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8.

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Du wirst noch eine Weile ausharren müssen, Nixe.« Mit Leichtigkeit hatte Wulf sich ebenfalls in den Sattel geschwungen.

Robyn hörte seine Worte kaum. Sie krallte sich an seinem Umhang fest, musste sich an ihn lehnen, um wieder Herr über den Schmerz zu werden. Er ließ sie gewähren und zügelte das Pferd, das wie er nach Hause drängte.

Nach einer Weile entkrampfte Robyn ihre Hände. Wieder hatte der Schmerz nachgelassen. Sie würde in den nächsten Tagen versuchen, sich weniger abrupt zu bewegen. Sie öffnete die Augen, ohne ihren Kopf zu heben, und betrachtete in der Dunkelheit die Häuser der Nordmenschen. Einfache Häuser, aber stabil und dem Wetter trotzend. Manchmal schlich ein Schatten um sie, doch sie war sich nicht sicher, ob sie Mensch oder Tier beobachtete. Die Abstände der Häuser wurden größer, umso dichter die Bäume wuchsen. Sie hatten den Wald erreicht, der sie mit unheimlicher Stille empfing, nur das Stapfen des Pferdes war zu hören. Dann aber sah Robyn wieder Schatten, hinter den Bäumen. Diesmal glaubte sie zu irren.

»Wachen«, meinte ihr Retter, der ihrem Blick gefolgt war, »die uns vor unseren eigenen Leuten schützen sollen. Vor jenen, die dich raubten.«

Robyn verstand noch immer nicht, was hier vorging. Befanden sich die Nordmenschen im Zwist mit ihresgleichen? Mit anderen Nordmenschen, die einmal zu ihnen gehört hatten? Einen anderen König hatten? Der kinderlos war? Der verstoßen worden war? Von jenem Rotschopf, dem sie misstraute?

Es verging einige Zeit. Zeit, die Robyn an ihrem Retter lehnte. Ihrem Ehemann. Sie würde keine Sklavin sein. Er hatte sein Versprechen gehalten. Aber sie würde die Frau eines zornigen Mannes werden. Dem eine Frau aufgezwungen worden war. Und nun eine zweite. Und sie wäre die Frau eines Mannes, der Anspruch auf den Thron hatte. Einen Thron, den er nicht haben wollte. Genauso wenig haben wollte wie sie als Ehefrau.

Begriff sie überhaupt, was passiert war? Wie konnte sie? Sie saß fast gelassen vor ihm auf dem Pferd, ihr Kopf Halt suchend an ihm, ihre Hände in seinen Mantel verschlungen. Was würde er tun, wenn sie in seinem Haus ankamen? Würde er sie schlagen? Ihr Gewalt antun? Oder sie ignorieren?

Ein Ruck ging durch den Pferdekörper.

»Pass auf.« Er ließ sie zuerst vom Pferd heruntergleiten. Sie hielt sich an der Mähne fest und sah sich um. Das Haus auf der anderen Seite des Pferdes war fast zugeschneit. Um es herum standen Tannen, die ihre schneebedeckten Zweige tief hängen ließen. Weitere Häuser konnte Robyn in der Nähe nicht ausmachen, der Weg vor ihr führte weiter in den Wald hinein. Weit konnte sie jedoch nicht sehen, die Dunkelheit und mit ihr der helle Schnee verschluckten Formen und Bewegungen.

Ihr Retter nahm das Pferd nicht wie erwartet mit zum Haus. Er wies es an, zu verweilen, was das mächtige Tier ohne Ungeduld akzeptierte. Jemand hatte scheinbar den Weg zum Haus etwas geräumt. Sie erreichten die Tür mühelos, Wulf schob sie auf, trat zuerst ein und wartete, dass sie ihm folgte.

Robyn war überrascht. Wärme stieg ihr entgegen. Das leichte Glühen der Feuerstelle strahlte noch genügend Wärme aus, um sie selbst an der Tür zu spüren. Doch das Haus war leer. Als hätten Geister gewirkt, um es wohnlich zu machen.

