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Dollar Days

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Das jährlich stattfindende deutsch-amerikanische Freundschaftsfest und auch der Armed Forces Day interessierten die Männer von der wilden 13 nicht sonderlich. Kein Vergleich mit den Vorführungen von Luftwaffe und Heer in den dreißiger Jahren, wurde behauptet. Allgemein war der A. F. Day, auf dem Gelände der amerikanischen Militärbasis, bei der Bevölkerung sehr beliebt. Dieser Tag war eine Mischung aus Volksfest, Kunstflug Vorführungen, Militärparaden und viel herzeigen von teurem Kriegsspielzeug. Am Ende flogen laute Düsenjäger tief über das Festgelände auf die nahe Nordsee hinaus. Einmal stürzte dabei, unweit der Zuschauertribünen, ein Starfighter Jet ab. Ich glaube im Jahre 1964. Tragisch war, dass der Pilot sich mit dem Schleudersitz retten konnte, aber dann, wohl Mangels Bewusstsein, in einem Entwässerungsgraben zwischen Feldern und Wiesen, ertrank.

Für Vater war der A.F. Day eine lausige Show bedingt tauglicher Soldaten und Waffen der Supermacht USA. Mit den Starfighter Düsenjägern musste man ihm wirklich Recht geben. Die Dinger klatschten seit Jahren, wie Fliegen an einer Windschutzscheibe, zur Erde nieder. Ich denke, in jenen Jahren sind ca. 100 Metallfliegen tödlich aufgeklatscht. >Schrauben zu viele Analphabeten dran herum und außerdem sind die guten Waffen unserer Besatzer von entführten Wissenschaftlern Großdeutschlands erdacht worden<, so mein allwissender Führungsoffizier.

Auf das deutsch-amerikanische Volksfest ging ich sehr gerne. Sogar der amerikanische Soldatensender AFN sendete live vom Volksfest. Insgesamt 2 Wochen amerikanische Lebensart, auf dem großen Baseball-Field, mitten in einer deutschen Stadt. Es gab laute Paraden von Militäreinheiten, Fallschirmspringer, Western Square Dance und Cheerleader Vorführungen, Baseball und Football Einlagen, welches man sich alles bequem von Holztribünen aus ansehen konnte. Dann gab es noch Spiel- und Spaßbuden und den sehr beliebten Red Dog Saloon, für die abendliche Rockmusik, mit Bier im Plastikbecher. Außerdem existierten bunte Holzbuden, in den es phantastische Hamburger, Hot Dogs und dieses legendäre Armee Eis Neapolitan gab.

Gentos Lieblingsbude war der Dunk Ball Stand. Hier wurde mit einem Baseball auf eine Zielscheibe geworfen und bei einem Treffer stürzte ein wenig bekleidetes Cheerleader - Girl in ein Wasserbecken. Weil es sich um schöne Mädchen handelte war dieser feuchte Ablauf nicht unerotisch.

Technische Belustigungen, a la Auto Scooter und Riesenrad, wie auf einem deutschen Jahrmarkt, gab es nicht. Vielleicht lässt sich die vorhandene Szene mit den Worten meines Vaters treffend beschreiben: >Der Führer hätte sagen können, die Kultur in diesem Reichsgebiet ist anglo- amerikanisch zersetzt! < Und so war es auch wirklich.

Der American Way of Life war mit den Autos auf den Straßen, mit Radio AFN und in den Gestalten der weißen, braunen und schwarzen Soldaten erlebbar geworden. Ob als Uniformträger oder als Zivilist. Sogar der Himmel über dem Stützpunkt schien offener und eine Prise Rock´ n Roll lag ständig in der Luft. Für uns junge Leute war etwas mit Strahlkraft anwesend, keine Frage.

Außergewöhnlich viele US-Soldaten betraten gegenwärtig westdeutschen Boden, dem Vietnam Krieg geschuldet. A Souvenir from the Nazis, zum Vorzeigen in der neuen Welt, war in der alten Welt durchaus gefragt. Die amerikanischen Anti-Kommunistenfreunde meines Vaters verlangten nach allem was zu kriegen war. So unmöglich echt es in Wirklichkeit auch sein mochte. Und es kam tatsächlich die Zeit, in der Vaters Beschaffungsmaßnamen alter NS-Utensilien der Nachfrage nicht mehr gerecht werden konnte. Gerade jetzt, wo Nachfrage und Preise stimmen und selbst unverschämte Preiserhöhungen keinen Rückgang der Nachfrage bewirken konnte. >Früher hatten wir eine prima Armee, jetzt haben wir einen prima Räumungsverkauf<, so Vater.

