Читать книгу Ständig ist der Teufel los (Buch 2) - Hardy Juhnke - Страница 9

Der Mai ist gekommen

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Das Unfassbare geschieht! Eisen Erich, der ewige Fels an der Tafel, wird aufs Altenteil befohlen.

>Erst Alteisen, dann bald Schrottpresse-Friedhof, das kennt man schon. Wie bei der Tante Klee, vom Lebensmittelladen! Rente bedeutet oft baldigen Programmschluss<, kommentierte Brando das Ereignis, schwer darüber Bescheid wissend.

Der rüstige Mann aus Eisen hatte viel Veränderung in seiner Zeit erlebt. Als der erste Weltkrieg begann, musste er in unserem Alter gewesen sein. Vielleicht hat er Soldaten gesehen, die sich auf die undenkbaren Schlachtfelder gefreut haben und jubelnd in die Züge gestiegen sind. So ein patriotisch vernebeltes Getue soll es am Anfang der Katastrophe öfter gegeben haben. Später, als der Krieg verloren ging und politisch aufgegeben wurde, kam der Wind der Veränderung. Erst aus vielen politischen Richtungen, dann hauptsächlich aus der braunen Ecke.

Ja, und politisch schien sich 1968 auch einiges, vor allem in der westlichen Welt, zu bewegen. Aber außer gefilterten Kommentaren, in meinem nahen Umfeld, bekam ich nicht viel davon mit. Öde Zeitungsartikel habe ich nicht gelesen und nur ab und zu Nachrichten im Fernsehen geschaut.

Jedenfalls hatten die Amerikaner in den ersten Monaten des Jahres an einigen Brennpunkten einen schweren Stand. Da war die TET-Offensive vom Vietkong und auf beiden Seiten starben täglich Soldaten wie die Fliegen. Deshalb gab es verstärkt weltweite Demonstrationen gegen die Supermacht USA. Kein gutes Zeichen war dazu die Aufhebung der Golddeckung des Dollars, was die patriotischen Männer der Nazi-Herrschaft-Material-Verwertung als ungünstiges Signal werteten. Ferner erschießt ausgerechnet ein Weißer einen farbigen Bürgerrechtler. Rassenkrawalle und die Black Power Bewegung erhielten weiterhin starken Zulauf. In manchen US- Städten stellten die Farbigen bereits die Mehrheit der Bevölkerung. In Deutschland wurde in Berlin auf einen Studentenführer geschossen, woraufhin es auch in anderen Städten zu Krawallen kam.

Nebenan versank Frankreich derweil im Chaos mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Diese Nachrichten erwischten mich meistens auf der Domäne oder bei flüchtigen Zusammenkünften in der Familie. Es gab für mich und Bruder Elvis zwar keine verordnete Anwesenheitspflicht mehr (was meine Mutter sehr ärgerte, wegen der Kocherei), aber gelegentlich war es gut ein familiäres Rückzugsgebiet zu haben. Manchmal wollte mir mein Vater auch die weltgeschichtlichen Geschehnisse erklären und bewerten, bevor ich wieder verschwinden konnte.

Eines Abends war es wieder soweit. Er hatte tatsächlich etwas positives über die Französische Nation zu berichten. >Hör mal Junge<, rief mir mein Vater aus dem Wohnzimmer entgegen, wo er gerade seinem aktuellen Lieblingsschäferhund die Pfoten massierte. >Die Brigitte Bardot wird in Frankreich die neue “Marianne“, ist das nicht mal eine schöne Nachricht? < Eigentlich wusste ich in diesem Moment gar nicht genau was er meinte, aber er redete ja weiter. >Die haben eine Frau als nationale Ikone und wechseln immer mal wieder das Weib aus, was ja nur vernünftig ist. Die erwählte Ikone steht als Büste in Rathäusern und auf öffentlichen Plätzen. Auf Briefmarken und Münzen druckt man sie auch noch. Ich sag´s doch: Französische Lebensart und deutsche Tugenden sind eine unschlagbare Achse, merk dir das mein Junge.