Wulf legte ohne Verzug etwas Holz nach und ging dann im Raum umher. Robyn verfolgte sein Tun. Er schüttete Wasser aus einem Eimer in einen Topf, den er ins Feuer stellte. Auf seinem Lager rechts türmten sich Felle und Decken, säuberlich gelegt, desgleichen Kleidung, von der er ein Hemd hervorzog, um es auf die Bank neben dem Feuer zu legen. Dann schritt er hinter das Feuer auf den Tisch zu. Dort lagen einige Bündel, die er kontrollierte. Dann sah Robyn, dass er Met in ein Horn einschenkte und damit auf sie zukam. Er überragte sie um mindestens einen Kopf, doch sie erwiderte seinen Blick furchtlos.

»Es ist Brauch, dass Mann und Frau am Tage ihrer Hochzeit aus einem Horn trinken.« Er gab ihr das Horn in die Hand. »Trink, Nixe. Auch diesem Ritual müssen wir uns beugen.«

Robyn setzte an, vorsichtig, um keine Schmerzen auszulösen, nahm jedoch einen tiefen Schluck und schloss die Augen, da sie plötzlich Durst und Hunger verspürte. Der Met verteilte sich angenehm auf ihrer Zunge. Dem Anlass zum Trotz trank sie einen weiteren langen Schluck und gab ihm dann das Horn. Wulf beendete den Brauch und leerte das Horn. Dann sah er hinab auf seine Frau.

Robyn spürte plötzlich seine Hand. Sie umfasste ihr Kinn, hob es langsam zu ihm empor, als wisse er, dass ihr jede schnelle Bewegung weh getan hätte. Eine Ewigkeit blickte er sie an, intensiv und konzentriert. Dann kehrte die Bitterkeit in sein Gesicht zurück.

»Wasch dich, wenn dir danach ist. Zumindest trockne dich. Zieh das Hemd dort an, Kleidung werde ich dir noch beschaffen. Essen, etwas Brot und getrocknete Beeren sind auf dem Tisch. Sieh zu, dass das Feuer nicht ausgeht. Leg noch etwas Holz nach und dann schlaf. Du siehst aus, als hättest du es nötig. Ich bin bald zurück. Warte nicht, geh schlafen.«

Robyn erwartete, dass er sie loslassen würde, doch stattdessen siegte etwas anderes in ihm, nur für einen Augenblick. Er beugte sich gefährlich nahe zu ihr, sie konnte den Met in seinem Atem riechen.

»Nicht Sklavin wirst du sein«, wiederholte er sein Versprechen.

Robyn schreckte zurück, als er versuchte, sie zu küssen. Es war die erste bewusste Abneigung, die sie ihm offenbarte. Sie machte sich von seiner Hand los, von seiner Nähe.

»Schon gut, Nixe«, meinte er, »ich hatte es nicht anders erwartet. Schlaf gut.«

Er ging ohne ein weiteres Wort. Robyn stand da, ließ die Zeit verstreichen. Zuerst zuckten ihre Schultern, dann ihr Unterleib, dann sie. Im Schein des wärmenden Feuers stöhnte sie auf, vor Schmerz, Verzweiflung, Ungewissheit. Plötzlich war die Wärme nicht wohltuend, nicht mehr lindernd. Sie schrie auf, als sie zurück ins Freie trat hin zu einer aufgetürmten Schneewehe. Sie sank auf die Knie, drückte Schnee auf ihre linke Gesichtshälfte, bedeckte ihr Ohr damit. Ihr Aufstöhnen hallte durch den Wald, doch sie hörte es nicht, zuckte nach einer Weile nur noch unter ihren Weinkrämpfen, die nicht allein ihr Ohr verursachte.

Wulf wusste das. Er saß im Wald verborgen auf seinem Pferd, hatte auf eine Reaktion gewartet, eine Flucht vielleicht. Doch sie dachte nicht an Flucht, sie betäubte dort ihren Schmerz, jenen offensichtlichen und jenen, den sie ihm vorhin eingestanden hatte. Keine Sklavin. Ehefrau. Verurteilt zu leben. Etwas, das sie nicht gewollt hatte.

Er betrachtete ihren Kampf.

Zumindest darin sind wir uns einig, Nixe, dachte er. Keiner von uns beiden will dieses Leben.

Er wartete bis sie wieder nach drinnen ging, sicher war, dass sie die Tür verschloss und nicht daran dachte zu erfrieren. Sie würde weiterkämpfen.

Im Schatten des Wolfes

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