weiß, was genau der Einsatz ist. Man deutet an, was man so alles weiß. Ist der andere interessiert, wird ein Preis verhandelt. Mit Costello, einem Italoamerikaner, der seit Jahren in Deutschland lebt, kann man über Import-Export-Geschäfte aller Art reden. Bill kann Waffen besorgen, wenn es sein muss, auch einen Container voll. Natürlich nicht nach Frankfurt, aber in so ziemlich jedes Spannungsgebiet der Welt. Costello kokettiert mit seiner angeblichen Nähe zur CIA und erntet dafür großen Respekt.

Benno Stiller betritt die schmucklose Lobby des Fleming’s Hotel und steuert sofort den Aufzug an. Die Bar im siebten Stock ist weder schick noch hat sie besondere Drinks, dafür aber bietet sie einen spektakulären Blick über die Frankfurter City.

Benno ist kein Stammgast, aber sein energisches Auftreten verhilft ihm schnell zu einem der im Sommer begehrten Hochtische auf der Außenterrasse. Die sieben Stockwerke des Hotelgebäudes sind die ideale Höhe, um die gegenüberliegenden Bankentürme als beeindruckend hoch zu empfinden.

»Hi Benno, schöner Platz hier, erinnert mich ein wenig an das gute alte New York. En miniature, versteht sich.« Der Mann klatscht Benno mit seiner Pranke auf die Schulter und zwängt sich auf den freien Hocker. Bill Costello hat zugenommen, seit Benno ihn das letzte Mal gesehen hat, aber er hat immer noch eine gut trainierte Mittel­gewichtsfigur. Er trägt einen unauffälligen Businessanzug mit offenem weißem Hemd, seine mittellangen schwarzen Haare sind streng zurückgekämmt.

»Benno, was gibt es so Dringendes, was kann ich für dich tun?«

Die Bedienung tritt an den Tisch, Benno bestellt einen Gin Tonic, Costello ordert einen Jack Daniels Mint Julep. »Na los, Benno, spuck schon aus, du hast mich doch nicht aus reiner Sehnsucht eingeladen, oder?«

Benno eiert ein wenig herum, rückt dann mit der Sprache raus. »Ich suche einen hier nicht bekannten Profi für einen delikaten Job. Wichtig ist mir, dass der Mann keine Verbindung zu Frankfurt hat. Verstehst du: am besten anreisen, erledigen, abreisen. Ich habe an dich gedacht, da du ja Kontakte zu ehemaligen Special-Forces-Leuten hast, die sich gerne eine ordentliche Stange Geld verdienen.«

»Hat der Job auch nur entfernt etwas mit Politik zu tun?«

»Bill, was soll das? Sehe ich so aus, als würde ich mich für Politik interessieren?« Costello lacht dröhnend. »Nein, Benno, echt nicht.«

»Na, dann ist ja alles gut. Hier geht es wie immer im Leben ums Geld. Ein wenig Abrechnung, ein wenig Investition in eine lukrative Zukunft. Ich muss Figuren auf meinem Spielfeld austauschen. Kannst du mir dabei helfen?«

Bill schüttelt bedächtig den Kopf. »Nicht hier und jetzt. Da muss ich ein wenig telefonieren. Das kann zwei, drei Tage dauern, und bei der Art von Job wird auf jeden Fall eine ordentliche Provision fällig.«

Das Lachen ist aus Costellos Gesicht verschwunden, er mustert Benno halb spöttisch, halb drohend.

Benno Stiller hält dem Blick stand, wechselt dann das Thema.

Jetzt reden die beiden über die Geschäfte im Allgemeinen und über das Bahnhofsviertel im Besonderen. Bill Costello erklärt, dass Rotlicht im klassischen Stil keine Zukunft mehr habe. «Das wird sich alles über Computer abspielen. Click a fuck oder so. Wenn ich noch nennenswerte Karten im Viertel hätte, ich würde verkaufen. Zurzeit machst du mit Immobilien mehr Geld als mit Nutten.«

Benno grinst wissend, winkt der Kellnerin, bestellt dieselben Drinks noch einmal. In Gedanken ist er bei dem Telefonat mit Drago. Er ist froh, dass er nicht auf Costello angewiesen ist, sondern noch ein Eisen im Feuer hat.

