Читать книгу Die Nymphomanin - Heidi Hollmann - Страница 7
Das Teufelsding
ОглавлениеElvira dachte:“ Du bist offensichtlich schwachsinnig!“ Wenn man ihren Intelligenzgrad an der Fähigkeit mit technischen Dingen umzugehen, messen würde, wäre sie absolut eine Niete gewesen.
Ihr passierten Dinge in der Praxis, die andere noch nicht einmal theoretisch in Erwägung gezogen hätten. Neulich beim Geburtstag ihres Mannes hatten alle draußen gesessen.
Elvira wurde von ihrer Tochter nach der Uhrzeit gefragt. Es war schon dämmrig. Elvira drückte auf irgendeine Taste ihrer Armbanduhr, worauf hinter ihr eine grelle Lampe aufleuchtete.
Keiner wunderte sich, bis man feststellte, dass der Bewegungsmelder des gegenüberliegenden Nachbarn für das helle Licht verantwortlich war. Eine Katze war vermutlich dort entlang geschlichen.
Elvira traute man eben alles zu.
Kurze Zeit darauf bekam sie von ihrer Tochter einen Knirps geschenkt. Sie lehnte dankend ab und wies auf ihre Unfähigkeit hin, damit umgehen zu können. „Der ist nun wirklich idiotensicher, Mama,“ bekam sie zu hören, was sie aber nicht überzeugte.
Das Osterfest nahte. Elvira war so richtig glücklich, einen riesigen Strauß aus Kirschzweigen mit bunten selbstausgepusteten und gefärbten Eiern geschmückt zu haben. Ja, zu so etwas hatte sie Muße. Sie konnte allerdings auch nicht viel falsch machen dabei.
Sie betrachtete ihr Werk und glaubte, ihrer Tochter eine Freude machen zu müssen. Sie schnitt am Baum fünf Zweige ab, die mindestens zwei Meter lang waren.
Natürlich passten sie nicht in den Kofferraum, so dass sie sich entschloss, zu Fuß den Weg in die Stadt anzutreten.
Der Himmel wurde zusehends schwärzer, jeden Augenblick musste ein Regenschauer niederprasseln. Elvira entsann sich des Schirmgeschenkes.
„Du brauchst nur auf den roten Knopf zu drücken, Mama“, hatte sie noch Ritas Worte im Ohr.
Gesagt getan, und siehe da, das Ding öffnete sich mit einem Ruck.
Stolz ging Elvira mit den unter ihrem linken Arm eingeklemmten Zweigen, in die Stadt. Den Schirm hielt sie in der Rechten.
Sie vermied, mit ihrem sperrigen Gut den unteren Westenhellweg entlang zu laufen, wegen der vielen Fußgänger. Sie nahm den Weg über die Kampstraße.
Bei Deko Buschmann sah sie im Schaufenster einen niedlichen Osterhasen aus Terrakotta liegen. Den wollte sie der Helferin schenken, die ihretwegen so manches Mal länger in der Praxis geblieben war. Elvira drückte abermals auf den roten Knopf. „Na, so was,“ dachte sie, „wieso schließt sich das verdammte Ding nicht?“ Sie versuchte es noch einige Male.
Sie riss und drückte an dem Teil. Es schob sich zusammen, um im gleichen Moment wieder in die alte Lage zu schnellen.
Mittlerweile waren die Zweige unter ihrem Arm auf den Boden gefallen. Den Schirm in der Rechten, kauerte sie in einem leichten Spagat auf dem Boden. Mit der Linken klaubte sie die Zweige auf und verlor dabei ihr Gleichgewicht. Ihr inneres Auge gab ihre Situation wieder. Sie hockte da wie eine Seiltänzerin.
Als sie sich aufrichtete, war ihr klar. „Du musst den geöffneten Schirm mit in den Laden nehmen.“ Die Tür war eng, also brachte Elvira den Schirm in die Senkrechte und der Einstieg klappte.
Im Laden fragte eine Verkäuferin:“ Kann ich Ihnen helfen?“
Elvira hätte am liebsten gesagt:„ Ja, gerne, halten Sie bitte für einen Moment meinen Schirm hier!“
Statt dessen fragte sie nach dem Preis des Hasen. Die Verkäuferin verkniff sich ein Lachen. „Fünfunddreißigneunzig“ sagte sie und entfernte sich. Elvira murmelte etwas von zu teuer und verließ den Laden, wozu sie wiederum den Schirm absenken musste.
Sie brauchte nur noch die Straßenbahnschienen zu überqueren, um ihr Ziel zu erreichen. Am Haus Nr. 41 trat sie ohne Schwierigkeiten mit ihrem Parapluie durch die große Eingangstür. Auch die Aufzugtür war erfreulich breit.
Mit der Nasenspitze berührte sie den Knopf zur siebten Etage.
Die breite Praxistür bereitete ihr auch keine Schwierigkeiten.
Sie durchschritt mit geöffnetem Schirm den langen Gang in Richtung Rezeption.
„Wegen der Zweige konnte ich den Knirps bisher nicht schließen,“ sagte sie entschuldigend in Richtung der Helferin. „Soll ich Ihnen die Zweige abnehmen, Frau Herlemann?“ „Ach nehmen sie mir doch bitte lieber den Schirm ab, mit den Zweigen komme ich schon klar,“ sagte sie wahrheitsgemäß. Die Hilfsbereite versuchte den Teufelsding zu schließen. Auch ihr misslang es, was Elvira euphorisch stimmte. Kam sie sich nicht alleine so dämlich vor.
In dem Moment öffnete sich die Tür eines der Sprechzimmer und ihre Tochter kam heraus. Sie hatte schon immer einen analytischen Blick und wusste sofort, was los war.
Sie sah ihre Mutter an, schüttelte mit dem Kopf und sagte zu der Helferin:
„ Claudia, geben Sie mir mal das Ungetüm!“
Mit ihrer linken Hand umfasste sie den Knirps, hielt ihn in Bauchnabelhöhe vor sich. Mit der Innenfläche ihrer rechten Hand schlug sie kurz einmal auf die abgeflachte Spitze. Es machte „Klack“ und schon schnappte die Arretierung ein.
„So macht man das Mama,“ sagte die Tochter vorwurfsvoll und verdrehte die Augen.
„Komm mal mit!“ Im Aufenthaltsraum musste Elvira beweisen, dass sie den Regenschutz ohne jede fremde Hilfe schließen konnte. Der Sicherheit wegen sogar mehrmals. Allerdings ist nicht sicher, ob Elvira nach dem nächsten Gebrauch dieses Teils damit fertig werden wird.