An manchen Abenden tagte ein Stab in der Dienststelle Domäne nur zu einem Tagesordnungspunkt. Man erinnerte sich an Mögliche und unmögliche Quellen noch zu beschaffenden Materials, denn Vater und andere Kameraden brauchten dringend diese Gelder aus Nebeneinkünften. Sei es für ein zweites Leben (neben dem normalen), teuren Hobbys, Urlaubsreisen, neue Autos, oder, oder, oder. Im Falle meines Vaters waren es die monatlichen Alimente Zahlungen, die sonst gedrückt hätten. In dieser Zeit brachte mir mein Führungsoffizier auch folgende Weisheit bei: >Junge, Geld lügt nicht, Geld stinkt nicht, Geld fragt nichts,- merk dir das gut! <

Hilfreich für die örtlichen Beschaffungsmaßnahmen waren die Kenntnisse des ehemaligen Parteifunktionärs und heutigen Fahrschulinhabers, Burkhard "Bubi" Unterländer. Wegen seines Mundwerks und seiner Größe, "der kleine Goebbels" genannt. Mit ihm im Schlepptau konnte Vater das Gedächtnis ehemaliger Heimatfront- Würdenträger entscheidend auffrischen. Das führte oftmals zu erstaunlichen Funden aus großer Zeit.

Fahrschullehrer Unterländer war im Ort so bekannt, wie wenige sonst. So wie Bürgermeister Hans, Hauptwachtmeister Schafrath, aber auch der Oberst und Pahlke als Prediger ihrer Zünfte. Auch, wenn Bubi, als ehemaliger Ortsgruppenleiter, nie an eine wirklich brutale Front kam und somit in der Achtung meines Vaters nicht die höchste Stufe erreichen konnte, passte trotzdem zwischen den beiden kein Blatt. Wenn Bubi, bei seinen Touren als Fahrlehrer, auf meinen Vater am Gartenzaun traf, begannen die intensivsten Dialoge. Für die im Auto verbliebenen Fahrschüler hieß es dann einfach warten, um zwei alternden Mitgliedern einer verbotenen Partei zuzuhören. Besonders unangenehm, wenn es Sommer war und der Fahrschulwagen ein VW Käfer. Am Gartenzaum wurde dann der Verfall deutscher Normen und Werte beklagt und dafür Verantwortliche gefunden. Natürlich die Jalta Verräter und ihre Handlanger.

Einmal sah ich die Fahrschüler rote Locke und rote Front Fredi, gezwungenermaßen den Referenten lauschen. Was müssen die beiden gelitten haben, bei dem was sie zu hören bekamen! Allerdings habe ich nie gehört, dass jemand mit Bubi dieses grenzwertige Sozialverhalten diskutiert hätte. Auch war mir schleierhaft wie Bubi mit seiner Terminplanung zurechtkam. Er blieb ja nicht nur bei meinem Vater rhetorisch hängen. Aber er hatte nun mal das Monopol als einzige Fahrschule im Dorf. Ich selbst habe dann auch durch Bubi meinen Führerschein erworben. Die Haare schulterlang, saß ich Stunde um Stunde neben Bubi und lauschte seinen Monologen. Egal, ich brauchte unbedingt diesen Lappen, selbst wenn Goebbels persönlich mein Fahrlehrer gewesen wäre. War für uns beide nicht einfach, meine ich.

Es kamen mir unbekannte Männer auf die Dienststelle und es begann eine Zeit erhöhter Aktivitäten auf dem Gutshof. Man brachte vergilbe Ordner, welche entstaubt und nutzbar gemacht waren. Sie falteten alte und neue Karten aus, verglichen, machten Kreuze, notierten Ereignisse und Namen. Sogar unser Bürgermeister, der ewige Wahlkämpfer, hatte einen Stapel beigesteuert. Im Rathauskeller entdeckt. Ich hörte jemanden sagen: >Irgendwann sind die Amis doch weg und wir bleiben auf dem Schrott sitzen<. Daraufhin entgegnete ihm ein anderer Patriot: >ja, dann steht der Iwan vor der Tür und wir brauchen den Schrott wieder selber<.

