Читать книгу Kjeld und die Verschwörung des Baal - Hartmut Dyck - Страница 7
4. Kapitel Die Strafarbeit
ОглавлениеAigidios lief schnell durch die engen Straßen der ehemaligen Militärstadt Oppidum Ubiorum. Die Stadt hatte sich von einem reinen Militärstandort zu einer florierenden Handelsstadt entwickelt, die ihre Waren in das ganze römische Imperium exportierte. Nur durch Zufall war Aigidios in die Versammlung der Sekte geraten und jetzt hatte er es sehr eilig, nach Hause zu kommen. Er passierte den Sklavenmarkt, auf dem während des Tages Sklaven aus dem ganzen Imperium verkauft wurden. Aber jetzt stand der Mond am Himmel und der Markt war verlassen, nur einige auffällig geschminkte Frauen boten ihre nächtlichen Dienste an. In der Ferne sah man die fast fertige Wasserleitung, welche die schnell wachsende Stadt mit frischem Eifelwasser versorgen sollte. Aigidios erreichte das Haus seines Herren Flavius, das erst vor Kurzem fertigstellt worden war. Flavius war früher selbst Sklave gewesen, der seinen Lebensunterhalt als Gladiator verdient hatte. Nach fünfundsechzig gewonnen Kämpfen wurde ihm die Freiheit geschenkt. Flavius betrieb nun in der aufblühenden Stadt eine erfolgreiche Gladiatorenschule und zusätzlich handelte er mit Bernstein, den er von dem Meer im Norden geliefert bekam und bis nach Ägypten weiterverkaufte. Dort wurde der Bernstein den Pharaonen mit in das Grab gelegt. Die Priester nannten den honigfarbenen Stein ehrfurchtsvoll, Tränen der Götter. Bei einem seiner Kämpfe hatte der bärenstarke Mann ein Auge verloren, dass er jetzt durch einen wertvoll geschliffenen Bernstein ersetzt hatte. Flavius hatte Aigidios in Griechenland gekauft und mit in die Provinz Germanien genommen, der gebildete Grieche kümmerte sich um Flavius Buchführung, denn der ehemalige Gladiator konnte nicht schreiben. Flavius war bärenstark, hatte aber ein weiches, gutes Herz und liebte den jungen Sklaven Aigidios, der immer wieder über die Stränge schlug, wie seinen eigenen Sohn. Schnell lief Aigidios durch die Gartenpforte zum Haus und fiel plötzlich und unerwartet der Länge nach hin. Irgendjemand hatte einen Draht über den Weg gespannt, den Aigidios in seiner Eile nicht gesehen hatte. Laut ertönte eine kleine Glocke, die am Ende des Drahtes angebunden war und schnell kam der Hausverwalter Lucullus herbei geeilt. „Ach, Aigidios, kommst du auch noch einmal nach Hause, hast du dich wieder ohne Erlaubnis in der Stadt herumgetrieben? Du weißt doch, dass du Hausarrest hast!“ Aigidios hatte am frühen Morgen zwei Schinken aus der Speisekammer gestohlen, die er unter den Armen verteilen wollte, leider war er dabei erwischt worden und hatte nun Hausarrest. „Ich werde mir die richtige Strafe für dich und dein freches Verhalten ausdenken.“ Aigidios wurde angst und bange, denn er wusste, dass Lucullus ihn nicht mochte und jede Gelegenheit nutzte, um ihn zu bestrafen, aber jetzt hatte Aigidios Angst, dass er Stockhiebe bekommen würde. Bedrückt ging der junge Grieche zu Bett. „Ich bin es ja selber schuld, warum kann ich nicht einmal gehorchen?!“, dachte Aigidios, „jetzt wird mich selbst der Herr nicht mehr beschützen und morgen wird Lucullus meinen Rücken grün und blau schlagen.“ Beunruhigt versuchte der Junge, einzuschlafen. Zwei Stunden wälzte er sich immer noch unruhig hin und her, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Immer wieder dachte er an Lucullus und die zu erwartende Strafe. Es war dumm gewesen, das Haus gegen das Verbot seines Herren zu verlassen, aber eine innere Unruhe trieb den Jungen immer wieder zu neuen Abenteuern. Es war nur Zufall gewesen, dass er dem fremden, seltsamen Mann gefolgt war, - Aigidios war einfach nur neugierig und gespannt gewesen, wohin der Fremde wohl ging. Erschreckt hatte er der Zeremonie gefolgt und fragte sich ratlos, was er tun konnte, um das Kind zu schützen. Leider wusste er ja noch nicht einmal, wer dieses Kind überhaupt war, das getötet werden sollte. Ratlos drehte sich Aigidios zur Seite und schlief endlich ein.
