Читать книгу Sinfonie der Herzen - Heidi Dahlsen - Страница 9

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Am Samstag früh fragt Jenny bei ihren Stiefgroßeltern nach, ob jemand Lust hätte, ein Stück mit dem Baby spazieren zu fahren.

Opa Wolfgang schnappt sich den Hund und los geht es.

Sie plaudern ausgelassen. Jenny erzählt Neuigkeiten aus dem Tierheim, die Opa Wolfgang so gern hört, die ihn im Nachhinein allerdings meistens schockieren.

„Weißt du, Opa Wolfgang, ich habe Doktor Dilling gefragt, wie er damit umgeht, wenn Tierhalter … sagen wir mal … unabsichtlich ihre Tiere falsch behandeln? Ich will ja nicht jedem Menschen Absicht unterstellen. Es gibt so viele Bücher, in denen man nachlesen kann. Zu den meisten Problemen gibt es Foren im Internet … ich verstehe es nicht. Er meinte, dass er schon lange nicht mehr darüber nachdenkt. Wenn ihm ein Tier vorgestellt wird, schaut er es sich an, überlegt, wie er helfen kann und spricht dies mit dem jeweiligen Halter ab. Jeder muss dann selbst entscheiden, wie weit die Behandlung gehen soll. Manchmal sind es finanzielle Belastungen, die sie nicht übernehmen können. Dann behandelt er sie gratis, nur um zu helfen. Öfter müssen schwerkranke Tiere unnütz leiden, weil Herrchen und Frauchen nicht loslassen und sich trennen können. Viele haben ja nur ein Haustier und Angst vor der Einsamkeit. Für ein neues Tier sind sie wegen ihrer Trauer noch nicht bereit. Notfalls äußert Doktor Dilling seine Bedenken, wenn es wirklich sehr schlimm ist. Er setzt sich sehr für seine Patienten ein. Am Mittwoch kam eine Familie mit einem Schäferhund, der wegen Atemnot vorgestellt wurde. Gut, er lebt am Tag im Zwinger, weil er das Grundstück nachts bewachen soll. Er hat also nicht so engen Kontakt zu seinem Halter. An seinem Hals leuchtete ein Tennisball großer Tumor, der nicht zu übersehen war. Das Halsband schnürte bereits ein. Doktor Dilling blieb ruhig, wies auf das Geschwür hin. Worauf die Leute schockiert waren und meinten, dass das erst in den letzten Tagen entstanden sein muss, sonst hätten sie es bemerkt und wären eher gekommen. Mit solchen Ausflüchten müssen wir leben. Oft kommen Hunde, weil sie Gift geschluckt haben, egal ob es am Wegesrand lag, oder über den Zaun geworfen wurde. Es ist schlimm, denn die Tiere leiden sehr. Viele ziehen sich zurück, sodass der Halter es erst spät bemerkt, meistens zu spät. Dann kann der Doktor sie nur noch erlösen. Die Täter bleiben unerkannt und kommen ohne Strafe davon.“

„Das ist traurig.“

„Hmmm. Eine kleine Bulldogge wurde als Notfall eingeliefert. Sie war heiß und zu Besuch bei einer Familie mit unkastriertem Riesenschnauzer. Sie wurde von ihm gedeckt, weil Frauchen davon ausgegangen war, dass das Höschen, das sie trug, genug Verhütungsschutz wäre. Das ist eben die Blödheit der Menschen und die Tiere müssen leiden. Die kleine Hündin musste innerlich mit mehreren Stichen genäht werden und hat nun Panik, wenn sie schwarze Hunde bloß von Weitem sieht.“

„Oh Jenny. Wie gehst du mit den unschönen Dingen um? Das muss dich doch belasten.“

„Ich mache es wie Doktor Dilling. Klappt unterdessen ganz gut.“

Auf dem Vorplatz des Friedhofes angekommen, bleibt Jenny plötzlich stehen und tippt Opa Wolfgang an. Nun wird er auch auf Juttas Mutter aufmerksam. Jenny sieht, dass ihre Oma, die eben ihr Fahrrad vom Schloss befreit, sie mit zusammengekniffenen Augen beobachtet.

Opa Wolfgang winkt und grüßt höflich. „Guten Morgen, Frau Schubert. Schön, dass wir Sie treffen.“

Sie dreht sich jedoch weg und ignoriert ihn. Das lässt er nicht auf sich sitzen. Jenny greift nach seinem Ärmel und will ihn zurückhalten. „Lass, es hat doch sowieso keinen Sinn.“

„Das werden wir sehen.“ Er greift zum Kinderwagen und schiebt diesen mit Jenny im Schlepptau zum Friedhofseingang.

„Bleiben Sie mir vom Leib“, zischt Jennys Oma.

„Siehst du, sie will nicht.“ Jenny will schleunigst verschwinden.

Opa Wolfgang stellt sich in den Weg, sodass das Fahrrad nicht vorbeigeschoben werden kann.

„Halt, Frau Schubert“, ruft er. „Sie haben noch nicht einmal ihre kleine Enkelin begutachtet. Wenn sie es nicht freiwillig tun, dann muss ich sie eben zu ihrem Glück zwingen.“

„Ha!!! Ich lasse mich zu nichts zwingen. Gehen Sie mir aus dem Weg.“

„Nur ein Blick. Ich verspreche Ihnen, dass Ihr Herz erweicht wird.“

Jenny schaut ihn skeptisch an und lacht leise höhnisch auf.

