Читать книгу Kjeld und die Verschwörung des Baal - Hartmut Dyck - Страница 8

5. Kapitel Quintus, der römische Händler

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Kjeld hatte seine schwere Krankheit überstanden. Inzwischen war es Frühling geworden und die ersten warmen Sonnenstrahlen tauten den gefrorenen Boden auf. Die Ubier hatten begonnen, ihre Felder zu bestellen und Kjeld konnte seinem Vater wieder in der Schmiede helfen. Er hatte seine alte Kraft zurückerlangt und war inzwischen genauso groß wie sein Vater. Kjeld ging mit einem Eimer zum Bach, um Wasser zu schöpfen. Er beugte sich zur Quelle hinab, als sich plötzlich die Wasseroberfläche vollkommen beruhigte und er auf deren nun spiegelgleichen Fläche eine merkwürdige, verstörende Szene sah. Ein dicker kahlköpfiger Mann mit einem Messer in der Hand stand vor einem großen Opferstein, auf dem ein kleines weinendes Kind auf einem purpurroten Tuch lag. Um den Stein herum standen viele Menschen, die scheinbar verzückt ein Gebet murmelten. Kerzen beleuchteten den großen Raum und aus reich verzierten Tontöpfen stiegen langsam Dämpfe auf. Kjeld schaute gebannt auf diese Bilder, eindeutig sollte dieses Kind geopfert werden. Der dicke Mann verschwand und war nur noch schemenhaft zu erkennen, plötzlich erschien ein anderes Bild. Kjeld sah einen Jungen, der ungefähr gleichaltrig mit ihm sein musste. Er trug ein merkwürdiges, fremdartiges weißes Gewand, hatte schwarze Locken und eine dunkle Haut. Dieser Junge ging über einen Marktplatz und schaute sich Menschen an, die mit Ketten festgebunden waren. So schnell, wie die Eindrücke gekommen waren, verschwanden sie wieder und Kjeld sah nur noch sein eigenes Spiegelbild in der sprudelnden Quelle. Nachdenklich und voller Schrecken schaute er in seine blauen Augen, die ihn etwas verstört aus dem Wasser anblickten. Kjeld rieb sich mit seinem Zeigefinger und Daumen über das Kinn und berührte die kleine Narbe, die er seit seiner Kindheit hatte. Er hatte sich beim Spielen mit dem Schwert seines Vaters verletzt. Dann wischte er sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, schöpfte hastig das Wasser und lief wieder nach Hause. Sein Vater Wisgard stand in der Schmiede und bearbeitete ein rot glühendes Stück Metall, aus dem ein Schwert für die römischen Legionen werden sollte. Wisgard war für die hohe Qualität seiner Schwerter bekannt, er hatte seine Kunstfertigkeit bei den keltischen Schmieden im Süden gelernt „Vater, ich habe dir ein wenig frisches Wasser gebracht, nimm einen Schluck!“ „Danke, Junge, ich bin sehr durstig gewesen. In den nächsten Tagen wird Quintus kommen, um die fertigen Schwerter mitzunehmen, ich muss mich beeilen, um alle Schwerter noch rechtzeitig fertig zu haben.“ Die Ubier handelten regelmäßig mit den römischen Besatzern, die auf der anderen Rheinseite lebten. Die Römer hatten zwar die Germanen unterworfen, trotzdem fand aber ein regelmäßiger Austausch von Waren statt, beide Seiten profitierten voneinander. „Divide et impera“, - teile und herrsche, so lautete der Befehl des großen Augustus aus Rom und zumindest hier in dem Grenzgebiet zum nicht von den Römern unterworfenen Germanien hielt man sich daran. „Vater, ich habe wieder eine dieser merkwürdigen Visionen gehabt!", sagte Kjeld und erzählte seinem Vater davon. Wisgard wusste von Kjelds Hellsichtigkeit und er wusste auch, dass diese willkürlichen Eindrücke, die so plötzlich kamen, den Jungen erschreckten. „Mach dir keine Sorgen, vielleicht war es nur eine Nachwirkung deiner Krankheit und hat keine Bedeutung.“ Kjeld hörte die Worte seines Vaters, Glauben konnte er ihnen keinen schenken. Der Junge trat aus der Schmiede hinaus und schaute zum Himmel hinauf. Die Sonne hatte einen braunen Fleck bekommen. Sie erschien ihm wie ein Herbstapfel, der langsam zu verfaulen beginnt. Dieser dunkle Fleck auf der Sonne wurde immer größer und je größer der Fleck wurde, umso dunkler wurde es um ihn herum. „Vater, komm schnell heraus!“, rief Kjeld erschrocken. Wisgard kam aus der Schmiede gelaufen und sah zum Himmel hinauf. Er lachte laut und herzlich und beruhigte seinen Sohn: „Keine Sorge, Kjeld, das ist nur eine Finsternis der Sonne. Der Mond schiebt sich zwischen die Erde und die Sonne, daher wird es dunkel und kalt.“ Wisgard hatte schon einmal eine derartige Sonnenfinsternis gesehen, daher hatte er auch keine Furcht. Überhaupt war Wisgard ein ziemlich furchtloser Mann, der stetig Streit mit dem Druiden des Dorfes hatte. Der Druide Ansgard versuchte stets, die Bewohner des Dorfes mit allen möglichen Zaubereien zu erschrecken und seinen Einfluss zu vergrößern. Nur der Schmied ließ sich nicht einschüchtern und so waren die beiden immer wieder in einen Streit verwickelt.

