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Götterdämmerung

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Unser Schulunterricht fing nach den Osterferien so spannend an, wie er aufgehört hatte. Der eiserne Erich bekam von seinem Arzt weiterhin die rote Karte gezeigt und blieb dem Spielfeld der Schule fern. Das bedeutete zweierlei: Weiterhin Vertretung bei Stuka, aber auch ein Schaulaufen vom neuen heißen Feger im Lehrerkollegium, dem Fräulein Radke.

Sie erschien überpünktlich im Klassenraum, trug ein gelbes Kleid mit kleinen weißen Punkten und sah sehr appetitlich darin aus. Leider machte sie im Lehrstoff dort weiter, wo sie weitermachen sollte. Wir hätten andere Ideen bevorzugt. >Diese rattenscharfe Versuchung hat mehr Eicheln gesehen als ein Oberförster, die ist ein leibhaftiger Sexualkundeunterricht, wie ich ihn gebrauchen kann <, glaubt Gento sofort zu wissen. Sie war 27 Jahre jung und besaß die erotische Lufthoheit in Gegenwart einsatzbereiter Riemen und Rohre.

Unsere neues leibhaftiges Nachwuchstalent gab in der Schule Sport, Musik, Deutsch, Gemeinschaftskunde, Handarbeit und was sonst an Vertretungsstunden für nicht vorhandene Lehrer anfallen würde.

Selbst die nervigste Unterrichtsstunde mit Frl. Radke konnte nie und nie verhindern, dass wir kollektiv rattenscharf auf sie wurden, zumindest die ständig paarungsbereiten Strategen unter uns. Kind gebliebene Mitschüler und Revolutionäre ausgenommen. Revolutionäre, welche ja immer Kommunisten sind, respektieren die werktätige Frau und verschwenden keine chauvinistischen Gedanken an weibliche Lustobjekte. Das fanden wir nur fair. >So werden wir weniger sein, wenn der Lockruf von der sexistischen Ausbilderin an uns ergeht<, wusste wieder Gento.

Eng, kurz und dünn, war ihr begrüßenswertes Motto, bezüglich der verwendeten Dienstbekleidung, zumindest zwischen Mai und September. Oh ja, sie roch sogar hochgradig nach Sexappeal, doch wir legten keinen Protest ein. Auch unsere Mitschüler von der zukünftig weltbeherrschenden Rotfrontbrigade blieben inkonsequent und protestierten (zumindest offiziell) auch nicht. Es gab ja sonst nur uninteressante Exemplare unter den weiblichen Lehrkörpern und die Lehrer standen ihnen um nichts nach. Die männlichen Säcke interessierten uns prinzipiell auch gar nicht.

Da gab es in Physik den trockenen Kuhn, "der Scheinriese" genannt. Seine Lebendigkeit hatte starke Ähnlichkeit mit der gleichnamigen Figur aus der Augsburger Puppenkiste. Dieser Lehrer symbolisierte uns den Charme einer Leiche und das Temperament eines Toten. Außerdem meinte er, wir würden nur an das eine denken und das benebelte unseren Orientierungssinn für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Dinge, wie die lebensbedrohliche Existenz von schwarzen Löchern im Universum, die jedes Licht schlucken und jede Materie verschlingen. Gento meinte später dazu: >Ich muss nur ein Loch finden, dann kann ich wieder klarsehen und das nächste schwarze Loch suchen. Die Radke ist jedenfalls dunkel genug, keine Frage. Typisch, dass so ein Bücherwurm sich für weit entfernte Löcher interessiert und glaubt deshalb die große Welle machen zu müssen. Aber, wenn ich mich um ein frisches dunkles Loch kümmere, dann kann man die Wellen sogar stöhnen hören! <