Statt Bilder vom blöden Gruß- August an die Stelle zu hängen, wo der Führer einst geleuchtet hat, nehmen die so was Schönes wie die B.B.! Am besten man verdeckt mit einer großen B.B.-Büste das Abbild von diesem verräterischen Wendehals in der gesamten Westzone. Da wurde der Herr Architekt Lübke zum Kriegsdienst verpflichtet und jetzt behauptet dieser Pausenclown, dass es sich bei seinen konstruierten Bauten nicht um Häftlingsbaracken gehandelt habe. Sieht eine Verleumdungskampagne gegen sich, als den Bundespräsidenten-Darsteller. Woher diese Amnesie? Immerhin stand der Mann im Dienst für Großdeutschland! Das sollten doch wohl das Mindeste sein, was ein glaubhafter Politiker getan haben muss!

Als Krönung sind diese Schutzhaft Kandidaten, Teufel und Langhans, wegen Anstiftung zur Brandstiftung freigesprochen worden. Soll nur satirisch gemeint gewesen sein. Wenn das so ist, möchte ich manche Anweisung von Männern der Bewegung, auf Straßen der 30ziger Jahre, so verstanden wissen. Jede gerichtliche Verfolgung dieser "Satiriker" hat somit zu unterbleiben. Wahrscheinlich hat sich dieser Teufel seinen Namen selber ausgesucht, Künstlername sozusagen.

Aber zurück zu was denkbar Erfreulichem. Und um die Kommunisten zu ärgern werfen wir tausende B.B.-Büsten mit dem Fallschirm über ihre Ostzone ab. Zusätzlich Benzin und schwere Hämmer, zum Vernichten von Ulbricht und Breschnew Bildern und Büsten. Ich habe nicht vergessen, wie sie Onkel Willy verhaftet haben, weil er gegenüber vom Klo ein Stalin Bild aufgehangen hat. Der gute Willy!

Also Junge, der Iwan ist jetzt unser Erbfeind und nicht mehr der Franzmann. Selbstverständlich wäre eine Brigit Bardot der Prototyp für ein ideales Lebensborn Programm. Hat mir sehr gefallen wie B.B. den Curd Jürgens einen "nordischen Kleiderschrank" nannte. Die beiden wären ein perfektes Vorzeigepaar gewesen, auch schon und besonders damals für Großdeutschland.

>Ja absolut, < entgegnete ich, > die B.B. wäre wirklich eine wünschenswerte Wunderwaffe. Und weil es mich jetzt überkam sagte ich mal wieder zu Vater: >Aber das hilft alles nichts mehr und Du wirst sehen, eines Tages wird ein Schwarzer Präsident der Vereinigten Staaten!

Und weil mein Vater immer das letzte Wort haben muss, warf er dazu ein: >Na klar, und der Pohlmann hat die Nitribitt auch nicht kaltgemacht! < Dazu musste ich wiederum entgegneten:>Das konnte man ihm aber doch nicht endgültig beweisen! < Worauf er meinte: >Und woran lag das wohl? Weil man keine Verhörspezialisten mehr in diesem Lande beschäftigt. Oder glaubst du, dass unserem Kuddel die Wahrheit entgangen wäre? Aber stattdessen poliert so eine fehlende Fachkraft heutzutage den Tresen seiner Kneipe. Auch der Fall von der Helga Matura wäre für Kuddel lösbar geworden, bei den Laiendarstellern, die für den Mord infrage kamen. < Sprachlos entschwand ich in den Abend.

In diesem Frühjahr gab es einige feierliche (wenn man ihre Trinkgelage so nennen darf) Zusammenkünfte mit den Amerikanern in der Jagdhütte vom Oberst. Sie stellten ihre protzigen Autos auf der Domäne ab und weiter ging es geländegängiger mit Rudi Unimog, oder dem restaurierten Kastenwagen. Zu Fuß wäre auch möglich gewesen, aber zu unmilitärisch, denke ich mal.