Mit zunehmendem Verlauf des Abends stand, bei Schnaps, Zigarren und alten Geschichten, die Vergangenheit mitten im Raum. Je nach Alkoholpegel und Gemütslage, schickte der Oberst schon mal die Kameraden mit Verdis Gefangenenchor, von der Schallplatte, auf den nächtlichen Nachhauseweg.

Es begannen die Suchtouren durch das Land an der Wesermündung. Mit Standortbestimmungen, graben, hacken, ins Wasser stochern und ans Ufer ziehen. Das Metallsuchgerät kam von den Amerikanern, genau wie der LKW mit Personal und Zubehör. Das war Teil vom Geschäft und ließ sich am besten bewerkstelligen. Ein US - Armee LKW, 2 Soldaten in Uniform und dazu Vater, im Leichenbestatter-Nadelzwirn als Sprachrohr. So konnte man zu dieser Zeit fast jeden fragenden Blick von Passanten an See, Wald und Wiesen befriedigen. Kam doch mal eine lästige Frage eines vorlauten Dorfschullehrers oder neugierigen Rentners auf, wonach man denn suche, war Vater vorbereitet. Leichenreste alliierter Soldaten war eine seiner besten Antworten. Die interessierten nun wirklich niemanden im Feindesland. Vor allem galt dann die unausgesprochene Grundeinstellung: Nehmt alles mit was ihr findet!

Sehr interessant fand ich immer Wanddurchbrüche in Hohlräume. Die habe ich selbst miterlebt. Da gab es reihenweise Volltreffer! Fahnen, Bilder, Bücher, Wimpel, Waffen, Uniformen, alles in einem Raum vermauert. Solche Funde waren nur zu realisieren, wenn es Kontaktleute oder Tippgeber gab. Personen wie Bubi, der die damals in der Region mächtigen Nazis nennen oder befragen konnten. Und die Angst vor Entdeckung der verbotenen Utensilien war ja noch allgegenwärtig, zumindest bei den harmlosen Erben als Mitwisser. Entscheidend war also der Tipp, wo was zu finden ist, wer was verkaufen oder loswerden wollte. In diesen Zeiten hatte kaum jemand eine Vorstellung davon, was das verbotene Zeug wert sein könnte. Oft waren es Bauern oder schon deren Söhne, die mein Vater aufsuchte. Denen er manches, gegen kleines Entgelt oder kostenlos, abnahm und entsorgte. Mit Alkohol und alten Geschichten begann man sich zu vertrauen, die Utensilien wurden in den Verstecken gezeigt und am Ende war der Handel unter Dach und Fach. Nach Möglichkeit vermied Vater es, für den Transport die Amerikaner zu aktivieren. Nur bei großen Waffen oder größeren Mengen, fand Vater es sicherer.

Das versteckte Lager der wilden 13 befand sich im "Magnus Brüder Betonstein" und den kannten die Amerikaner nicht. Unweit von der Jagdhütte lag ein überwachsener, gut erhaltener, Bunker. Die Existenz dieses vergessenen Betonmonsters, im tiefsten Domänen Wald, haben die Magnus Brüder zu verantworten. Mitten im Krieg von Zwangsarbeitern auf deren Privatgelände errichtet. Die Brüder müssen hervorragende Kontakte zu einem Arbeitslager gehabt haben. Einer der Brüder hat sogar noch vor Kriegsende einen besonderen Panzer in dem Bunker versteckt. Ein guterhaltenes Stück, ohne sichtbare Kampfspuren. Jetzt thronte er mitten in der Sammlung zum Export bestimmter Waffen und NS Symbolen.

