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Die Fahrt nach Lion
ОглавлениеZehn Jahre später .
Zehn Jahre nach dem schweren Brand auf dem ehemaligen elterlichen Hof macht HP zum ersten Mal wieder Urlaub außerhalb seines Heimatortes.
Mit seinem Bruder und dessen Familie.
In der Zeit, in der er sein Studium absolvierte, war HP zwar auch nur selten zu Hause, aber als Urlaub betrachtete er diese Zeit auf gar keinen Fall.
Nicht, dass er bis dahin nicht auch mal weggewesen wäre. Nein, das kann man so nicht sagen, nur einen Urlaub hat er seit Jahren nicht mehr gemacht.
Er hat sein Abitur mit Bravour bestanden, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Danach absolvierte er anfangs in Deutschland und später in Paris ein Studium zum Wirtschaftsingenieur.
Zudem hatte HP schon vor dem Abschluss des Studiums eine kleine Firma in Südfrankreich gekauft, die eigentlich geschlossen werden sollte.
Der Vorbesitzer war damit fast pleite gegangen, da er den Wandel der Zeit einfach nicht mitbekommen hatte. Der kleine Betrieb war nicht an die neuen Anforderungen angepasst und verlor somit den Anschluss an die Konkurrenz.
Bei dem Urlaub, der nach Lyon geht, sind sein Bruder Klaus, seine Schwägerin Julia, sein Neffe Thomas, und Malis, seine Nichte, die während der Brandkatastrophe vor zehn Jahren noch nicht geboren war, mit dabei.
Sein Bruder hat auf der Rhône ein Hausboot, das genug Platz für alle bietet, selbst für HP, der immer noch ein wenig gehandicapt ist, da er sich ohne Gehhilfe noch nicht richtig fortbewegen kann.
Das Packen des Fahrzeugs ist für Klaus und Julia schon eine Herausforderung, denn dieses Mal müssen sie ja auch noch den Koffer von HP im Kleinbus verstauen. Nicht, dass da nicht genug Platz in dem Kleinbus – einem VW 2T – wäre, wenn man mal von den ganzen zusätzlichen Sportgeräten, die die Kinder mitnehmen wollen, absieht.
Daher muss Klaus in diesem Jahr für den Urlaub die Dachträger aufbauen.
Das kleine Kanu, das er sonst eigentlich immer in den Innenraum geschoben hat, muss er dieses Mal aufs Dach packen.
Schließlich ist nicht nur ein Koffer mehr da, sondern auch eine Person mehr, die einen Teil des Platzes für das Kanu einnimmt.
Es dauert fast zwei Stunden, bis Klaus und Julia alles in den Kleinbus geräumt haben.
Es hätte mit Sicherheit schnellergehen können, wenn nicht HP und die Kinder so viel rumgealbert hätten und ihnen die Kinder nicht ständig zwischen den Füßen herumgewuselt wären.
Doch bei dem schönen Wetter kann man die Kinder nicht ruhig halten, und HP kümmert sich darum, dass die Kleinen ihren Eltern nicht zu sehr auf die Nerven gehen.
Julia meint im Anschluss zu HP: „Ich möchte auch noch mal so unbeschwert herumtollen können. Manchmal habe ich das Gefühl, dass du nie erwachsen werden willst. Vor allen Dingen nicht, seitdem du wieder anfängst zu laufen und du dann auch noch mit den Kindern herumtollst.“
Nicht, dass sie das schlecht fände, dass er wieder zu laufen anfinge, ganz im Gegenteil.
Aber Julia ist auch der Meinung, dass ihm ein klein wenig mehr Ernsthaftigkeit bei der Sache guttun würde, als sie endlich fertig sind und losfahren wollen.
HPs Antwort darauf ist lediglich, dass sie ihn doch lassen solle.
Denn er selbst findet es nicht schlimm, ganz im Gegenteil. Er ist sichtlich froh, dass er endlich wieder zumindest etwas laufen kann und dadurch mit den Kindern mehr unternehmen kann, ohne diesen blöden Rollstuhl.