Bei einer dieser Treffen saß ich das erste Mal in einem 57er Thunderbird und hörte Radio. An einem anderen Tag war es ein glänzend schwarzer Cadillac, mit einer Menge technischem Schnick Schnack und eingebauter Bar. Dann träumte ich mich in diese Pin Up Kalender aus dem versteckten Bunker. Wo die heißen Girls auf den dafür vorgesehenen Motorhauben ausgestreckt posierten. Triefend vor Begehren, nach jedem Kerl der sie erblickte. Ich fand es sehr schade, dass diese Mädchen nicht mitgekommen waren. Oh, diese Weißwandreifen-Kolosse aus Blech: >Operettenhafte Glanzlichter der untergehenden amerikanischen Zivilisation<, wie sie Kuddel mit Respekt einschätzte.

Als Dienstfahrzeuge seiner ehemaligen Behörde wären diese Blechlawinen viel zu unhandlich und auffällig gewesen. Einen schlichten Mercedes können die nicht ersetzen. Schon der Benzinbedarf wäre, in Kampfzeiten, unakzeptabel gewesen. Außerdem wären diese Boliden größer als ein damaliges Vernehmungszimmer.

Allesamt waren diese Schiffe auf Rädern die Lieblinge der Tankstellenbesitzer. Wobei die Amerikaner günstig in ihrer Kasernenstadt tanken konnten. Im Übrigen habe ich diese schweren Zylinderkönige nur über die Straßen gleiten gesehen, nie wirklich schnell unterwegs. Oft waren es nicht die neuesten Serienmodelle, denn oft hatten die Soldaten Fahrzeuge von ihren Vorgängern übernommen. Denn leider war man in der amerikanischen Autoindustrie auf die Produktion von nüchternen Metallpferden übergegangen. Wenig Mystisches und Gigantisches haftete der neuen Detroiter Sachlichkeit an. Manche Boys wollten diese vernünftigen Kutschen partout nicht fahren. Vielleicht weil sie sie gleicher machten mit den einheimischen Karren deutscher Produktion.

Viele, der in die Jagdhütte eingeladenen amerikanischen Soldaten, stellten den Männern von der wilde 13 als erstes die ewig gleiche Frage: Erzähl mir von Hitler, erklär mir Hitler, und so ähnlich lautete immer ihre vordergründige Neugier. Doch es wurde nie so viel politisch diskutiert wie in diesen Tagen und einmal meinte Vater sogar einen Durchbruch über politische Ansichten bei den US- Boys erzielt zu haben. Immerhin kriegten die auch aus der Ferne mit, wie rasant schnell sich ihr Land zu verändern begann. Die Fahrer dieser prächtigen Auswüchse kapitalistischer Sucht nach Protzerei ahnten, dass es der schwarze Mann sein wird, der Amerika große Veränderungen abverlangen kann. Der American Way of Life musste alle Hautfarben beteiligen und sich deshalb dahingehend verändern. Und mancher hatte tiefe Zweifel das es, zumindest für ihn, dann zum besseren bestellt sein würde.

Hier konnte mein Vater viel Öl der Vorurteile ins Feuer gießen. Indem er gerne bei jedem sich bietenden Trinkgelage die weißen Offiziere fragte: >Wie wäre es wohl gelaufen, wenn der Süden den Bürgerkrieg gewonnen hätte? < Und dass fragte er gerne in jener Jagdhütte, wo an der Wand ein großes Bild hing, worauf die Qualen der armen Seelen im Fegefeuer zu sehen waren.

Ein Bild mit stark katholischer Interpretation der zukünftigen Wirklichkeit, wie ich fand. Das Bild hat der Oberst immer mal wieder aufhängen lassen, um einen passenden visuellen Rahmen anzubieten. Für endlose Debatten über Diesseits, Jenseits, Fegefeuer, Hölle, Teufel, Engel, Paradies, usw., Lieblingsthemen der sturmerprobten Lebemänner. Diese Strategen hatte auch reichlich Gründe sich darüber Gedanken zu machen, denke ich heute.