Einige Jahre nach Kriegsende geriet das Bunker Geheimnis in Gefahr. Ein ortsbekannter Alt-Kommunist und Faschisten Jäger, mit Namen Albert Kumerow, tauchte auf und soll versucht haben den Oberst mit seinem Wissen zu beeindrucken. Er wolle keinen Staub aufwirbeln, sondern nur Geld. Doch zog man bald darauf den Genossen Kumerow tot aus dem Sumpf See in Mecklenburg. Nach einer Feier, mit seinen kommunistischen Brüdern, ist er nicht mehr in die Pension zurückgekehrt. Er wird sicher, betrunken wie er war, ins Wasser gefallen sein. Es wuchs schnell Gras über die Geschichte.

Immer öfter klingelte das Telefon bei uns zuhause und unbekannte Personen boten Vater Überreste des tausendjährigen Reiches an. Im Gegensatz zu meinem verblendeten Vater dachte ich, dass diese Mengen an Hitler-Bildern und Büsten, Fahnen und Gerümpel vom schwarzen Totenkopf Orden, sowie die alten Waffen, den kaufenden Sammlern ein bestimmtes Symbol sein würden: Für die Niederschlagung des Bösen in Menschengestalt, durch die Kriegsanstrengungen der amerikanischen Nation!

Aber das wusste Vater besser, wenn er von sympathischen und verständnisvollen Soldaten aus der neuen Welt sprach. Besonders, wenn er von diesen Jagdhüttentreffen kam. Wenn wieder ein Geschäft begossen war. Der Harris und der Walker hätten für Vater durchaus Verbündete sein können. Nicht gleich 1942, aber ab 1944 doch durchaus. Es gab wohl mehr Verbindendes als Trennendes, wenn man so hörte, wie Johnny und Bill über Vater alte bolschewistische Feinde, den roten Fürsten der Finsternis, dachten. Besonders zu der Zeit als der Prager Frühling unter den Ketten der Friedenskampfkolosse der sowjetisch beherrschten Brudervölker sein Ende fand und dadurch viele aus dem unterjochten Brudervolk in die Gefangenschaft oder in den Tod gingen.

Tja, und zusätzlich auch die alten Geschichten aufwärmen konnte die Gemüter erhitzen. Oft bis zur Besinnungslosigkeit, durch die freundliche Hilfe von Johnny Walkers Flaschen. Ich habe verschiedenste Diskussionen mitbekommen, u. a. über den zweiten Weltkrieg, über Jeeps, Kübelwagen, Panzer, Flugzeuge, Bomben, Marlene Dietrich, Brigitte Bardot, Sofia Loren und natürlich Marylin Monroe. Nur Vietnam nahm niemand in den Mund, das war eine Tabuzone.

Und ich war so verliebt in ihre riesigen Autos. Dicke Lederpolster, verchromtes Armaturenbrett, fettes Lenkrad, Türfächer für Whisky und Soda und im Handschuhfach ein Plattenspieler. Mit so einem Giganten braucht man keine Mädchen zu suchen, man muss nur drinsitzen. Bei offenem Verdeck und die Musik aufdrehen. Ich ahnte, wieso eines der Hostessen aus Alfredos Lieferservice sich Connie Cadillac nannte.

Captain Walker war es auch, der uns mit amerikanischen Comic Magazinen versorgte. Wie Man´s Aktion, True Adventures oder Escape to Adventure. Es ging, in aussagestarken Bildern, immer um den Kampf zwischen Gut und Böse. Und das überall auf der Welt, wo amerikanische Helden ihr Leben und somit die Freiheit verteidigten. Vor allem in jenen Tagen gegen die teuflischen Kommunisten, die sich immer mehr auf dem Erdball breit machten. >Ehemals weltoffene Länder, jetzt hinter Stacheldraht mit Schießbefehl zum Siechtum verdammt. Typische Hammer und Sichelpolitik, < so der Herr Vater, so die Herrn Amerikaner.