»Hör zu, Benno, ich werde mich bemühen, du kriegst Bescheid, as soon as possible. Einer meiner amerikanischen Kumpel wollte neulich wissen, ob Frankfurt tatsächlich so ein Multikulti-Paradies ist, wie es immer heißt. Hast du mal was läuten gehört, ob es hier Leute gibt, die was gegen die immer mehr werdenden Muslime haben?«

»Bill, falls du für die CIA rauskriegen sollst, ob hier ein paar Nazis Amok laufen wollen, dann bin ich dafür der Falsche. Aber pass auf, Gefallen für Gefallen, ich hab tatsächlich mitgekriegt, dass es Drohungen gegen die Hinterhofmoschee beim Kölner Hof gab, da wurde mit einem Brandanschlag gedroht. Ich kenne die Besitzer, die waren recht beunruhigt. Sollte die Moschee brennen, wäre die ganze Immobilie in Gefahr.«

Kurz darauf entschuldigt sich Bill, er habe noch einen Termin, und fügt hinzu, dass er sich bald melden würde.

Die beiden klatschen sich ab, Benno ist zufrieden, Costello wird rum­erzählen, dass es politisch motivierte Drohungen gegen die Moschee gab. Gut so.

Noch im Aufzug tippt Bill Costello auf eine gespeicherte Nummer in seinem Handy. »Yeah, Bill hier. Ihr hattet doch gesagt, dass jemand aus der Zentrale unbedingt wissen will, ob in Frankfurt demnächst etwas gegen Muslime laufen könnte. Verstehe zwar nicht, warum die Company jetzt plötzlich Muslime beschützen will, aber egal. Es kann sein, dass ich da was habe. Interessiert euch noch? Alles klar, ich komme morgen so gegen drei vorbei, okay?«

Zwei Tage später hat sich die Stimmung in Frankfurt verändert. Ein psychisch gestörter Eriträer hat auf dem Frankfurter Hauptbahnhof eine Frau und ihren achtjährigen Sohn vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Die Frau kann sich retten, muss aber zusehen, wie ihr Sohn von dem Zug erfasst und getötet wird. Zeugen am Gleis brechen zusammen, Menschen liegen sich weinend in den Armen.

Sinnlose, willkürliche, unmenschliche Gewalt macht Angst. Und schnell beginnt das Geschäft mit der Angst. In den sozialen Netzwerken wird sofort die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für den Tod des Jungen verantwortlich gemacht.

Mitch und Enis sitzen in einem Café in der Münchener Straße und reden sich die Köpfe heiß.

»Weißt du, was jetzt passiert, Enis? Die Angst geht um. Erst war da dieser durchgeknallte Rentner in Wächtersbach, der einen Afrikaner mal eben in der Mittagspause wegputzt. Der hat es geschafft, dass sich alle Schwarzen auf der Straße ängstlicher bewegen. Und jetzt hat dieser Killer vom Bahnhof erreicht, dass niemand, wenn ein Zug oder eine U-Bahn einfahren, neben einem Schwarzen stehen will.«

»Ja, schlimm, wie schnell alles kippen kann. Der Typ vom Bahnhof ist übrigens erstens eriträisch-orthodoxer Christ und zweitens psychisch krank. Für jeden zweiten deutschen Stammtisch aber ist er längst ein muslimischer Kämpfer. Die Gesellschaft hat keine gemeinsame Reaktion mehr, die Lager sind bereit, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Rechte und Islamisten können feiern.«

Dann berichtet Enis von Ibrahim, dem Salafistenstar, mit dem er bald in Kontakt kommen will, auch wenn das nicht unmittelbar mit ihrem heutigen Thema zu tun hat.