Nicht nur zum Gefallen für die Geschäftspartner hingen einige Aufnahmen vom Oberst, in voller Offiziersmontur, an der Wand. Bilder aus dem Felde und zusammen mit einigen vertrauten Kriegsknechten. Irgendwie liebten die Amis diese morbide Ausstattung. Fahnen und anderes Heldentum Zeug war auch reichlich in der nationalsozialistischen Wehrmacht Gedächtnis Jagdhütte dekoriert. Man wusste ja nie was die Amis alles kaufen würden!

Sie versuchten trotzdem ein Prinzip einzuhalten: Keine Geschäftsverhandlungen während man zusammen trank! Nur Abschlüsse begießen kam in Frage. Aber das war natürlich nicht einzuhalten. Die weißen Insassen der Straßenkreuzer sind mir dabei etwas merkwürdig in Erinnerung geblieben. Freundlich, aber irgendwie großspurig, laut und polternd, unter ihrem Bürstenhaarschnitt. Vielleicht waren sie nur auf ihre Art amerikanisch. Nach der Devise: The Sky is the Limit!

Farbige Soldaten wirkten da schon anders auf mich. Wiegend im Gang, schienen sie sich alle nach dem Song "Who knows", von Jimi Hendrix, zu bewegen. Ich muss an "White Fingers Smokey" und "Clockwork Hank" zurückdenken. Ihre richtigen Namen habe ich vergessen oder nicht gewusst. Sie standen nicht mal an den Klingelschildern ihrer Häuser in der amerikanischen Siedlung, in denen wir in den Siebzigern ein- und ausgingen.

Zuerst belieferte ich mit Gento unsere amerikanischen Kunden außerhalb des Stützpunktes. Später mit Freund Atze, weil Gento wegen seiner vielfältigen Erotikbranche Aktivitäten viel zu tun bekam. Am helllichten Tag fuhren wir in die Siedlung und suchten unsere verbündeten Kontaktleute auf. Heute wäre so ein leichtsinniges Verhalten undenkbar, keine Frage.

Smokey war für die schwarzen Soldaten zuständig und Hank für die Weißen. Alle hatten sie in Vietnam gekämpft und waren regelmäßige Drogenkonsumenten geworden. Bei unserem Teil der Belieferung ging es nur um grünen, gelben, schwarzen und roten Stoff, bzw. Haschisch, Marihuana, Hanf, Cannabis. Oft als ganze Platten in einem leeren Gitarrenkoffer mitgebracht.

Smokey lebte zusammen mit einer platinblonden Mulattin in einem kleinen Haus, dass kein Tageslicht ins Innere einließ. Die Jalousien waren ständig runter und ständig lief die Stereoanlage. Bunte Lichter, übervolle Aschenbecher, Zeitschriften, Magazine, Wasserpfeifen, Flaschen und sonst was bevölkerten Tisch und Teppich. Über allem thronte ein übergroßes Bild von Jimi Hendrix, der damals bereits gestorben war. Smokey meinte einmal, mit gutem Dope kann dich die Gitarre von Jimi an einen Ort versetzen, wo du noch nie gewesen bist.

Es roch nach Sex, Alkohol und Dope, als wenn hier eine unendliche Party im Gange wäre. Anerkennend sagte Gento mir, dass er Smokeys sexy Mädchen gerne für zukünftige Spezialproduktionen angesprochen hätte, aber sich nicht traute, wegen ihrem Gorilla Freund. >So wie das hübsche Flittchen sich uns zeigt, mag die harten Sex, so mit kratzen, beißen, ohrfeigen und schweißtreibendem ficken. Genau das was abgefragt ist, ein Jammer, wenn da nichts draus würde, < meinte Visionär Gento.

