Читать книгу Kjeld und die Verschwörung des Baal - Hartmut Dyck - Страница 10
7. Kapitel Germanicus, der Feldherr Roms
ОглавлениеGebieterisch hob Germanicus seine mit einem prächtigen Siegelring geschmückte Hand in die Höhe. Dieser Ring war ein Geschenk seines Förderers und Onkels, dem Kaiser Augustus im weit entfernten Rom. Erst vor einem halben Jahr hatte der Kaiser Germanicus zu sich gerufen, um ihn mit einem wichtigen Auftrag zu betrauen. Es war erst wenige Jahre her, dass Augustus in seinem Palast am Tiber verzweifelt ausgerufen hatte: „Quintilius Varus, gib mir meine Legionen zurück!“ Zwanzigtausend römische Soldaten waren durch die Truppen des Germanen Arminius getötet worden. Das römische Heer gab es daraufhin auf, Germanien erobern und besetzen zu wollen. „Germanicus, sei willkommen, es ist mir immer eine Freude, dich zu sehen und von deinen Heldentaten zu hören!“ Der siegreiche Feldherr trat auf Kaiser Augustus zu und schloss ihn in die Arme. „Onkel, ich bin dankbar, wieder in Rom sein zu können, meine Frau Agrippina wird im nächsten Jahr wieder ein Kind bekommen. Es ist schön zu wissen, dass es in Rom und nicht in der Fremde geboren wird.“ Sein Onkel schaute ihn bedauernd an: „Ich glaube, dass daraus nichts wird. Germanicus, du musst sofort aufbrechen und versuchen, die drei verlorenen Legionsadler zurückzuerobern. Germanien ist zu wichtig für uns. Wir dürfen es nicht kampflos aufgeben. Du bist der Einzige meiner Feldherren, dem ich diese heikle und gefahrenvolle Aufgabe zutraue. Nur du hast mein volles, uneingeschränktes Vertrauen. Enttäusche mich nicht, Germanicus.“ Die Legionsadler hatten eine wichtige symbolische Bedeutung für die Legionen Roms. Nur wenn alle drei zurückerobert wurden, konnte man den Soldaten das Gefühl zurückgeben, unbesiegbar zu sein. Germanicus wusste, dass er nicht widersprechen konnte und durfte. Er musste gehorchen, schließlich war er als römischer Soldat, seinem Kaiser und Onkel zur Treue verpflichtet. So brach Germanicus nur wenige Tage später mit zwanzigtausend römischen Soldaten auf, um Germanien zu erobern und Rom seine alte Stärke zurückzugeben. Seine schwangere Frau Agrippina und seine drei Kinder Gaius, Drusilla und Livilla begleiteten ihn. Agrippina würde ihr viertes Kind in der Fremde, weit weg von Rom, bekommen. Germanicus hatte für die schwangere Agrippina und ihre Kinder einen komfortablen Reisewagen anfertigen lassen, sie mussten nicht auf den gewohnten Luxus verzichten. „Vater, wann sind wir endlich da?“ Germanicus Sohn Gaius schaute seinen Vater mit großen Augen an. „Nur noch wenige Tage, Caligula, dann werden wir die Stadt erreichen, man wird uns schon erwarten.“ Gaius wurde von allen nur Caligula genannt und war der unbestrittene Liebling der Truppen. Die Soldaten hatten extra für ihn ein kleines Paar Soldatenstiefel gefertigt, die Caliga. So nannten alle den kleinen Jungen nur Caligula, „Stiefelchen“. Der Kleine trieb den ganzen Tag seinen Unfug mit den Soldaten und hatte überall freien Zugang, was der Kleine auszunutzen wusste. Sein liebster Platz war die Feldküche, in der er regelmäßig die besten Stücke von den Köchen zugeschoben bekam. Caligulas Vater Germanicus wusste, dass er einen schwierigen Auftrag zu erfüllen hatte, er wusste, dass sein Scheitern gravierende Folgen für das römische Imperium haben würde. Germanicus musste erfolgreich sein, er musste die Germanen besiegen und die Grenzen sichern. „Herr, wir werden bald die Stadt erreichen, die Soldaten freuen sich auf schöne Frauen und guten Wein!