Julia schüttelt nur den Kopf, obwohl sie HP nur zu gut versteht.
Sie fordert danach alle auf, endlich einzusteigen, damit sie losfahren können.
Kaum sind alle eingestiegen, Klaus will gerade losfahren, fängt Marlis schon an zu schreien.
„Ich muss ganz dringend auf die Toilette, sonst mache ich gleich in mein Höschen.“
Klaus bremst sofort wieder ab mit der Bemerkung, dass die Fahrt in die Ferien ja schon gut anfinge.
Julia schnappt sich Malis, eilt mit ihr noch einmal in das Haus und setzt sie dort auf die Toilette.
Es dauert fast zehn Minuten, bis die beiden wieder aus dem Haus kommen und im Auto sitzen.
Sie fahren gerade mal eineinhalb Stunden, bevor das erste der Kinder anfängt zu quengeln, weil sie immer noch nicht am Boot angekommen seien. Als Nächstes haben die Kinder auch noch Hunger.
„Ihr habt doch gerade erst gefrühstückt. Wie könnt ihr jetzt schon wieder Hunger haben?“ fragt HP.
Julia schüttelt resigniert den Kopf.
Sie kommentiert die Quengelei mit den Worten: „Die haben nicht gefrühstückt. Die waren viel zu aufgeregt heute Morgen.“
Klaus bleibt also nichts anderes übrig, als am nächstmöglichen Parkplatz anzuhalten.
Für solche Zwecke packt Julia immer einen Picknickkorb, da sie ihre Kinder kennt und sie diese Tour nicht zum ersten Mal machen.
Es ist wie immer – die Kinder können keine fünf Minuten ruhig sitzen, sie toben in der Gegend herum, und so dauert die kleine Pause schon länger als dreißig Minuten.
HP fragt nach einer Weile seinen Bruder, wie lange die Pause noch dauern wird. Er macht sich nämlich Gedanken über die Ankunftszeit und meint, dass es nicht zu spät werden darf, da sie ja noch Proviant für das Boot einkaufen müssen, wie sie ihm erklärt hatten.
Klaus erklärt HP, dass er die Kinder erst noch etwas herumtollen ließe, da er dann die vage Hoffnung habe, dass die Zwerge für die nächsten drei bis vier Stunden Ruhe gäben, da sie dann müde seien.
Julia ist diesbezüglich aber ganz anderer Meinung, da sie ihre zwei besser kennt. Sie will ihm aber wohl nicht schon jetzt die Hoffnung rauben, dass sie mal für drei bis vier Stunden Ruhe geben würden.
Klaus soll aber recht behalten. Die Kinder sind erst einmal ruhig, aber nach zwei weiteren Stunde über die französischen Nationalstraßen meldet plötzlich Julia das dringende Bedürfnis an, auf die Toilette zu müssen.
Klaus sieht seine Frau entgeistert an und meint zu ihr, dass das jetzt nicht ihr Ernst sei.
Julia bekommt fast ein schlechtes Gewissen, aber sie muss nun einmal dringend.
HP bemerkt sofort, dass Julia gerade etwas verlegen und beschämt ist, da ausgerechnet sie es jetzt ist, wegen der die Fahrt unterbrochen werden muss. Aber in dem Kleinbus gibt es nun mal keine Toilette.
Zur Ehrenrettung meint HP aber, dass er eigentlich auch mal auf die Toilette müsse und dass sie diesen Stopp gut nützen könnten, damit alle mal kurz auf die Toilette gehen und sich ein wenig die Beine vertreten könnten.
Ihm jedenfalls würde das sehr entgegenkommen, da er seinen Beinen etwas Bewegung verschaffen müsse.
Klaus hält also an dem nächstmöglichen Parkplatz an, auf dem es auch eine Toilette gibt.
Natürlich bewirkt das auch, dass ihre gesamte Fahrzeit wieder um eine halbe Stunde verlängert wird, zumindest theoretisch.
Nachdem alle auf der Toilette waren und sie sich ein wenig die Beine vertreten haben, was bei den Kindern immer bedeutet, in der Gegend herumzutollen, setzen sie die Fahrt in Richtung Lyon fort.