Unsere Mädchen hatten noch "Frau Mahlzahn" im Handarbeitsunterricht erlebt. Ein pensionierter, aus Lehrermangel reaktivierter, böser Drache. Wahrscheinlich direkt aus Kummerland, der Drachenstadt, zurückgeholt. Man wird es ihr in den letzten Jahrzehnten gesagt haben, dass körperliche Züchtigung nicht mehr gestattet war. Sogar verboten! Doch wahrscheinlich stand sie grundsätzlich modernen Lehrmethoden skeptisch und abweisend gegenüber. Warum ein Erfolgskonzept ändern, wird sie sich gedacht haben. Wir hätten zu gerne gewusst, was der alte Prügel Drache im tausendjährigen Reich so alles verbrochen hat. Da hätte uns von wenig überrascht, soviel war klar. Hatte sie nur die BDM- und späteren Blitzmädchen gedrillt, oder doch den bösartigen Drachen in einem bewachten Lager gespielt.

Neugierig geworden, wollten wir schon jemanden auf Direktor Riester ansetzen, denn der hatte mindestens Akteneinsicht. Wenn sie auch eine blütenweiße Weste in ihren Papieren angelegt hat, Stuka würde die Wahrheit wohl trotzdem kennen. Oder, wenn möglicherweise doch nichts Belastendes ans Tageslicht käme: Unser Dorfgastwirt und unbelehrbares Mitglied der wilden 13, Gestapo Kuddel, könnte dem Zossen etwas gründlicher auf den Drachenzahn fühlen. Denn ich hörte mal wie Kuddel zu den Stammtisch Trinkern in seiner Kneipe sagte: >Das könnt ihr mir glauben: Keine Jagd ist so, wie die Jagd auf Menschen! Und diese verdeckten Ermittler, die viele Menschen gejagt und befragt haben, interessieren sich kaum noch für etwas anderes! < Und wie er mal zu Hans Dampf sagte: >Den besten Schwindlern wird eine Sache zum Verhängnis: Sie glauben ihrem eigenen Schwindel! < Ich denke, das war eine gutgemeinte Warnung, wegen seiner auffällig werdenden Baugrundstück Spekulationen in seinem Wahlkreis. Oh ja, der kluge Kuddel hatte viele lebenserfahrene Redewendungen im Programm. Ich erinnere mich auch an folgende: >Es ist nicht ratsam einen demokratischen Gegner mit demokratischen Mitteln anzugreifen. Man bekäme nur sinnlose Antworten auf somit sinnlose Befragungen<. Oder: >Die wahren Demokratien finde man in Südamerika, wo das Volk vielleicht etwas kritisieren, aber nichts unternehmen darf. Wenn das schon so ist, wäre es humaner ihnen auch das Recht zur Kritik zu entziehen. Ein Gefängnis ohne Fenster beseitigt den Maßstab, an dem der Gefangene seine Unfreiheit abschätzen kann und ist weniger grausam als mit Fenstern<, so die humane Sichtweise eines wohl davongekommenen Helfershelfers eines totalitären Systems, dem viel zu viele noch verklärt nachtrauerten.

In Gedanken hatte unser Gento die sexy Radke schon bald viele Male abgegriffen, wie er es so treffend nannte. Aber dann, als wir nach der letzten Unterrichtstunde Werk- und Musiklehrer Röder mit ihr im Lagerraum der Holzwerkstatt verschwinden sahen, - mit seiner Hand an ihrem knackigen Po haftend -, zerschlugen sich urplötzlich unsere Zukunftsvisionen. Sie wurde eine Unantastbare, diese deutsche Antwort auf Daliah Lavi! Das heiße Fräulein war also schon seine bespielbare Beute, wohl kein Zweifel mehr möglich. Schwanzgesteuert, wie wir nun mal waren, haben wir den fröhlichen Chorleiter der Gesellen von der wilden 13 äußerst gut verstanden. Und wir hätten dem erfolgsreichen Jäger gratulieren sollen, was wir aber doch besser unterließen.

Der Röder war so ein kerniger Kerl, wie mein Nachbar Reinhold, der welterfahrene Kapitän zur See. Ein Verschnitt aus Hans Albers und Louis Trenker.