Es kam vor, dass unser Smokey zum verabredeten Zeitpunkt noch nicht erschienen war und wir mit Supergirl, wie Smokey sie trefflich nannte, einige Zeit im abgedunkelten Partywohnzimmer zusammensaßen. Wobei wir den Eindruck gewannen, dass Supergirl sich niemals vollständig bekleidet im Hause bewegen würde und immer kriegten wir deshalb einen prächtigen Ständer. Wobei uns klar war, dass Smokey über einen riesigen Prügel verfügen konnte, so wie er gebaut war. Sie war also keinesfalls notgeil, eher wund gevögelt von dem Monsterknüppel des Soldaten. Ach, wenn sie uns nur nicht so auffordernd freundlich angelächelt hätte und mit der Zeit kannten wir sogar ihre Strand Kollektion Hawaii Mädchen, denn Smokey war mal auf dieser Insel stationiert gewesen. Dort wäre sie am liebsten noch immer und wahrscheinlich waren wir einer der wenigen Außenkontakte die das Mädchen in Westdeutschland geboten bekam. Bekleidungsmäßig war sie jedenfalls klar noch Smokeys Hawaii Mädchen und unser irgendwie auch bald.

Wenn er also später kam und uns erlöste, war er immer noch in Berufsbekleidung. Ein zwei Meter Hüne, in ansehnlicher Uniform und zusätzlich weiße Handschuhe tragend. Allerdings haben wir ihn auch nie ohne seine weißen Handschuhe gesehen. >Ein kleiner Tick, seit Vietnam, < meinte er dazu.

Wenn er sehr ausgehungert war, zog er sich nicht erst um, sondern nahm sofort eine Probe des aktuellen Angebotes ins Gehirn. Es fiel bald alle Last des eintönigen Dienstes von ihm ab und er wurde recht zugängig und gesprächig. Meist, während Supergirl ins Bad verschwand und sich frisch machte. Ihr Timing hatte sicher Gründe und Gento fragte sich später besorgt im Auto, was gerade der Smokey mit ihrem Körper anstellte.

Einmal fragte ich unseren Geschäftspartner für was die einzelnen Ordenshinweise auf seiner Uniform stünden. Daraufhin erzählte er uns unangenehme Grausamkeiten aus seinem Alltag als Anführer von Killern im Dschungel von Vietnam. Dieses lautlose Töten, mit einer scharfen Schlinge um den Hals des Feindes, fand ich besonders heftig. Zumal Smokey meinte, dass gelegentlich der ganze Kopf abfiel. Aber er würde hier nicht sitzen, wenn er einmal nicht aufgepasst hätte. Wir glaubten ihm.

"Clockwork Hank" war auch ein Vietnam Geschädigter, ist zu vermuten. Er war ziemlich lärmresistent, was an seinen Einsätzen im Hubschrauber liegen kann, oder/und weil er 2 x abgeschossen wurde. Jedenfalls hatte seine Stereoanlage einen satten Pegel und die Dröhnung, zu jeder vollen Stunde, aus seiner Uhren-Wand gaben ihm den besonderen Kick, schien zusätzliche Musik in seine Ohren zu spülen. Ja, der Hank hatte sich eine Kuckucksuhren Sammlung zusammengekauft und in seinem Wohnzimmer aufgehängt. Frisch aus Vietnam zurück, entwickelte er ein Faible für diese Dinger. Warum auch immer. Somit brach zu jeder vollen Stunde ein wahres Spektakel los. Alle Vögel sprangen aus ihrem Versteck und trällerten auf uns herab. Zuerst hat mich das ziemlich erschrocken, weil man einfach mit so was nicht rechnet. Obwohl die Uhrengehäuse drohend an der Wand warteten.

Für Hank hatte die Dröhnung, alle 60 Minuten, etwas Magisches. Vielleicht ähnlich dem Gebrüll von Reichsparteitagen, für meinen Vater. Obwohl, so eine künstliche Vogelgeschrei-Invasion, 24 x pro Tag, nur für sehr spezielle Sonderlinge in Frage kam. Da diese Uhren damals alle analog liefen, änderten sich die Anschlagszeiten, von Uhr zu Uhr, geringfügig und das unterstütze den besonderen Sound zusätzlich, so das fachmännische Urteil von Sammler Hank. Trotzdem waren es für meine Ohren immer noch 10 Schwarzwälder Uhren, auf die ich verzichten konnte.