Mitch kratzt sich am Kopf. »Weißt du, Enis, ich sehe das so: Das Viertel hier ist die Folie für unseren Artikel, aber wenn wir einen wirklich guten Text hinkriegen wollen, dann gehören so Leute wie dieser Ibrahim, aber auch all die Gespräche, die wir zurzeit haben, mit rein. Für mich ist das Bahnhofsviertel etwas sehr Spezielles, aber trotz aller Besonderheiten ist es auch eine Art Fieberthermometer für das ganze verdammte Land.«

Mitch erzählt dann Enis noch von seinem Treffen mit Erwin. »Ich habe da ein ganz blödes Gefühl. Einerseits bin ich total gerührt, dass so ein Typ mir seine Tagebücher gibt, ist natürlich toller Stoff für uns. Auf der anderen Seite ist der Mann hochgefährlich. Der ist so voller Wut und Hass, eine üble Mischung. Ich habe gestern ein paar Stunden gelesen, zum Teil weinerlicher Mist, aber auch intensive tieftraurige Passagen. Alles in allem eine unterdrückte Wut, die nur einen kleinen Anlass braucht, um zu explodieren. Dann hat er auch noch Robert de Niro als Taxi Driver an der Wand hängen, der im Film ein Mädel aus dem Puff befreit und dafür ein irres Blutbad veranstaltet. Eigentlich müsste man vor Erwin warnen.«

»Mitch, rede keinen Scheiß, du bist Journalist, für dich gilt nur eins: schreiben, was ist. Stammt immerhin von Rudolf Augstein. Du schreibst über das, was ist, aber du bist kein Frühwarnsystem für potentielle Attentäter. Außerdem, was willst du machen? Zu den Bullen gehen und sagen, da ist ein verbitterter, wütender alter Mann? Die lachen dich aus, die kennen doch Hunderte von der Sorte.«

»Nun ja, ich könnte diese tolle Kommissarin anrufen, diese Canan Aydin. Wäre doch ein super Vorwand«, lacht Mitch, wird aber schnell wieder ernst. »Geh der Salafistengeschichte nach, lern diesen Ibrahim kennen! Verdammt, wir beide entscheiden, was zu unserer Story gehört, und sonst niemand.«

Als Dr. Carl Steinhoff die Tür zur Wohnung seines Vaters öffnet, läuft er gegen eine Wand aus kaltem Rauch, es riecht nach verschüttetem Cognac und nach altem Mann. Er reißt ein Fenster auf, tritt zu dem auf seinem Diwan ruhenden Vater, sieht in das faltenreiche Gesicht und wundert sich, warum ihm dieser Mann immer noch Angst einjagen kann.

»Hätte längst mal genauer hinschauen müssen, den Mann, dem ich mich immer unterlegen gefühlt habe, gibt es längst nicht mehr«, murmelt Carl Steinhoff vor sich hin.

»Was willst du?«, knurrt der Alte. »Bist ja nicht gekommen, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen, oder?«

»Vater, wir müssen reden. Dieser Schuppen hier, dein geliebter Kölner Hof, schreibt seit Jahren rote Zahlen, wir können es uns nicht leisten, Monat für Monat Geld zuzuschießen. Das Gebäude gehört verkauft, die Preis sind so hoch wie nie. Von dem Geld kannst du dir eine Villa leisten, wo immer du willst. Du kannst dir vier Thaimädels als Pflegerinnen holen und damit die beste medizinische Versorgung der Welt. Aber wir können nicht mehr warten, der Zug fährt sonst ohne uns ab. Gib endlich deine Einwilligung.«

Der Alte hustet trocken, steckt sich trotzdem eine Zigarette an. »Ich weiß, was du willst. Erzähl mir nichts von Pflegerinnen und Medizin für mich, du willst dir einen Batzen Geld krallen und dich dann an die Côte d’Azur absetzen. Nein, mein Kleiner. Du bist ein heimatloser Geselle, ich aber habe hier mein Leben verbracht, und ich werde hier sterben. Dieses Haus hat mein Großvater gebaut, mein Vater hat es mir vererbt, und ich werde es an dich vererben und nicht irgendwelchen jüdischen Bankern verkaufen. Wenn du was gegen die Verluste tun willst, dann investiere – und bringe das Hotel auf Vordermann!«

Carl Steinhoff schlägt sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Okay, Vater, dann lass uns wenigstens eine kleine Lösung angehen. Die Moschee im Hinterhof muss weg. Ich will keine Muslime, die hier ständig rumhocken und wer weiß was ausbaldowern.«