Gebannt verfolgten der Schmied und sein Sohn den Fortgang der Sonnenfinsternis. Seine Mutter Landerut und die kleine Birte kamen aus dem Langhaus gelaufen und starrten wie versteinert zur Sonne hinauf. Langsam wurde die Sonne immer dunkler, bis sie fast vollständig vom Mond verdeckt war. Dann wurde es allmählich wieder hell. Zehn Minuten später schien die Sonne wieder von einem vollkommen wolkenlosen Himmel auf die Dorfbewohner hinab und diese gingen, so als sei nichts geschehen, ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Wisgard hatte gerade ein Schwert fertiggestellt und reichte es seinem Sohn mit den Worten: „Hier, Kjeld - probiere es aus!“ Kjeld nahm das Kurzschwert in die Hand und schwang es geschickt in der Luft herum. Schon früh hatte er gelernt, mit einem Schwert umzugehen und war mittlerweile ein geschickter Schwertkämpfer. Auch diese Klinge war seinem Vater perfekt gelungen. Als Kjeld abends auf seinem Strohsack lag, hatte er Zeit, über seine Visionen nachzudenken. Wer war dieser dicke Mann gewesen, der das Kind hatte töten wollen? Wer war dieser seltsame Junge gewesen, der so ganz anders als er selbst aussah und zu dem er sich doch hingezogen fühlte? Solange er auch darüber nachdachte, Kjeld fand keine Antwort, es fiel ihm schwer, in den Schlaf zu finden. Er hatte kaum eine Stunde geschlafen, als es laut an der Tür klopfte. Erschreckt fuhr der Junge von seinem Strohlager auf und schaute zum Eingang. Der Vater ging bedächtig an die schwere Eichentür, öffnete sie und schaute in die Finsternis. Aus der Dunkelheit trat der römische Händler Quintus in das Langhaus.

„Quintus, wie lange habe ich dich nicht gesehen! Komm herein und fühl dich wie zu Hause.“

Quintus war ein untersetzter, kleiner Mann, der breit über sein faltiges Gesicht strahlte. „Wisgard, alter Freund, wie geht es dir und deiner Familie?

Es war eine lange, gefahrvolle Reise bis zu euch.“ Quintus, Wisgard und der Rest der Familie nahmen vor dem Feuer Platz. Draußen heulte der Wind und der Regen schlug gegen Dach und Wände. Schnell bereitete Landerut dem römischen Händler noch eine Mahlzeit zu, die dieser dankbar und hastig verschlang. „Wisgard, wir haben unruhige Zeiten, der Kaiser in Rom hat Germanicus nach Germanien geschickt, um die drei verlorenen Legionsadler nach Rom zurückzubringen. Ich fürchte, dass es Krieg geben wird.“ Es war erst einige Jahre her, dass der römische Senator und Feldherr Sextus Varus von dem germanischen Heerführer Arminius vernichtend geschlagen wurde. Varus hatte sich noch auf dem Schlachtfeld voller Scham über diese vernichtende Niederlage in sein Schwert gestürzt und sich das Leben genommen. Seit dieser verheerenden Niederlage hatten sich die Römer hinter den Rhein zurückgezogen und begannen, die Grenzen zu sichern. Der Limes, wie die Grenze von den Römern genannt wurde, wurde stetig erweitert und strenge Kontrollen sorgten dafür, dass keine germanischen Saboteure auf römisches Gebiet gelangen konnten. „Rom hat diese Niederlage nie verkraftet, Germanicus soll noch einmal versuchen, die großen Gebiete in Germanien für den Kaiser zu erobern. Der Kaiser in Rom braucht ständig neues Geld und neue Gebiete, die er plündern kann, um sein Luxusleben fortzuführen!“, sagte Quintus und schaute Wisgard besorgt an. Aufgeregt lauschte Kjeld den erwachsenen Männern. Wie gerne wäre er dabei gewesen, wenn Germanicus mit seinen Legionen in die Stadt einziehen würde! „Wann wird Germanicus die Stadt erreichen?“, traute sich Kjeld zu fragen. „Er wird in ungefähr zwei Wochen in Oppidum Ubiorum einziehen.

Er wird begleitet von seinen Kindern und seiner schwangeren Frau Agrippina. Agrippina wird ihr Kind in der Stadt zur Welt bringen. Der Präfekt der Stadt ist schon in hellster Aufregung, er hat große Sorgen, dass etwas schiefgehen könnte.“ Das Feuer war inzwischen heruntergebrannt und es wurde Zeit, sich hinzulegen und zu schlafen. Alle waren sicher, dass man unruhigen Zeiten entgegen sehen würde.

Kjeld und die Verschwörung des Baal

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