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9. Kapitel Der Überfall

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Der Hahn krähte früh am Morgen. Langsam ging die Sonne auf und der blutrote Feuerball vertrieb allmählich die Schatten der Nacht, die wie eine bleierne Decke über den Dächern der Langhäuser ruhten. Es versprach ein schöner, freundlicher Tag zu werden. Kjeld drehte sich noch ein letztes Mal zur Seite und schaute in das fast verglühte Feuer des Herdes. Seine Mutter Landerut war bereits aufgestanden und hatte angefangen, das Frühstück für die Familie und ihren römischen Gast Quintus vorzubereiten. Da es ein besonderer Tag war - der Tag der Abreise Quintus - gab es ausnahmsweise Eier und frische Milch und nicht nur den üblichen Getreidebrei. Auch sein Vater Wisgard war bereits wach und weckte Kjeld: „Steh auf, Kjeld! Wir haben heute viel zu erledigen. Die Schwerter müssen noch einmal geschärft und dann auf Quintus Wagen verladen werden. Quintus will aufbrechen, bevor es dunkel wird.“ „Ja, Wisgard, das muss ich. In dieser Gegend streifen dunkle Gesellen herum! Die römischen Posten am Limes erzählten mir, dass in letzter Zeit viele Händler überfallen worden seien. Aber du kennst mich. Ich verstehe es, mich zu verteidigen.“ Quintus zog sein Schwert und wirbelte es geschickt in der Luft herum. Obwohl der Händler einen eher gedrungenen, dicklichen Eindruck machte, so war er doch ein geschickter Schwertkämpfer, der sich durchaus zu wehren wusste. „Vater, ich würde so gerne Quintus begleiten, ich möchte die Stadt sehen und die Gebäude, die aus Stein errichtet worden sind. Quintus sagte mir, dass die Römer fast täglich baden und dafür spezielle Häuser mit warmem und kaltem Wasser haben, bitte erlaube es mir!“ Kjeld und Wisgard mussten herzlich lachen. Auch Landerut und die kleine Birte stimmten herzlich in das Gelächter ein. In dem kleinen ubischen Dorf wurde maximal zweimal im Jahr gebadet, niemand käme auf die Idee, dass ein öfteres Reinigen der Haut sinnvoll wäre. Aber trotz ihrer angeborenen Scheu vor Wasser konnten fast alle Germanen schwimmen, was beim Fischfang sehr hilfreich war. Wisgard schüttelte seinen Kopf. Niemals würde er seinen Sohn alleine in die fremde Stadt ziehen lassen. „Nein, Kjeld, du bleibst hier, es ist auf der anderen Seite des Flusses viel zu gefährlich für dich!“ „Vater bitte!“ „Kein Wort mehr, Kjeld, du bleibst hier!“ Traurig begann Kjeld mit seinem Vater und Quintus die frisch geschliffenen, scharfen Schwerter auf den Karren zu laden. Der Händler würde für diese Kurzschwerter, die die Römer Glades nannten, einen ausgezeichneten Preis erzielen können. Auch Wisgard war mit dem Geschäft zufrieden. Er kannte Quintus schon seit vielen Jahren. Es verband die beiden eine innige Freundschaft und Wisgard wäre niemals auf die Idee gekommen, dass Quintus ihn betrügen könnte. Auch Quintus wusste, dass Wisgard ein wirklicher Freund war, ein Mann auf den er sich immer verlassen und dem er bedingungslos vertrauen konnte. Als das letzte Schwert verladen war, begann es langsam dunkel zu werden. Die Männer breiteten noch schnell eine Plane über die Schwerter und banden diese an den vier Seiten des Karrens fest. So waren die kostbaren Klingen vor der Nässe der kühlen Frühlingsnacht geschützt. „Komm, Quintus, wir trinken noch schnell ein Glas Bier zum Abschied. Kjeld, kümmere du dich in der Zwischenzeit um die Ochsen. Füttere sie und spanne sie vor den Wagen.“ „Ja, Vater, ich werde mich beeilen.“ Kjeld fütterte die Ochsen und spannte sie anschließend vor den Wagen. Anschließend wollte er in das Langhaus zu den anderen gehen, stoppte dann plötzlich, kehrte um und kletterte schnell auf den Karren und versteckte sich unter der Plane. „Ich fahre mit in die Stadt, schaue mich dort ein wenig um und fahre dann anschließend mit Quintus wieder zurück“, dachte Kjeld und hörte für einen Augenblick auf zu atmen, als er die beiden Männer zurückkehren hörte. Wisgard und Quintus umarmten sich herzlich, niemand vermisste in dem Augenblick des Abschiedes den Jungen, der unter der Plane kaum zu atmen wagte. „Quintus, fahre vorsichtig, wir sehen uns in einem halben Jahr wieder.“ „Auf Wiedersehen, Wisgard und schmiede wieder so gute Schwerter wie diese hier. Du weißt, die Römer haben einen großen Bedarf.“ Quintus trieb die Ochsen mit der Peitsche an, die sich langsam und behäbig nach vorne bewegten. Wisgard, Landerut und die kleine Birte winkten Quintus lange nach, niemand vermisste in der Aufregung des Abschieds Kjeld, der sich unter der Plane nicht atmete und bewegungslos verharrte. Quintus saß vorne auf dem Kutschbock und sang ein fröhliches Trinklied. Er war lange unterwegs gewesen und freute sich auf die Annehmlichkeiten der Stadt. Er dachte noch einmal an Wisgard und dessen Familie. Quintus wollte die Freundschaft zu diesem germanischen Schmied nicht missen. Die Schwerter waren bei den römischen Soldaten sehr beliebt, da sie eine ausgesprochen gute Qualität hatten. Quintus würde wieder einmal einen äußerst guten Preis erzielen.

