Читать книгу 13 Wochen - Harry Voß - Страница 13

10. Kapitel

Оглавление

Am Abend klingelte es an der Haustür. Seine Mutter rief ihn: »Besuch für dich!«

Simon wären fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er Nadja vor der Haustür stehen sah. »Nadja!«, rief er überrascht, aber sofort hatte er sich wieder gefangen. Wie wollte er noch gleich sein? Nicht zu überheblich, nicht zu zerknirscht. »Na?« Er legte ein Grinsen auf, von dem er meinte, es würde bei Nadja gut ankommen. »Komm rein.«

»Nein, ich wollte dich nur was fragen.«

Was konnte denn jetzt kommen? Hatte er schon wieder irgendwas Dummes angestellt? Oder sein verrücktes Gegenüber? Simon zwang sich zur Ruhe. Nur nichts anmerken lassen. »Ja, was denn?«

Nadja musterte ihn, als wollte sie eine Botschaft in seinen Augen lesen. Simon festigte seinen Blick. Freundlich, siegessicher, aber undurchdringbar. Niemand, dem er es nicht ausdrücklich erlaubte, konnte in Simons Augen irgendetwas lesen.

»Wer schläft eigentlich auf der Matratze dort in der Ecke?«, fragte Nadja gerade heraus.

Was? Welche Matratze? Simon schaute sich im Flur um. Hier lag keine Matratze. Plötzlich dämmerte es ihm: die Matratze in der Mühle! »Du bist in der Mühle gewesen!«, platzte es aus ihm heraus. »Du bist wirklich in der Mühle gewesen!« Simon schnaufte aufgeregt. »Du hast dich tatsächlich getraut! Wow! Na? Und? Hast du was gesehen? Hast du gesehen, dass da jemand wohnt?«

Nadja fixierte ihn mit einem ungewöhnlich lauernden Blick. Irgendetwas suchte sie an ihm: »Ja, kann sein.«

»Kann sein? Was heißt das? War da jemand? Die Matratze, sagst du! Ja! Die hab ich auch gesehen! Da schläft er! Oder es! Das Monster! Das gefährliche Etwas! Leider war es nicht da! Aber ich sag dir, er spioniert mir hinterher! Er sieht aus wie ich! Und immer, wenn irgendwo irgendwer was Blödes macht, dann war er es! Ich schwöre!« Sofort erschrak er über seine letzten Worte. »Tschuldigung. Nehm ich zurück. Ich schwöre natürlich nicht. Schwören ist ja … ähm … heilig. Weiß ich doch. Das darf nur Jesus, hab ich vergessen. Aber es ist wirklich so, wie ich sage. Da wohnt irgendwas Übernatürliches.«

Nadja nahm ihren scharfen Blick nicht von seinem Gesicht. Es war klar: Sie glaubte ihm kein Wort. Wie auch? Wie sollte jemand glauben, dass Simon von etwas Übernatürlichem verfolgt wurde? Wahrscheinlich litt er selbst einfach nur unter Verfolgungswahn. Vielleicht hatte Simon eine Psychose. Pubertäts-Stress. Schul-Koma. Und sein Gehirn spielte ihm einen Streich. Vielleicht war er es wirklich selbst, der sich irgendwo herumtrieb. Eine gespaltene Persönlichkeit, die gnadenlos die Welt unsicher machte und im nächsten Moment nichts mehr davon wusste. Und wenn er meinte, hier und da einen Doppelgänger zu sehen, dann bildete er sich das wahrscheinlich nur ein. Er selbst war sein eigener Doppelgänger! Simon war ein Fall für die Klapsmühle. Das wurde ihm hier im Angesicht der prüfend dreinblickenden Nadja schlagartig bewusst. Hätte er ihr doch bloß nichts von diesem Schwachsinn erzählt!