„Bringen Sie der Brut meiner Tochter erst mal Manieren bei, danach können Sie mich noch mal ansprechen. Und nun gehen Sie mir aus dem Weg, sonst …“

„Was sonst …?“, fragt Jenny wütend. „Willst du die Polizei rufen? Die werden entsetzt sein über eine Oma ohne Herz. Die ihren Enkelinnen nicht die kleinste Chance gibt.“

„Was geht dich das an?“, zischt die verbitterte Frau.

„Ich bin deine Enkelin, falls du das vergessen hast. Und das Baby hier“, sie zeigt in den Wagen, „das süße Baby auch“.

Jenny ist in ihrer Wut immer lauter geworden. Nun zupft Opa Wolfgang sie am Ärmel und sagt: „Jenny hat recht. Die Kleine ist neun Monate alt und Sie haben sie noch nicht einmal gesehen.“

„Wir verschwinden erst, wenn du dir die Kleine angesehen hast!“, sagt Jenny, die nun auch darauf beharrt, ihre Oma zu ihrem Glück zu zwingen.

„Niemals!!! Bleibt mir endlich vom Hals mit der Brut meiner Tochter. Schlimm genug, dass ich die aufziehen musste. Nichts als Ärger hat die mir gemacht!!!“

„Weißt du eigentlich, wie sehr Mama darunter leidet, dass du so kalt und unnahbar bist?“

„Dann soll sie mal darüber nachdenken, warum.“

„Das macht sie ständig. Du bist zu keinem Gespräch bereit und gibst ihr keine Chance. Sie will nur ein normales Familienleben. Das ist mit dir nicht möglich.“

„Mit mir nicht??? Nein???!!! Wer wohnt denn bei euch? Der da und seine Frau“, sie zeigt mit zitternder Hand auf Opa Wolfgang. „Die heißgeliebten Ersatzgroßeltern, die nicht mal verwandt mit dir sind. Das sind Fremde, die mir vorgezogen werden. Ich hätte ein Recht darauf bei euch zu wohnen. Stattdessen lasst ihr mich allein in meinem Haus mit all der Arbeit und den Problemen. Das Dach stürzt mir bald über dem Kopf zusammen, aber das ist euch doch egal.“

Frau Schubert rammt ihr Fahrrad kräftig in den Kinderwagen, um sich gewaltsam den Weg freizumachen. Jenny stemmt sich dagegen.

„Erst mal muss ich dich berichtigen, denn Mama und ich, wir wohnen bei Markus und seinen Eltern in deren Haus. Und zum anderen, wir sind dir oft genug freundlich entgegengekommen.“

Opa Wolfgang nickt. „Das kann ich bestätigen, ich war meistens dabei.“

„Halten Sie sich doch raus, Sie unmögliche Person. Immerzu mischen Sie sich ein. Klingeln an meiner Tür und wollen mich belästigen.“

„Nun halten Sie aber mal die Luft an. Ich wollte Sie von der Geburt ihrer Enkelin in Kenntnis setzen. Ihnen somit freundlich einen Schritt entgegen gehen.“

„Ha!!! Wer´s glaubt? Lassen Sie mich jetzt durch, sonst rufe ich wirklich die Polizei. Sie nötigen mich hier zu Gesprächen und Blicken, die ich nicht will. Niemals! Haben Sie das verstanden?“ Nun bemerken sie, dass einige Passanten bereits stehen geblieben sind. Sie lacht höhnisch und ergänzt: „Zeugen stehen ja genug hier rum. Jenny, hast du nun erreicht was du wolltest, mich in der Öffentlichkeit bloß stellen und schlecht machen? Und Sie alle …“, wendet sie sich an die Menschen, „haben Sie nichts Besseres zu tun? Kümmern Sie sich doch um Ihre eigene Brut.“

Opa Wolfgang zieht Jenny sanft aus dem Weg. „Komm, hier ist Hopfen und Malz verloren. Es hat wirklich keinen Sinn. Lassen wir uns den schönen Spaziergang doch nicht von so einer unzufriedenen, unverbesserlichen Frau verderben.“ Er sieht, dass Jenny Tränen die Wangen runter laufen und reicht ihr ein Taschentuch. „Nun weine doch nicht. Du weißt doch wie sie ist. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich es eben das allerletzte Mal versucht habe.“

Jenny seufzt. „Ich weiß, dass du es gut gemeint hast. Es tut mir nur leid um Natalie. Sie wird ihre Oma nie kennenlernen.“

„Willst du ihr so eine Oma etwa zumuten?“, fragt er entsetzt. „Oder glaubst du bei ihr noch ans Gute im Menschen?“

„Ich weiß auch nicht. Man soll doch die Hoffnung nie aufgeben. Zum Glück hat Natalie wenigstens euch … und ich auch“, ergänzt sie, als ihr auch die Verwandtschaft ihres Vaters in den Sinn kommt. „Warum sind manche Menschen so schlecht?“

Opa Wolfgang zuckt mit den Schultern. „Das weiß ich auch nicht. Solche Fragen kann dir Oma Anni bestens beantworten. Wir fragen sie nachher einfach mal. Lass uns nach Hause fahren und all das Schöne genießen, was wir haben.“

Sinfonie der Herzen

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