Es war spät geworden. Der Händler hielt an und spannte die Ochsen aus ihren Geschirren. Zufrieden pfiff der Händler vor sich hin. Er ließ die Ochsen weiden und zündete sich ein warmes Feuer an, auf dem er ein saftiges Stück Fleisch briet. Kjeld lag unter der Plane und roch den leckeren Bratenduft, der verführerisch an ihm vorbeizog. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, denn er hatte seit dem Morgen nicht mehr gegessen. So entschied sich Kjeld, aus seinem Versteck herauszukommen, um sich Quintus zu zeigen. „Quintus, erschrick nicht, ich bin es, Kjeld!“, rief er unter der Plane hervor. Quintus zuckte kurz zusammen, lief dann um den Karren herum und riss die Plane ruckartig zur Seite. Kjeld schaute Quintus an, der vollkommen sprachlos auf den Jungen starrte: „Kjeld, was machst du denn hier, dein Vater hatte dir doch verboten, mit in die Stadt zu kommen! Komm unter der Plane hervor, aber schnell!“ Kjeld hatte Quintus noch nie so wütend gesehen und so kam er schnell und ziemlich zerknirscht unter der Plane hervor. „Quintus verzeihe mir, ich habe es nicht böse gemeint! Ich muss einfach die Stadt und die Menschen dort kennenlernen. Mein Dorf ist mir viel zu klein und eng.“ Kjeld schaute Quintus mit seinen großen, blauen Augen an und sah, dass Quintus Ärger bereits verschwand. „Tja Kjeld, jetzt wirst du wohl mit mir kommen müssen. Wir sind schon zu weit von deinem Dorf entfernt. Ich möchte aber nicht in deiner Haut stecken, wenn ich dich zurück zu deinem Vater bringe. Wisgard wird dir gehörig den Hintern versohlen. Wir müssen aber deine Eltern unbedingt darüber informieren, dass es dir gut geht. Deine Mutter bringt sich sonst vor lauter Kummer um. Komm mit an das Feuer, die Nächte sind noch ziemlich kalt! Ich möchte deinen Eltern nicht erklären müssen, dass du erfroren bist.“ Da in dem Gebiet, direkt hinter dem Limes gelegen, viele Händler unterwegs waren, konnte man sich sicher sein, dass man mindestens einen traf, der in die Nähe von Kjelds Dorf fuhr. Diesen würde Quintus bitten, Kjelds Eltern über die Unversehrtheit ihres Sohnes zu informieren. Da sich Quintus aber für den Jungen verantwortlich fühlte und nebenbei gesagt auch seine Begleitung mochte, würde er Kjeld keinem anderen Händler anvertrauen. Kjeld ging mit Quintus an das wärmende Feuer und setzte sich zu ihm. „Kjeld, hier hast du etwas Fleisch und Brot. Na ja, eigentlich müsste ich dich ja zur Strafe hungern lassen.“ Quintus hatte ein gutes, weiches Herz, sein Ärger war inzwischen restlos verflogen und so waren die beiden bald in ein fröhliches Gespräch vertieft. „Tja Kjeld, jetzt hast du dein Ziel erreicht und wirst mit in die Stadt kommen müssen. Hoffentlich wirst du nicht zu enttäuscht sein. Auch wenn du Heimweh bekommst, werde ich dich frühestens in einem halben Jahr wieder zurückbringen können.“