„Guten Morgen Herr, hast du gehört, dass die Aquädukte bald fertig sein werden und dass dann alle Häuser der Reichen an die Wasserversorgung angeschlossen werden sollen?“, fragte Lucullus seinen Herren, „Wir müssen zusehen, dass wir unsere Sickergrube noch einmal leeren, damit wir dann gleichzeitig an den Abwasserkanal angeschlossen werden können.“ Lucullus warf einen schadenfrohen Blick auf Aigidios, der gerade mit einem Stapel Dokumenten in den Armen den Raum betrat. „Ich glaube, dass Aigidios diese Aufgabe sehr gerne übernimmt.“ Wenn sein Vergehen vom Vortag nicht ans Licht kommen sollte, müsste Aigidios schweigen, denn er wusste, dass Flavius Ungehorsam nicht duldete. Flavius wunderte sich ein wenig über die Arbeitsbereitschaft und Schweigsamkeit seines jungen Sklaven, denn so sehr er ihn auch mochte, wusste er doch, dass Aigidios nicht der fleißigste war und auch dazu neigte, seinen Anweisungen nicht zu gehorchen. „Natürlich werde ich die Sickergrube gerne säubern“, bestätigte Aigidios und verließ mit einem zerknirschten Gesicht den Raum. Ein wenig hilflos und verlassen stand Aigidios vor der großen Sickergrube, in der neben den Abwassern des Hauses auch die Küchenabfälle entsorgt wurden. Ein ekliger, widerlicher Geruch stieg aus dem Loch heraus und der Junge wusste, dass er nach getaner Arbeit noch drei Tage stinken würde. Etwas unsicher und ohne große Lust stand Aigidios mit einem Eimer in der Hand da, als der Nachbarsjunge Silvius Plutus fröhlich kauend um die Ecke kam. „Guten Morgen, Aigidios, was hast du denn heute vor, hat man dich zum Kloreiniger befördert?", lachte Silvius, „Aigidios, bist du unter die Straßenkehrer gegangen, pass auf, dass deine Kleidung nicht schmutzig wird, du stinkst sonst wie ein Schwein!" Schon wollte Silvius weitergehen, um den anderen Jungen zu erzählen, was Aigidios für eine üble, schmutzige Tätigkeit zu verrichten hatte, als Aigidios ihn fröhlich ansprach: „Guten Morgen Silvius, meinem Herren ist gestern Abend nach dem Besuch in der Taverne ein Beutel mit einhundert Sesterzen in die Sickergrube gefallen, ich habe jetzt die Aufgabe, den Beutel zu suchen. Wenn ich ihn wiederfinde, darf ich die Hälfte behalten, ich finde, dafür kann man ruhig ein paar Tage streng riechen. Pecunia non volet! Geld stinkt nicht!"
Silvius blieb erstaunt stehen. Fünfzig Sesterzen waren eine Menge Geld, ein einfacher Arbeiter konnte davon mehr als ein Jahr gut leben. Silvius runzelte nachdenklich seine Stirn.
„Hör mal Aigidios, für einen kleinen Anteil an den Sesterzen könnte ich dir doch helfen, zu zweit geht die Arbeit doch viel schneller vorbei!"
„Nein, Silvius, das geht nicht, mein Herr vertraut mir voll uns ganz, ich glaube nicht, dass er es gut finden würde, wenn du mir hilfst“, erklärte der junge Grieche dem kleinen, dicklichen Jungen. „Sei doch nicht so! - Flavius ist doch in seiner Gladiatorenschule, er wird bestimmt nichts merken", bettelte Silvius, „auch Lucullus ist mit der Köchin auf dem Markt, niemand merkt etwas, wenn ich dir helfe." „Na gut, Silvius, du darfst mir helfen, aber du musst alleine arbeiten, ich möchte nicht, dass mein Herr uns zusammen sieht. Ich gehe so lange in die Stadt." Aigidios nahm Silvius das Brot aus der Hand und lief fröhlich kauend davon. Als er sich noch einmal umschaute, sah er, dass der gierige Silvius mit dem Eimer in der Hand hinab in die Jauchegrube stieg. Aigidios wusste, dass der dicke, unbewegliche Silvius mindestens zwei Stunden beschäftigt sein würde, bis die Jauchegrube komplett leer wäre. So hatte es der junge Grieche nicht eilig. Gemütlich schlenderte er durch die schnell wachsende Stadt. Überall wurde gebaut, gerade war ein großes Amphitheater fertiggestellt worden, das direkt an dem großen Fluss, den die Römer Rhenus nannten, lag. Von dort hatte man einen herrlichen Blick über die weitläufige Landschaft.
Aigidios sah, dass die öffentlichen Latrinen sehr gut angenommen wurden, viele Menschen saßen auf den Marmorbänken und unterhielten sich angeregt. Nach verrichtetem Geschäft wurden die menschlichen Exkremente einfach in den großen Fluss gespült. „Salve Marius, ich hoffe, es geht dir gut.“ Der angesprochene Junge stand in der Nähe der Latrinen und kippte gerade einen Eimer mit Wasser aus. „Danke Aigidios, ich bin froh, dass die Tage wärmer werden, so wird die Arbeit erträglicher.“ „Ich freue mich für dich.“ Lachend ging Aigidios weiter. Marius war ein sogenannter Warmsitzer. Er hatte die Aufgabe, den Latrinensitz seines Herren am frühen Morgen warm zu sitzen, damit sein Herr sein Geschäft mit einem warmen Hintern verrichten konnte. Für Marius war diese Arbeit gerade im Winter fast unerträglich. Er hatte schon so manche Frostbeule davon getragen. Aber heute war ein warmer, freundlicher Frühlingstag und Marius musste nicht frieren. Aigidios ging weiter und richtete nachdenklich seinen Blick zur Sonne empor. Er schaute, zögerte und erschrak. Langsam schob sich ein dunkler Schatten wie ein Vorhang vor die Sonne.