“, sprach der Centurio Plinius ihn an. „Ja, Plinius, wir hatten eine lange Reise, es wird Zeit für eine Ruhepause, bevor wir weiter in das Feindesland ziehen. Uns stehen schwere Zeiten bevor, der Kaiser setzt seine ganze Hoffnung auf uns, wir müssen die Legionsadler zurück nach Rom bringen.“ Germanicus schaute zu seinem Sohn Gaius, vielleicht würde der Junge, den alle nur Caligula nannten, einmal Kaiser des römischen Imperiums werden. „Agrippina, ich danke dir für deine Treue und deine Liebe, ohne dich wäre ich ein verlorener, einsamer Mann!“ Liebevoll schaute Germanicus auf seine hochschwangere Frau, die von zwei Soldaten in einer Sänfte getragen wurde. Um nichts in der Welt hätte Agrippina in Rom bleiben wollen, sie gehörte an die Seite ihres Mannes. Langsam bewegten sich die Truppen voran. Wie ein Lindwurm schlängelten sich die Soldaten auf die Stadt am Rhein zu. Sie mussten nur noch ein lang gestrecktes Waldgebiet durchqueren, dann hatten sie die ausgedehnte Ebene erreicht, die direkt auf die Stadt zuführte. Germanicus schaute sich besorgt um. Er wusste, dass die Germanen am liebsten aus einem Hinterhalt, im Schutze der dichten, undurchdringlichen Eichenwälder, angriffen. Es gab aber keine andere Möglichkeit als den Weg durch den unheimlichen Eichenwald zu nehmen, um auf die Ebene zu gelangen. So nahm Germanicus die Gefahr eines Angriffs in Kauf. Er hoffte, dass die Größe seines Heeres und die prächtigen Rüstungen und Waffen der Soldaten, Abschreckung genug waren. Der Weg wurde immer schmaler, zu beiden Seiten stiegen schroffe Felsen, die mit kümmerlichen Kiefern bewachsen waren, den Berg hinauf. Als gerade die Hälfte seiner Truppen diese schmale Stelle passiert hatten, begannen plötzlich große Steine auf die Soldaten herabzufallen. Genau vor Germanicus wurde ein brennender Karren auf den Weg geschoben, sodass sein Pferd scheute. Er konnte gerade noch sehen, wie ein paar dunkle Gestalten im dichten Wald verschwanden. „Wir sind in einen Hinterhalt geraten!“, schrie Germanicus, „Männer, geht in Deckung und verteidigt uns!“ Plinius ritt eilig mit ein paar Soldaten nach vorne, schnell versuchte man, den in hellen Flammen stehenden Karren beiseitezuschieben. „Soldaten, zieht den Wagen an die Seite, wir müssen den Weg freibekommen, sonst sind wir ein leichtes Ziel für die Angreifer!“ Endlich gelang es den Männern, den schweren Wagen zu bewegen und langsam an die Seite zu schieben. Inzwischen hatte auch der Steinhagel aufgehört. Viele Männer hatten Verletzungen davongetragen und einige waren sogar von den Steinen erschlagen worden. So überraschend der Angriff begonnen hatte, so schnell war er auch wieder beendet und Germanicus und sein Heer konnten unbeschadet weiterreiten. Weinend suchte der kleine Gaius Schutz und Sicherheit in den Armen seiner Mutter Agrippina. Dieser Angriff war nur ein Vorgeschmack auf die Gefahren gewesen, die hinter den Weiten des Limes im Feindesland lauerten. Germanicus dachte an die zu erwartenden Gefechte. Auf die tödliche Intrige, die in der Stadt am Rhein gegen seine Familie gesponnen wurde, war er nicht vorbereitet.