Kjeld schaute Quintus traurig an. Er dachte, dass er ein wenig echte Zerknirschtheit zeigen müsse, aber in Wirklichkeit freute er sich diebisch. Er hatte ein halbes Jahr Zeit, die Stadt der Römer und die Bräuche der Einwohner kennenzulernen. „Quintus, erzähle mir von den Römern! Ich bin so neugierig, die Stadt und die Gebäude zu sehen. Ich möchte in das Theater gehen und bei den Gladiatorenkämpfen zuschauen.“ Lange erzählte Quintus von den Römern und ihren Gewohnheiten.

Kjeld hörte gespannt und aufgeregt zu. Zwischendurch stellte er Fragen, die Quintus gerne ausführlich beantwortete. Langsam war das Feuer heruntergebrannt und es war Zeit schlafen zu gehen. Der Mond stand als eine große, leuchtende Scheibe am Himmel und sein mattes Licht schien auf den Jungen und den römischen Händler herab. Quintus legte noch etwas Holz auf das Feuer, das direkt schlagartig aufloderte und seine wohlige Wärme weiter ausstrahlte. Der Händler gab Kjeld eine Decke und die Zwei legten sich in ihre warmen Decken gehüllt an das knisternde Feuer. Kjeld schloss die Augen und nach kurzer Zeit war der Junge eingeschlafen. Doch sein Schlaf war nur von kurzer Dauer. Mitten in der Nacht wachte Kjeld durch laute Geräusche auf. Er sprang auf und sah, dass Quintus in einen Kampf mit einem struppig aussehenden Mann verwickelt war. „Warte Quintus, ich komme dir zu Hilfe“, schrie der Junge und lief auf den Fremden zu. Dieser hob sein Schwert und stach den durch Kjelds Rufe abgelenkten Quintus mitten in den Bauch. Der römische Händler brach leblos zusammen. „Quintus, Quintus, was hat er dir angetan!?“, verzweifelt stürzte sich der Junge auf den Mörder. Dieser drehte sich nach Kjeld um und wollte den Jungen schon angreifen, als plötzlich ein zweiter Mann Kjeld mit einer Keule auf den Kopf schlug. Der Junge brach bewusstlos zusammen. Als er wieder aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, war er an Händen und Füßen gefesselt und konnte sich nicht mehr bewegen. „Da haben wir aber einen großen Fang gemacht! Wir werden die Schwerter für einen sehr guten Preis verkaufen können. Auch für diesen germanischen Jungen werden wir viel Geld auf dem Sklavenmarkt erzielen. Heute ist unser Glückstag!“ Der struppige Mann lachte laut und der zweite Mann fiel in sein fröhliches Lachen ein. Kjeld zuckte zusammen. Er hatte von den Sklavenmärkten der Römer gehört. Die Sklaven wurden wie Vieh gehandelt, brutal geschlagen und hatten keinerlei Rechte. Kjeld wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder zu Hause zu sein. Warum hatte er nicht auf seinen Vater gehört?

Kjeld und die Verschwörung des Baal

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