Der Alte steht mühsam auf, tapert zu seinem Schreibtisch, zerrt heftig an einer klemmenden Schublade, zieht dann eine Klarsichthülle hervor, in der ein Vertrag steckt. »Der Mietvertrag läuft noch gute drei Jahre. Ich sehe keinen Grund, vorher zu kündigen, das sind ordentliche Leute, die haben immer pünktlich bezahlt. Ich mag die Kopftuchfrauen auch nicht, Erwin tobt regelmäßig, wenn er welche sieht. Aber der Gemeindechef, mit dem ich den Vertrag gemacht habe, besucht mich regelmäßig und zeigt mir seinen Respekt. Die Muslime ehren das Alter, da kannst du dir eine Scheibe von abschneiden. Die bleiben noch drei Jahre. Wenn ich tot bin, kannst du gerne kündigen.«

Der Alte lässt sich erschöpft in seine Kissen sinken, hustend steckt er sich die nächste Zigarette an.

Carl Steinhoff fixiert seinen Vater. »Ist das dein letztes Wort, alter Mann?«

»Ja, mein Sohn, ich bin zu alt für Witze.«

Carl Steinhoff steht abrupt auf, dreht sich um und verlässt grußlos die Wohnung. Schon draußen in dem großen Treppenhaus fischt er sein Handy aus der Tasche. »Benno, leg los. Sofort.«

»Ganz ruhig, bin längst dabei. Denk an den Vertrag.«

Enis hat in alten Fotos und Notizbüchern gekramt und nach längerem Suchen die Adresse von Ayse, der Frau seines vor Kurzem an Krebs gestorbenen Bekannten, gefunden. Er hat angerufen, ein nicht ganz leichtes Gespräch hinter sich gebracht, am Ende aber die Handynummer ihres Sohnes Ahmed bekommen. Er hat Ayses dringende Bitte im Ohr, mal ein längeres Gespräch mit dem Jungen zu suchen. Sie ist besorgt über Ahmeds zunehmende Religiosität. Seit dem Tod des Vaters kapsele er sich ab, verbringe Stunden vor dem Computer, vernachlässige seine Freunde und die Schule, halte zu Hause zunehmend radikaler werdende Reden gegen das gottlose Leben seiner Mutter. Enis hat versprochen, sein Bestes zu tun, obwohl für ihn Ahmed nur ein Türöffner ist und er nicht wirklich vorhat, den Ersatzvater zu spielen. Er weiß, der Junge hat eine schlimme Zeit hinter sich, die Krebsdiagnose des Vaters war wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen. Den Vater ein halbes Jahr leiden zu sehen, war für den damals Sechzehnjährigen sehr hart gewesen.

Enis hat kurz danach den Jungen angerufen und Ahmed in ein Gespräch über den verstorbenen Vater verwickelt – worauf sie sich in einer Shishabar in Höchst verabredet haben.

Enis bringt zu dem Treffen mit dem blassen Jungen, der gerade versucht, sich einen Bart stehen zu lassen, einige Bilder mit, auf denen Enis und Ahmeds Vater zu sehen sind. Die Bilder sind ein wunderbarer Eisbrecher. Enis spürt, wie sehr dem jetzt Siebzehnjährigen der Vater fehlt.

Dann kommt er zur Sache, erzählt, dass er bei der öffentlichen Predigt neulich Ahmed im engeren Kreis um Ibrahim gesehen habe. Als die Rede auf Ibrahim kommt, wird Ahmed lebendig. Er schwärmt von Ibrahim, der noch so jung sei, aber doch schon so klug, ja weise. Ahmeds Augen funkeln, alle Schüchternheit fällt von ihm ab, er redet sich in Rage.