Ganz ehrlich: Wir fanden das Hank einen "Schuss" haben musste, um das gut zu finden, um das auszuhalten. Passte aber zu seiner großen Johnny Cash Plattensammlung, fanden wir zusätzlich. Hank machte nicht den Eindruck innerhalb von 24 Stunden jemals clean zu sein. Warum auch, es gefiel ihm ja! Der Budenzauber ging ungefähr einen Monat. Dann war der "Wall auf Sound" stillgelegt. Alle Klangbomben blieben stumm und gaben kein ticken mehr von sich. Wahrscheinlich hatte eine Überdosis Kuckucksuhr Geschrei den armen Hank von dieser Klangdroge geheilt. Wir waren alle erleichtert, sagten aber nichts. Später erfuhr ich von Stevie, dass Hank bei seinem zweiten Absturz in einem von "Agent Orange Giftnebel" behandelten vietnamesischen Gebiet herumgeirrt war. Das erklärte möglicherweise mehr.

Wie auch immer: Eine ruhige Kugel auf einer Militär Basis schieben kann an die Substanz gehen und mit Dope nach Feierabend deutlich erträglicher werden. Schien für viele allemal besser zu sein als in die Staaten zurückkehren zu müssen. Besonders die Farbigen verließen ihre Ghettos und zogen in den Krieg der Weißen, mit der Perspektive nicht so bald wieder in diese Ghettos zurück zu müssen.

Hank lebte mit einer Asiatin zusammen, die er während eines Fronturlaubes in Kambodscha, Laos oder Thailand kennengelernt hatte. Er wird sie geheiratet haben, um sie mitnehmen zu können. >Viel pflegeleichter, als eine Amerikanerin und ein Naturtalent im Bett, < ließ uns Hank wissen. >Solange jeden Monat eine bezahlbare Summe ihre Familie erreicht, wird alles in bester Ordnung bleiben, < meinte Hank und lobte ihren biegsamen Körper. >Nach 2 Whisky kannst du alles von ihr haben, kannst du alles mit ihr machen, < war seine monatelange Erfahrung. Sie sei das Beste was er aus Asien mitbekommen habe. Im Winter kriegt man sie allerdings nicht vor die Tür.

Ich hoffte, dass dieser Deal für Somjet in Ordnung ginge und der monatliche Scheck für ihre Familie hoch genug war, um Kuckucksuhr Gewitter und andere Vorkommnisse zu ertragen. Einmal im Jahr schmissen die beiden eine Kostümparty und zu diesem Anlass aktivierte Hank die bereits stillgelegten Uhren, welche an der Wand hängend verblieben. Aber das ist eine andere Geschichte und gehört in ein spezielles Buch nur über die wilden 70ziger.

Hank, der als Prototyp eines Südstaatenamerikaners gelten konnte (wenn es sowas gebe), war eigentlich schwer in Ordnung. Die Kriegsschauplätze, zu denen er im Laufe seiner Berufssoldatenzeit abberufen wurde, werden sein fühlen, denken und handeln beeinflusst haben. Soviel war klar. Mancher muss sich ja manches gefallen lassen, um nicht in die Staaten zurück zu müssen. Als Zivilist waren Hanks berufliche Perspektiven in Amerika nämlich sehr überschaubar. Doch in den 80zigern kam noch ein Lebenszeichen von Hank aus Südamerika bei mir an, in Form eines Briefes. Dazu ein Bild mit Hank, Somjet und 2 Kindern. Alle winkend vor einem Hangar mit kleinen Flugzeugen in die Kamera. Er schrieb, dass er endlich einen Job bekommen habe, in dem seine Fähigkeiten gebührend bezahlt würden.