Nach einer Weile meint Klaus zu HP, dass seine Frage von vorhin jetzt langsam an Bedeutung gewinnen würde.
HP weiß nicht so recht, worauf sein Bruder hinauswill.
Ihm fällt nämlich gerade nicht ein, von welcher Frage er redet, da er mit den Kindern ein Quartettspiel spielt.
Klaus meint die Frage, ob sie es noch schaffen werden, rechtzeitig in Lyon anzukommen, um den Proviant für das Boot dort zu kaufen.
Sie sind nämlich schon wieder fast zweieinhalb Stunden gefahren, und der Verkehr wird immer dichter. Somit kommen sie nur noch recht langsam voran.
„Wenn das mit dem Verkehr hier so weitergeht, dann brauchen wir bestimmt noch drei bis vier Stunden. Wir sind jetzt schon fast sieben Stunden unterwegs und haben noch knapp einhundertfünfzig Kilometer vor uns“, sagt Klaus.
HP schüttelt nur den Kopf, da er sowieso nicht versteht, warum sie nur über Nationalstraßen fahren und nicht auch über die Autobahn.
Der aufkommende Verkehr trägt natürlich zu der immer schlechteren Laune von Klaus bei.
Der mault über jeden Autofahrer, der ihn an einer zügigen Fahrt hindert.
„Das ist dann nicht zu ändern. Dann gehen wir heute Abend eben essen und morgen früh auch, und anschließend einkaufen“, meint HP.
„Das werden wir wohl so machen müssen“, wirft Julia ein. „Wir werden dadurch nur leider fast einen ganzen Tag verlieren. Mit den beiden Kindern einkaufen, das kann dauern. Es gibt dort eine Menge Dinge, die sie bei uns nicht bekommen, und sie wollen dann immer alles haben. Aber morgen frühstücken, das machen wir auf dem Boot. Dafür habe ich noch genug dabei, da ich alles aus dem Kühlschrank mitgenommen habe, damit es nicht verdirbt.“
„Dann können wir das doch so machen“, meint HP. „Ich passe auf die Kinder auf dem Boot auf und ihr geht allein in die Stadt, um die Einkäufe zu erledigen.“
Julia ist nicht ganz so begeistert von dem Vorschlag.
Sie meint nämlich, dass er die Rhône nicht kenne und er müsse ihr daher in die Hand versprechen, dass sie keinen Unfug auf dem Boot machen werden.
HP schaut sie vorwurfsvoll an und meint etwas oberlehrerhaft, dass er die Rhône wohl kenne, denn soweit kann er sich schon wieder erinnern, dass er hier schon mal einen Jungen aus dem Wasser gerettet habe. Er wisse, wie gefährlich es sei, wenn man den Fluss unterschätzen würde.
Julia sieht ihn etwas fragend an, stimmt aber nach einem kurzen Moment zu.
Sie kann sich noch vage daran erinnern, dass da mal was war, als er vor dem Brand mit Onkel Peter die Fahrradtour nach Frankreich gemacht hat.
Zudem will HP sich mit den Kindern hinsetzen und einen Plan ausarbeiten, wo sie anhalten können, um sich die Gegend oder einzelne Orte anzuschauen, hat er ihr versprochen.
Auf beziehungsweise in das Wasser ginge er ohne Klaus oder sie sowieso nicht, erklärte er ihr auch noch.
Das sei ihm alles noch zu unsicher, da er noch nicht zu einhundert Prozent wieder fit wäre, meint HP auch noch.
Dass das eine gute Idee sei, bemerkt Klaus nebenbei, obwohl er sich mehr auf die Straße konzentriert als auf die Unterhaltung im Kleinbus und dabei einige Male laut flucht.
„Aber das eine sage ich dir“, meint Julia. „Das Kanu bleibt auf dem Boot, auch wenn die Kinder quengeln. Das dürfen die Kinder nur mit Klaus zusammen nutzen.“
Julia hat, was Wasser anbelangt immer ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit, vor allem auf die der Kinder.