»Er verlangt viel von uns, er lehrt uns, dass es Richtig und Falsch gibt und nichts dazwischen. Viele haben Angst vor ihm, meine Mutter hält ihn für einen Radikalen, aber ich habe mich entschlossen, ihm zu folgen, er ist ein Gesegneter. Sei doch ehrlich, was soll der ganze Stress hier mit Schule oder Lehre, ist doch alles für die Katz. Die richtig guten Jobs sind eh für Deutsche reserviert. Ich habe keinen Bock mehr auf diese Spiele. Ich will lernen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich will mich reinigen, will den Weg Gottes gehen. Vielleicht folge ich Ibrahim eines Tages in seine Heimat, wenn wir, so Allah will, dort einen gottgefälligen Staat aufbauen.«

Enis denkt an Ahmeds Mutter, lässt sich seine Gefühle aber nicht anmerken. Er gibt sich beeindruckt, sagt, er würde Ibrahim gerne kennenlernen, ein Interview mit ihm führen. Ahmed reagiert zurückhaltend und enttäuscht, dass Enis sich nur aus journalistischen Gründen für den Prediger interessiert. Er glaubt nicht, dass Ibrahim mit der Presse redet. Aber er verspricht, sich für Enis einzusetzen, einen Kontakt herzustellen.

Benno Stiller sitzt in seinem Büro und spielt nervös mit seinem Handy. Das Gespräch mit Costello ist nicht wie erhofft verlaufen. Insgeheim hat er mit einer anderen Reaktion gerechnet. Costello hat entweder kein Interesse, ihm einen ausgemusterten amerikanischen Kämpfer zu besorgen, oder er hat momentan einfach keinen an der Hand. Den Hinweis mit den Drohungen gegen die Moschee, da ist sich Bruno sicher, wird er an die Amerikaner durchreichen, und die werden pflichtschuldig die Deutschen informieren. Wenn es so weit ist, wird also ein Aktenvermerk auftauchen, dass Geheimdienstkreise schon lange vor einem Anschlag gewarnt haben.

Gut so.

Geheimdienste klingen nach Politik, nicht nach Immobiliengeschäften.

Bennos Büro ist in einer großen Wohnung in der Kaiserstraße, im dritten Stock. Gedankenverloren tritt er ans Fenster, beobachtet das Gewusel auf der Straße unten.

Im Hinterkopf tickt bei ihm immer noch die Sorge über die Ermittlungen der Frankfurter Polizei wegen des Toten in seiner vermieteten Wohnung. Er kann jetzt wirklich keine Polizeiaufmerksamkeit gebrauchen. Natürlich wusste er, dass er die Wohnung an Dealer vermietet hatte, aber hier im Viertel zahlt niemand so viel für eine Wohnung wie Dealer, die ihre Ruhe haben wollen. Warum zu Teufel sich dann einer eine Kugel gefangen hat, war im unklar. Aber egal. Benno will jetzt in Ruhe den Steinhoff-Job durchziehen und dann mit ein paar Millionen auf dem Konto in den Süden verschwinden.

Sein Handy schrillt, er schüttelt sich, nimmt das Gespräch an. »Mensch, Drago, super, dass du so schnell zurückrufst, mit dir habe ich noch gar nicht gerechnet.«

Benno hört konzentriert zu, die Verbindung ist nicht die beste. »Echt, da war er dabei. Krass. Nein, nein, stört mich überhaupt nicht, im Gegenteil, dann hat er keine Probleme mit dem Objekt.« Benno lacht ein wenig angestrengt. »Was sagst du? Der Mann ist schon in Frankfurt? Drago, du bist ein Zauberer. Ich schulde dir was, ich schulde dir einen fetten Gefallen. Und deine zehn Prozent Provision, ist doch klar. Wie kann ich ihn treffen? Hast du eine Nummer?«

Benno kramt nach einem Blatt und notiert. »Ja, den Laden kenn ich. Hat einen großen Garten. Rödelheim, ja klar. Was, jetzt gleich? Okay, sag ihm, ich bin in einer halben Stunde bei ihm. Wie erkenne ich den Mann? Okay, er heißt Branko und hat eine Tätowierung auf der Hand, ein Kreuz, in jedem der seitlich offenen Rechtecke ein umgedrehtes C. Das Serbenkreuz. Alles klar. Drago, besten Dank, Bruder. Das werde ich dir nicht vergessen.«

Benno schaut auf seine Uhr. Er wird sich beeilen müssen. Der Typ ist nicht dumm, er zwingt Benno zur Eile und stellt so sicher, dass Benno nicht mit Überraschungen um die Ecke kommt. Benno stürzt zu seinem Wagen, zerreißt den Knollen unter dem Scheibenwischer und braust los. Er muss eine Jugo-Gartenkneipe in Rödelheim finden.