Plötzlich grinste Nadja, als hätte Simon sie bei einem harmlosen Spiel besiegt: »Du machst das gut, Simon. Wirklich.«

Was? Was machte er gut? So eine Scheiße, was meinte sie? Was ging hier vor? Jetzt nur nicht das Gesicht verlieren. Vielleicht bekam er ja etwas raus, wenn er bei ihrem Spiel mitmachte. Mit lässiger Miene setzte er sein Siegesgesicht auf, lehnte sich locker an den Türrahmen und grinste sie an: »Ja, findest du? Danke. Ich finde auch, ich mach das gut. Also hab ich gewonnen.«

»Da bin ich mir noch nicht ganz sicher.« Nadja verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Aber du bist nah dran.«

»Was muss ich denn tun, um zu gewinnen?«

Nadja spitzte den Mund, als überlegte sie sich eine kleine Aufgabe. »Dein Handtuch mit dem blauen Muster. Vermisst du das eigentlich?«

Was? Worauf wollte sie hinaus? Simon hätte am liebsten laut aufgeschrien, weil er hier überhaupt nichts, aber auch gar nichts kapierte. Aber er riss sich zusammen und antwortete so ungerührt wie möglich: »Nein.«

»Schau mal im Wäschekorb nach. In eurem Badezimmer. Da liegt es. Riech mal daran. Findest du nicht auch, dass es total geheimnisvoll nach der verzauberten, alten Mühle riecht?«

Wieder hatte Simon das Gefühl, als würde sämtliches Blut in seinem Körper in seinen Bauch sacken. Fast wurde ihm schwarz vor den Augen. Woher wusste sie, dass oben in seinem Badezimmer ein Handtuch lag, das verzaubert roch?

Wie mit einem Hammerschlag donnerte ein neuer Gedanke in seinen Kopf: Nadja! … War Nadja das geheimnisvolle Wesen? Konnte sich das Monster in unterschiedliche Menschen verwandeln? Erst war es Simon und jetzt war es Nadja? Simon taumelte im Flur zurück und brauchte ein paar Schritte, um sich zu fangen. Dann schwankte er ohne ein weiteres Wort die Treppe zum Badezimmer nach oben. Das Letzte, was er von Nadja sah, war ein zufriedenes Grinsen in ihrem Gesicht, während sie weiterhin mit verschränkten Armen und ungewöhnlich breit aufgestellten Beinen im Türrahmen stand. War das ein normales, menschliches Grinsen? Oder ein teuflisches? Wer war das?

Voller Hektik durchwühlte er den Wäschekorb im Badezimmer, bis er das Handtuch mit dem blauen Muster fand. Geradewegs hielt er es sich ins Gesicht und wollte einmal kräftig daran riechen. Aber schon beim ersten Riech-Impuls stach ihm so ein Gestank in die Nase, dass er das Handtuch fallen ließ, als wäre es mit Strom aufgeladen. Er selbst wich vor Ekel zurück, stolperte, fiel rückwärts nach hinten und stieß sich den Kopf an der Badewanne. Das Handtuch stank nach Schwefel, Dreck, Hundescheiße und Katzenpisse. Simon hätte sich übergeben können, aber er beherrschte sich. Woher wusste sie … ? Woher kam das Handtuch … ? Wie kam es hier rein … ? Nadja! Nadja war die Schlüsselperson! Sie war die Verzauberte! Sein Kopf schmerzte wie verrückt, sein Magen drehte sich um, er würgte. Sein Essen schoss ihm von unten hinauf in den Hals, er schluckte aber alles wieder runter. Jetzt erst mal die Dämonin unten in der Tür einfangen. Simon wollte im Bad aufspringen, aber sofort wurde ihm wieder schlecht und schwindelig zugleich und er polterte zurück auf den Boden. Egal. Nur raus hier. Auf allen Vieren krabbelte er zum Bad raus und ließ sich auf dem Bauch die Stufen nach unten gleiten. »Nadja!«, brüllte er. »Wer bist du?«

Niemand mehr da. Die Haustür stand offen, keine Menschenseele zu sehen. Und auch keine seelenlose Kreatur. Hatte er sich das wieder nur eingebildet? Mit wem hatte er da gerade gesprochen? Er zog sich am Türrahmen hoch und brüllte mit letzter Kraft in die menschenleere Straße hinaus: »Ich werde dich finden!!!«

Dann beugte er sich neben die Haustür und brach gefühlt das Essen der letzten drei Tage aus.

13 Wochen

Подняться наверх