>Unsere edlen Stämme brauchen junge Pflanzen, die sich gut begießen lassen<, meinte Gento, in Anlehnung eines Spruches seines auch auf diesem Gebiet kompetenten Vaters. Wir dachten: Für beide Seiten eine gute Sache. Sicher war die alte Röder Gattin längst ein trockenes Rinnsal. Das kann für einen im Saft stehenden Jäger und seiner geladenen Spritzpistole nicht gesund sein. Zudem hatte die scheinbar entbehrliche Gattin als Lehrerin ein sprödes und beherrschendes Wesen. Wohl über viele Jahre im Schuldienst antrainiert.

Das Fräulein Radke hingegen, die könnte ja erst eine Handvoll Monate die hilfesuchenden Schwänze der hilflosen Schüler dressiert und verformt haben. Natürlich wird ihre Zeit an der Uni auch nicht reibungslos geblieben sein, das sah man ihr doch förmlich an, so witterten wir. Mit ihrem nicht abstellbaren Sexappeal hatte sie etwas von uns auch förmlich in der Hand, keine Frage. Ich wette, viele Mädchen aus der Schule hätten gerne so professionell sexy abgestrahlt, wie die neue Lehrkraft es ihnen vormachte.

Da es für uns außer Frage stand, dass Lehrer Röder mit Lehrerin Radke ein Verhältnis besaß, sie also vögelte, hätten wir sehr gerne gewusst, ob seine Frau, die Lehrerin Röder, davon schon wusste oder gerade noch nicht. Zusätzlich pikant: Sie hätte ja rechnerisch die Mutter vom sexy Fräulein sein können. Also wohl klar: Ginge es mit den beiden frisch Verknallten so weiter, würde dem Röder heftiger Ärger ins Haus stehen. Nicht vom Direktor oder der großen Mehrheit der Schülerväter, nein, von der existenten Gemahlin natürlich. Und die Radke war, was uns drei geschlechtsreife Schüler anging, schon eher eine Verbündete, denn so sehr waren wir zu ihren optischen Fans geworden.

Sicher wusste sie über den hiesigen Patrioten Club der wilden 13 noch nicht viel. Wahrscheinlich kannte sie höchstens alte Erlebnisse aus der Vergangenheit vom ehemaligen Panzerkommandanten Röder, wenn denn überhaupt Zeit für solch unwichtige Informationen im Bett übrigblieb.

Jedenfalls blühte unser Werk- und Musiklehrer in jenen Monaten förmlich auf. In bester Laune, konnten wir ihm sogar Kriegserlebnisse entlocken, was den aktiven Werkunterricht lahmlegte. Das gelang uns früher nicht so gut und fiel auch dem dicken Rehm auf, als er in den Unterricht platzte und sich als Hörer dazugesellte.

Tatsächlich fing Röder an loszulassen, war milde gestimmt und ließ sich auch bitten verunglückte Werkstücke zu retten. Manchem war die Werkunterrichtnote, für die baldige Bewerbung in einem handwerklichen Beruf, von Wichtigkeit. Sogar Grobmotoriker, wie unser Gento, der es im Werken nur zu einer 3 schaffte, konnten erstmals eine 2 erwarten. Obwohl Gentos baldige Blitz-Karriere in der Erotik-Branche nicht davon beeinflusst sein würde. Eher die zu erwartende 1 im Sportunterricht wäre ihm wichtig, sagte er dazu. Ja, er machte sich viele Gedanken über seine Zukunft. Er hatte sich bereits für den Künstlernamen "Löwenschwanz" entscheiden und fand den Slogan: "Ist der Löwe los, dann ist was los", für sich angemessen.

Im Musikunterricht referierte und sang der alternde Ehemann und Geliebter einer sexy Dorfschönheit in dieser Zeit dermaßen viel, als das wir noch hätten etwas beisteuern müssen. Leider werden solche Typen, wie Röder einer war, heute nicht mehr hergestellt.

Ständig ist der Teufel los (Buch 2)

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