In den bunten Comic Storys waren leicht bekleidete Begleiterinnen verwickelt, welche in jeder Phase des Kampfes eine stark erotische Ausstrahlung besaßen, worum es im eigentlichen wohl auch ging. Die urtypischen Amerikaner bewahrten ihre üppig ausgestatteten, meist blonden Venus Darstellerinnen (es gab frappierende Ähnlichkeiten mit Hollywood Diven dieser Zeit), vor einem grauenhaften und tragischen Ende, welches an jeder Ecke lauerte. Titel wie: Torture of exotic Guerilla Girls - Nude Queen of the Communist Cannibals - Girl Torture of the Vietcong -The Joy Doll Trap in Laos, um nur einige zu nennen, verdeutlichen die "Message", dieser sehr lebendig gezeichneten Monatshefte. In der Jagdhütte und im Bunker lagen sie haufenweise griffbereit, zusammen mit Pin-Up Girls Kalendern und anderen zeitgeschichtlichen Dokumenten. Wir konnten einiges davon gewinnbringend an interessierte Kreise abgeben. Dazu gehörte unser Fußballplatzwart, aber auch mancher Mitläufer der roten Brigade im Dorf.

In jenen hektischen Tagen, auf der Suche nach verstecktem Allerlei der Naziherrschaft, erinnerte sich Bubi an einen ehemaligen Mitstreiter und Amtsinhaber, sowie dessen Sammelleidenschaft. Dessen Frau lebte noch an gleicher Stelle. Also wurde sie von Bubi über alte Akten, vor allem aus 45, befragt. Denn eines war klar, wenn jemand darüber Buch geführt hat, wo was vor den Invasoren versteckt worden ist, dann ist es ein deutscher Parteifunktionär. So erfuhr ich auch die Geschichte von der Hilde Peters.

Die Hilde war ein zweihundertprozentiger Führer Fan, das gesamte tausendjährige Reich hindurch. Sie war Witwe oder Ehefrau von dem Großmaul "Bollwerk Peters", einem regionalen Goldfasan. Dieser war in der letzten Kriegsphase damit beschäftigt Bollwerke in Form von Panzersperren, Gräben und anderen Sinnlosigkeiten, errichten zu lassen. Spätestens hier, im Machtbereich von Bollwerk Peters, sollten die Invasoren zum Stoppen gebracht werden. Darum ließ er alles restliche Menschenmaterial, was sich noch nachprüfbar bewegen konnte, dienstverpflichten. Da er keinen funktionsfähigen Dienstwagen mehr besaß, fuhr er dienstlich prüfend die Schanzarbeiten mit dem Motorrad ab.

Und dann war Peters plötzlich spurlos verschwunden! Mysteriös die ganze Geschichte, denn Peters konnte nicht in Kämpfen, die noch in der Zukunft lagen, gefallen sein. Außerdem gab es keine Leiche und kein Motorrad. Eigentlich gab es nur 2 Varianten einer Erklärung: Ein Bautrupp Fremdarbeiter hat ihn abgegriffen und sich für die letzten Jahre bedankt. Oder, seine Maschine hat ihn bis zum Hafen gebracht, von wo er sich absetzen konnte. Vielleicht von langer Hand geplant, dieser Pessimist. Andererseits spricht gegen eine Planung, dass er seine Frau nicht mitnahm und somit den Horden von Vergewaltigern und Mördern überließ. Konnte das sein?

Die Bargeld-Kasse der Partei soll unberührt geblieben sein, aber was sagte das schon? Peters hatte jahrelang Gelegenheit sich Fremdvermögen unter den Nagel zu reißen. Mobile Währungen möglicherweise. Aber kenne sich einer mit Frauen aus. Sie, die Hilde, behauptete: Nichts von dem alten NS Dingen gesichtet zu haben. War das glaubhaft? Was wäre, wenn ihr Mann plötzlich auftauchen würde? Einem fernen Gulag entkommen und die Sachen aus großer Zeit wieder in die Hand nehmen möchte. In Erinnerungen schwelgen und die Wirklichkeit vergessen. Wie es die Männer beim Oberst im Rauchsalon so gerne taten. Es bedurfte somit leider einer Belastungsprüfung durch Kuddel. Und tatsächlich: Durch Kuddels einschmeichelnde Magie konnte sich Hilde wieder an den kleinen, privaten Luftschutzbunker auf dem Gehöft, gleich hinter dem Pferdestall, erinnern.

