Читать книгу DEIN SEIN, GUT SEIN, ICH SEIN, SEIN - Hazel - Страница 13
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Unser Vater hielt es oft nicht für nötig heimzukommen. Und irgendwann geschah es. Wir wurden aus dem Schlaf gerissen, es folgten Schreie und lautes Hin- und Hergelaufe, immer wieder an meinem Bett vorbei. Schließlich kam meine Mutter mit einem großen Topf kochendem Wasser und schüttete dieses über meinen Vater ins Bett.
Warum? Er war nach Hause gekommen, übersät mit Knutschflecken und anderem!
Meine Oma stand oben im Flur und schrie. Sie rief uns zu sich, aber meine Schwester konnte sich nicht bewegen, ich musste lange auf sie einreden, bis sie mit mir kam.
Oma war mit unserer Mutter und meinem Onkel aus ihrem Zuhause im Sudetenland vertrieben worden. Unser Opa war in Gefangenschaft bei den Russen gewesen. Er schlief in einer eigenen Kammer, weil er es so wollte. Mein Opa war geprägt von dieser Zeit. Er konnte nur arbeiten für seine Familie und sagte nie viel zu uns, doch wenn er was sagte, war es für alle im Haus Gesetz. Ich denke, er hat im Krieg seine Seele verloren. Er konnte es nicht zeigen, aber ich fühlte mich geliebt von ihm.
In jener Nacht kam er aus seiner Kammer und ich fühlte mich gemeinsam mit meiner Schwester bei unseren Großeltern sicher.
Ein weiteres Mal kam er nachts aus seiner Kammer und da wurde es für meine Mutter sehr schmerzhaft. Mein Vater war unterwegs, er fuhr Taxi und ich wusste, er würde mir aus Polen Lutscher mit Blumen darauf mitbringen.
Außerdem wartete ich auf seine Frage, ob es mir gut gehe. Im Klartext: „Ist es zum Aushalten?“
Die Antwort war stets: „Natürlich“, denn ich wollte ihm keine Sorgen machen.
An jenem Abend hörte ich eine Männerstimme aus dem Wohnzimmer und meinte zu meiner Schwester: „Das ist aber nicht Papa!“
„Na und?“, war ihre Antwort.
„Ich will das nicht“, rief ich, nahm allen Mut zusammen und ging hinaus.
Als meine Mutter mich entdeckte, forderte sie: „Scher dich bloß fort in dein Bett oder noch besser in das Bett deines Vaters!“
Das war meine Strafe für ein Fehlverhalten. Das Bett meines Vaters roch nach Zigaretten, Benzin, Schweiß und Mann. Es war wirklich unangenehm, nein, vielmehr war es die Höchststrafe für mich.
„Ich will nicht, dass der Mann hier ist, er soll weggehen.“ Ich ahnte, dass dies der Mann war, bei dem sie so glücklich war. Sein Gesicht kannte ich, er besaß Ponys, von denen mir eines mal auf dem Fuß gestanden war, während die beiden sich hinter einem Busch geküsst hatten.
Ich musste wohl gehorchen, aber schlafen konnte ich nicht. Als die Tür ging, wusste ich sofort, dass Papa nach Hause kam. Prompt begannen alle, wild herumzuschreien, während ich versuchte, mit meiner Schwester durch den Flur an ihnen vorbeizukommen. Es ging nicht, weil Papa wütend auf den anderen Mann einschlug und ihn zur Eingangstür hinausprügelte.
Opa war inzwischen zum zweiten Mal aus seiner Kammer gekommen und schlug unsere Mutter zusammen. Meine Schwester riss sich los und wollte ihre Mama retten. Sie schrie so furchtbar laut.
Ich stürzte eine Treppe tiefer und sperrte mich in der Toilette ein. Aus all meinen Körperöffnungen entleerte ich mich. Dann weiß ich nichts mehr, bis mein Vater klopfte und sagte: „Es ist gut, komm doch raus!“
Tage- beziehungsweise wochenlang trug meine Mutter eine Brille, ihr Gesicht war nicht wiederzuerkennen.
Ich musste anschließend an diese Szene die Erfahrung machen: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe! Aus meiner heutigen Sicht weiß ich, bei Mama und diesem Mann war es die große Liebe. Später haben sie sogar geheiratet und noch später waren sie wieder geschieden. Selbst heute können sie nicht voneinander lassen, 50 Jahre später!
Sie wollte immer vorbildlich und angepasst sein, ebenso wie ihre Eltern in ihrer neuen Heimat.
Nur für wen? Status, Geld, Urlaub, Haus oder Auto? Ja, das besaßen wir alles. Meine Freundinnen beneideten mich um meine tollen Klamotten. Immer das Neueste und Schönste! Für wen?
Ich begann, meine Hosen zu zerschneiden und die viel zu großen Hemden meines Vaters zu tragen. Meine Freundinnen freuten sich darüber, denn sie zogen von da an meine Sachen an. Natürlich flog es auf und wir wurden bestraft. Hausarrest für mich, Hausverbot für meine Freundinnen. Manchmal wurde zwei oder drei Tage gar nicht mit mir geredet. Gut für meine Schwester, denn dann hatte sie ihre Mama ganz für sich. Sie nähten gemeinsam Sachen und standen vor dem Spiegel.