Der Hank musste oft die erstbeste Chance nutzen, die sich ihm bot. Eine zweite kam vom Leben nicht nachgeliefert. So ging er zur Armee als sie ihn rekrutierten und entdeckte dort sein Talent für fliegende Technik. Ähnlich verhielt es sich mit den Frauen. In seinem Heimat Städtchen sahen die attraktiven Südstaaten Schönheiten durch ihn hindurch und registrierten Hank als Nobody. Tausende Miles entfernt registrierten die hübschen Mädchen ihn als "Dollarman with the big Cock" und er war ein Gewinner. Also nahm er sich das, was das Leben ihm anbot. Wer hätte das nicht getan!

Jede intellektuelle Beziehung zwischen Menschen hat sowieso ihre Grenzen. Besonders zwischen Mann und Frau. Und sie wird nicht kleiner sein, wenn es um verschiedene Kulturkreise geht. >Das Passende und Gute in einem Menschen erkennen können, wäre sowieso nur mit dem Gefühl möglich, < meinte Hank dazu. Das hätte ihm das Leben beigebracht. Somjet ist zudem Buddhistin und das versprach mehr Vielfalt, als wenn er eine verklemmte Katholikin aus Texas abbekommen hätte.

Unser kleines Versorgungsunternehmen, für Mitglieder unserer Schutzmacht, kam zu einer gewissen Blüte, als Smokey uns einen noch lukrativeren Weg aufzeigte: Viele seiner Kameraden und Brüder in der Hautfarbe auf einem sicheren und konstanten Weg überregional zu versorgen. >Wir werden alle was davon haben, < meinte Smokey und erklärte die Details.

Und der Zufall spielte uns dabei in die Karten. Die Arbeitsvermittlung der US-Base stand für zivile Arbeiter unter deutscher Verwaltung, direkt auf dem Base Gelände. Zufällig war der Sohn vom Chef der Vermittlung bereits Kunde von uns und es bedurfte nur einer Frank Zappa Plattennacht mit erstklassigem Dope – dann war er für eine wohlwollende Empfehlung bei seinem Vater offen.

Ich weiß nicht mehr, ob Atze ein Führungszeugnis vorlegen musste oder einen Gabelstapler Schein hatte. Jedenfalls bekam er den Job anstandslos. Die ersten Tage musste er seinen neuen Dienstausweis vorlegen, aber bald wurde er am Checkpoint durchgewunken. Niemals, während seiner gesamten Anstellungsdauer, wurde sein Auto beim rein- oder rausfahren gestoppt und durchsucht. Ich kann mich nicht mal an viele Schäferhunde erinnern. Eigentlich hätte Atze auch Bomben in die Base bringen können, um den Laden dem Erdboden gleich zu machen. Aber wozu wäre das gut gewesen, unsere besten Kunden wegzubomben? Der VW Käfer war effektiver mit gepressten Dope-Blöcken auszustatten.

Smokeys Vermittlerprovision ließ er sich in Naturalien aushändigen, sodass es locker zu verschmerzen war. Vor allem bei dem Volumen unserer Warenbewegungen. Montag, Mittwoch und Freitag kamen die Armee Lastwagen und holten ihre vorbereiteten Versorgungspaletten ab. Für welche Standorte in Westdeutschland weiß ich nicht mehr genau. An bestimmten Tagen kam neue Ware aus den Bäuchen der im Hafen liegenden Transporter und das große Versorgungslager war immer ein riesiges Meer von angelieferten Produkten. Vor allem mit Paletten silberner Blechdosen, in denen die US- Army scheinbar jede Art von Lebensmitteln pressen ließ. Die Militär LKWs, die in guter Regelmäßigkeit vor den Lagertoren erschienen, waren zum größten Teil mit Afro- Amerikanern besetzt. Alle Dope-Kontaktmänner von Freund Atze waren alle dunkelhäutig. Irgendwann erfuhr ich, dass sich unsere Abnehmer passenderweise die "schwarze Bruderschaft" nannten. Von Hank erfuhr ich nichts über existente Seilschaften in Deutschland. Der Klu Klux Klan war wohl nicht im Land.