Rödelheim liegt am Stadtrand, gut gewählt, der Mann darf auf keinen Fall im Bahnhofsviertel gesehen werden. Dragos Ansage klang vielversprechend. Ein Veteran aus den jugoslawischen Kriegen. War mit seinem Kommandanten Arkan erst in Bosnien, dann im Kosovo auf Moslemjagd. Während der Fahrt ruft Benno einen kroatischen Freund an, um sich nach diesem Arkan zu erkundigen.

Mit seiner Frage löst er einen Wutanfall aus, mit dem er nicht gerechnet hat. »Benno, du Arsch, was fragst du mich nach Arkan? Ich bin Kroate, hast du das vergessen? Arkan war in Belgrad ein elender Verbrecher und wurde dann zum Schlächter für Milosevic. Er hatte eine Einheit, bewaffnet bis an die Zähne, allesamt Verbrecher und Hooligans. Die haben Muslime und Kroaten gekillt wie die Fliegen. Ganze Landstriche ethnisch gesäubert, alles vertrieben, was nicht serbisch war. Arkan ist ein gottloser Mörder, der seine gerechte Strafe erhalten hat. Ich wünsche allen seinen noch lebenden Kettenhunden einen elenden Tod. Frag mich nie wieder nach dem Mann und mach keine Geschäfte mit Leuten aus seinem Umfeld, das wird selbst dir nicht gut bekommen.«

Benno legt auf, erstaunt über die Heftigkeit der Reaktion. Jetzt ist er noch gespannter auf den Mann, den er gleich treffen wird.

Der Kies knirscht unter den breiten Reifen des schweren Porsche. Benno steuert den Wagen auf den Parkplatz der Kneipe. Er zögert einen Moment, dann greift er in das Handschuhfach, holt einen kleinen Revolver hervor, den er hinten in seinen Gürtel steckt.

Benno blickt auf seine Uhr, 14:45 Uhr, um diese Zeit sind vermutlich fast alle Mittagsgäste verschwunden. Vom Parkplatz aus gelangt man durch eine Pforte direkt in den Biergarten.

An einem größeren Tisch sitzen zwei ältere Ehepaare und blicken wortlos in ihre halbleeren Bierkrüge. Drei Tische weiter vertilgen zwei Studenten eine riesige Portion Cevapcici. Ansonsten ist der Garten leer, bis auf einen braun gebrannten Mann, etwa 1,80 groß, der ein dunkles T-Shirt und dunkle Jeans trägt. Er sitzt mit dem Rücken zur Hecke, kann von seinem Platz aus sowohl den Eingang zum Innenbereich des Lokals als auch die Eingangstür zum Parkplatz gut einsehen. Ohne eine Sekunde zu zögern, steuert Benno auf den Fremden zu. Die rechte Hand des Mannes liegt auf dem Tisch, Benno erkennt das Tattoo, ein Kreuz und viermal der Buchstabe C, nach außen geöffnet. Das Serbenkreuz.

»Hallo, Branko, ich glaube, wir sind verabredet.«

»Hallo, Benno, magst du ein Bier?« Sein Deutsch ist gewöhnungsbedürftig, aber Benno versteht ihn, nickt und setzt sich.

Branko winkt dem Kellner, der sich unterwürfig nähert.

Das Bier wird fast umgehend serviert, der Kellner mit einer herrischen Bewegung weggeschickt.

»Branko, ich bin froh, dass du so schnell kommen konntest. Kannst du hier wohnen? Du wirst eine Weile in Frankfurt bleiben müssen.«

»Kein Problem, ich wohne hier. Ich habe verstanden, Arbeit ist im Bahnhofsviertel, also wohne ich hier.«

Benno nickt zufrieden, kippt sein Bier. »Willkommen in Frankfurt. Wir haben einiges zu besprechen.«

Lass Gott aus dem Spiel

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