Kein Zwangsarbeiter hatte das Geheimnis verraten oder verraten können. Runen Rudi versprach allerdings, dass alles was nicht direkt von Nöten ist ihr dazulassen. Doch Waffen, Bilder, Büsten, Uniformen, Büromaterial aller Art, von der Schreibmaschine bis Stempel, waren von Nöten. Das war alles verboten worden, von den ehrlosen Kapos der Bonner Lageristen. Da läge aber für sie eine schöne Provision drin und die könne sie sicher gut gebrauchen. Es ist doch unwahrscheinlich, dass Bollwerks Ämter im 3. Reich von den Banausen in Bonn mit entsprechender Witwenrente honoriert würden. So fuhr Rudi die konfiszierte "Bollwerk Peters Sammlung" in den Bunker der Domäne. Er überlegte dem Oberst vorzuschlagen, die einsame Helga zu besonderen Anlässen auf die Domäne einzuladen. Sie stand immer noch getreu zur Sache, was schon das Führerbild im Schlafzimmer bewies. Aber sie war auch eine Frau und deshalb muss man das durchdenken.

Selbstverständlich ließ man Hilde die Führerbilder, dass im Schlafzimmer und das kleine Handsignierte, auf dem Kamin im Wohnzimmer. Das war zu ideell und man war ja kein Unmensch. Außerdem signierte Rehm Führerbilder perfekter, als der echte Bösewicht es jemals konnte.

Die Hilde erinnerte sich noch genau an seine Wiener Rede, 1938 auf dem Heldenplatz. Da hatte er gerade, gegen das ewige Veto der Versailler Vertragsräuber, die Ostmark heim ins Reich geholt. Der Jubel, die Fahnen, der Orkan an Zustimmung auf dem riesigen Platz. >Es war ein Gottesdienst, aber besser besucht<, so Hilde.

Was Hilde bis zum heutigen Tage nicht verstand, war die Möglichkeit das ihr Ehemann sich damals abgesetzt haben könnte. Dass er nicht mehr hundertprozentig an den Endsieg glaubte, konnte sie noch verstehen. Aber warum sollte er das Land verlassen haben? Schließlich war ja Krieg und er hat Befehle befolgt. Befehle seiner Partei, die das Gesetz vertrat, welches er letztendlich nur durchgesetzt habe. Er wäre sonst in Teufels Küche gekommen, hätte seine Linientreue Risse gehabt. Bubi, der ihn erlebt hatte, meinte allerdings ihr Gatte wäre selbst der Teufel in der Küche gewesen.

>Wer Gesetze befolgt und manchmal deshalb hart durchgreifen muss, kann dafür doch nicht belangt werden<, empörte sich Hilde. >Es mussten zweifelsohne schädliche Elemente aus dem Volkskörper entfernt werden und anderer Bestimmung zugeführt. Sowas ginge nicht immer sauber über die Bühne. Sowieso hätten die Ostarbeiter nicht gerade die Arbeit erfunden und bedurften strenger Handhabung. Auch, wenn er umzusiedelnde Personen, die einen ordnungsgemäßen Transportbefehl bekommen hatten, zur Bahn brachte oder nach Belsen begleiteten ließ, gehörte er noch lange nicht zu den Tätern, wovon heutzutage die Rede ist. Zu dem Lagerpersonal, dass es zweifelsohne mit der Strenge übertrieben habe. Aber seine Arbeit und seine Befehle hatten tausende Deutsche im Reich zu erledigen. Sind die etwa alle schuldig zu sprechen? <, fragte Hilde nicht wirklich.

Sicher, es gab ein paar inhaftierte Einwohner, welche nach dem Krieg mit den Engländern zurückkamen und ihren Mann sprechen wollten. Die waren unsachlich und verbittert. >Was man ja verstehen kann, wenn man längere Zeit nicht gerade auf der Sonnenseite der Straße gestanden hat, < so Hilde. >Es gab zwar oft triftige Gründe in Haft genommen zu werden, das ja. Aber, ich sag mal "Schwamm drüber" und damit sollte man es bewenden lassen, < zeigte sich Hilde versöhnlich. >Vielleicht wird die Menschheit in hundert Jahren es besser verstehen.

Napoleon wird heute auch wieder als großer Franzose verehrt. Die haben eine ganze Kirche für ihn als Grabstätte umgebaut. Selbst Teufel Nero bekam Sarkophag und Marmoraltar<, so Hilde, zuversichtlich gestimmt. Kann man es ihr verdenken?

Ständig ist der Teufel los (Buch 2)

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