Es lief sehr locker ab. Alle LKW-Besatzungen zeigten die nötigen Ladepapiere und nur die eingeweihten Kontaktmänner zeigten ein Stück Papier, worauf Atze ihnen ein Stück Papier mehr zurückgab. Darauf stand die Paletten Nummer und die Dosenmarkierung für die wertvolle Fracht. Wie die Dosen in die richtigen Hände kamen war nicht mehr unsere Sache. Eine Geldübergabe fand dabei nicht statt. Stattdessen traf ich nur noch Smokeys Supergirl auf einen Kaffee im Karstadt Restaurant. Sie übergab mir die Dollars für die Transaktionen und ich gab ihr Smokeys verschweißten Natural Anteil. Ein persönliches Treffen in Smokeys Haus wäre auf Dauer und bei dieser Entwicklung zu heiß gewesen. Genauso wäre es zu heiß gewesen, wenn Gento mit Supergirl die Übergabe abgewickelt hätte. Er war aber schon in dieser Transaktionsphase nur noch stiller Teilhaber und Warenankäufer. Zusätzlich kündigte er unserem alten Dealer und die versiegelten Dope Platten kamen nun mit einem kleinen Schiff im Jachthafen an.

Ich weiß noch, dass das Boot von einem Amsterdamer Geschäftsmann, mit Kompetenzen im Rotlicht und Traveller Service, betrieben wurde. Er lieferte überwiegend Mädchen aus den ehemaligen holländischen Kolonien an. Meistens aus Niederländisch-Indien, wie Dr. Mabuse es nannte. Also die Gegend um Sumatra, Java, Borneo und dergleichen. Dort zog es selbst einen Mabuse nicht hin und so ergab sich wieder mal ein Win-Win Geschäft. Der Doktor hatte aber die besseren Verbindungen in die Karibik und nach Südamerika. So ergänzten sich die Interessenskreise für den Nachschub junger Neuerwerbungen. Einen Tag und eine Nacht blieb der Holländer Gast in Mabuses Welt, dann war alles geregelt. Meist waren es fünf Mädchen, die an Bord kamen und fünf Mädchen die von Bord gingen. Schwund war ja immer und so manche wurde viel zu früh weggeheiratet, aber das sind andere Geschichten.

Für exotisch anmutende Mädchen gab es damals enorme Nachfrage. Jedenfalls hatte der kurze Wasserweg entscheidende Vorteile die Anonymität zu wahren. Das galt gleichermaßen für Drogen und für Mädchen. Heute wäre das allerdings nicht mehr nötig, die Grenzen sind ja noch offener geworden.

So lief das ziemlich gefahrlos für eine lange Zeit. Denn meines Vaters Truppe interessierte sich mehr für die großen Pötte aus fernen Ländern und nicht für kleine Hobbyboote betuchter Europäer.

Im Prinzip war es Vater egal, wenn sich die Surfbrett Jongleure mit Dope jeglicher Art in eine andere Welt bombten. Er befürchtete sowieso, dass “diese verspielte Love and Peace Generationder amerikanischen Streitkräfte den Rest der Welt nicht mal halbwegs vor dem Iwan verteidigen könnte.

Gottseidank war das riesige Verpflegungslager nur mit 2 Personen in der Paletten Ausgabe (unter)besetzt: Atze und der Bürohengst. Der ältliche Buchhalter war ein untersetzter Mann, ohne jegliche berufliche Ambitionen, dessen weltgeschichtlicher Beitrag sich darin erschöpfte seinen Bierbauch auf rekordverdächtiges Maß zu mästen, sowie das tägliche Studium der Bildzeitung. Wenn LKWs anrollten hatte er die Fähigkeit entwickelt sich unsichtbar zu machen. Denn dann war die Gefahr am größten, die groben Soldaten könnten ihn zur körperlichen Mithilfe einladen.

Dieses unkollegiale Verhalten machte die schlecht bezahlte Arbeit für Atze nicht einfacher. Doch das absolut positive daran war: Nie lief er Gefahr beim Bearbeiten und Bewegen der besonderen Dosen vom Buchhalter gesehen zu werden. Der blieb zuverlässig im Kontor verschollen.

Ständig ist der Teufel los (Buch 2)

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