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Der erste Tag der Rhône-Tour

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Die ersten anstrengenden Ausflüge.

Klaus macht das Boot startklar.

Er startet den Motor und freut sich mit einem Jubel, dass es auf Anhieb anspringt. HP denkt sich, dass das wohl nicht immer der Fall ist, und Klaus gibt die Anweisung, die Bugleine zu lösen.

Nachdem diese gelöst ist, drückt er mithilfe des Bugstrahlruders, das er sich vor einem Jahr neu hat einbauen lassen, den Bug des Boots von der Mauer, an der es liegt, ab.

Nun gibt er die Anweisung, auch die Heckleine zu lösen, und er manövriert das Boot langsam aber sicher von den anderen Booten weg in das Fahrwasser, wobei er es flussaufwärts in Richtung Villeurbanne steuerte.

Thomas und Malis, die mal wieder Galionsfigur spielen, drehen sich direkt um und rufen ihrem Vater empört zu, dass er in die falsche Richtung fährt.

„Wie kommt ihr darauf?“, ruft Klaus zurück.

HP, der neben seinem Bruder steht meint, dass er mit den Kindern eine Tour ausgearbeitet habe, wie er bestimmt noch wisse.

Diese führe sie aber zuerst einmal flussabwärts.

Klaus sieht seinen Bruder etwas verwirrt an und meint, dass sie doch sonst immer flussaufwärts fahren würden.

Da kämen sie heute im Laufe des Tages an mehreren größeren Wasserflächen, die Seen ähnlich seien, vorbei, erklärt er HP.

HP schüttelt den Kopf und gibt nicht nach, wobei er zu seinem Bruder sagt, dass der Plan aber eigentlich flussabwärts sei.

„So habe ich es mit den Kindern ausgearbeitet, und so solltest du auch fahren.

Schließlich haben Julia und du das befürwortet, dass wir den Plan für die Tour ausarbeiten. Und du kannst den Kindern jetzt nicht sagen, dass dein Wort nicht mehr gilt. Wenn du ein gutes Vorbild für die Kinder abgeben willst, dann musst du dich jetzt an Absprachen halten.“

Julia, die das Gespräch mit HP und Klaus mitbekommen hat, muss schmunzeln, da Klaus HPs Argument in dem Moment nicht zu kommentieren weiß. Was sowieso nur selten vorkommt, wenn HP so argumentiert.

Klaus wendet das Boot, murmelt etwas vor sich hin und die Fahrt geht mit gedrosseltem Motor nun flussabwärts weiter.

Die Kinder jubeln direkt, als sie bemerken, dass ihr Vater das Boot wendet, und sehen ihren Vater mit strahlenden Augen an.

Klaus entschuldigt sich bei den Kindern direkt und meint zu ihnen: „Ich habe die ausgearbeitete Tour noch nicht gesehen, daher kann ich nicht wissen, dass es diesmal flussabwärts geht.“

Thomas und Malis laufen vom Bug aus direkt nach hinten und verschwinden unter Deck.

Einen kurzen Moment später kommen beide wieder nach oben und geben ihrem Vater den Tourplan, den sie zusammen mit HP ausgearbeitet haben.

„Also machen wir unseren ersten Stopp schon bei Grigny, das direkt unterhalb der Île de la Table Ronde liegt“, meint Klaus daraufhin.

„Danach soll es weiter nach Givors gehen, und bei Loire-sur-Rhône wollen wir dann unsere erste Übernachtung machen.“

„Okay“, meint Klaus. „Das für heute habe ich mir gemerkt, den Rest werde ich mir später durchlesen.“

In Grigny angekommen, machen sie das Boot in der Nähe des Bahnhofs am Ufer fest und erkunden zusammen den Ort.

Mit HP geht das Ganze allerdings etwas langsamer, da er mit seinen Krücken, die er immer noch benötigt nicht so schnell ist, wie er sich selbst das wünschen würde, was aber niemanden wirklich stört.

HP muss aber der Lauflust der Kinder gegenüber aufgeben und lässt sich nach knapp fünfundvierzig Minuten mit einem Taxi, das er anhält, wieder zum Boot zurückbringen.

So viel und so weit, das schafft er einfach noch nicht an einem Stück.

Es ist gegen ein Uhr, als alle wieder von dem Ausflug zurück an Bord sind.

An dem Tag ist es recht warm, von daher braucht jeder erst einmal eine Pause von dem Landausflug und vor allem eine kalte Limonade, die HP schon vorbereitet hat.

Er serviert jedem ein großes Glas davon und gibt noch ein paar Eiswürfel hinein, damit die Limonade etwas kälter erscheint, als sie in Wirklichkeit ist.

HP will dann von den Kindern wissen, was sie noch alles Interessante im Ort gesehen haben und ob sie auch alles fotografiert haben, damit sie nach den Ferien ein schönes Fotoalbum davon machen können.

Die Kinder erzählen und erzählen.

Sie finden überhaupt kein Ende, da sie wollen, dass HP, der ja nicht überall mit dabei war, sich wenigstens in Gedanken ein Bild von allem machen kann.

Nach dem sich alle etwas Ruhe angetan haben meint Klaus, dass es Zeit sei, weiterzufahren, um noch etwas von Givors zu sehen.

Thomas und Julia gehen zur Heck- und Bugleine, lösen diese nach Aufforderung von Klaus und rollen die Taue ordentlich zusammen, so wie sie es von Klaus und Julia gezeigt bekommen haben.

Danach übergibt Klaus das Steuer an Julia und macht das Kanu startklar.

Er hat es während der Besichtigung von Grigny den Kindern versprochen, dass sie damit ins Wasser dürfen.

Als alle soweit sind, stoppt Julia das Boot, sodass es sich trotz der Strömung nicht vom Fleck bewegt.

Sie hat dafür, den Wählhebel des Motors auf rückwärtsfahrt gestellt und gibt nur so viel Schub auf jede der Schiffsschrauben, dass es weder rückwärts fährt, noch durch die Strömung vorwärtstreibt.

Erst als Klaus und die Kinder im Kanu sitzen und sich von der Bordwand abgestoßen haben, lässt Julia das Boot weiterfahren und legt dazu, den Schalthebel des Motors wieder auf vorwärtsfahrt um.

Sie gibt danach auch nur so viel Schub auf die Schrauben mit dem Gashebel, dass „Der Graf“, so hieß ihr Boot, noch zu manövrieren ist, ohne dem Kanu davonzufahren.

Klaus und die Kinder paddeln derweil mit dem Kanu ganz dicht am Ufer entlang und scheuchen einige Vögel und Enten auf, die sich in der Uferbewachsung verstecken oder nisten.

Nur die Schwäne, die sie kurz vor Givors auf dem Wasser antreffen passieren sie in gebührendem Abstand.

Aus leidiger Erfahrung wissen sie, dass diese ganz schön angriffslustig werden, wenn sie sich oder ihre Jungen in Gefahr wähnen.

Und die Schnäbel könnten einen böse verletzen.

Kurz vor Givors fordert Julia ihren Mann auf, mit den Kindern wieder an Bord zu kommen, da sie Givors bald erreichen werden.

Sie stoppt das Boot auf und übergibt HP das Steuer. Zuvor hat sie ihm ausführlich alles erklärt, und er durfte auch ausprobieren, wie das Boot und worauf es reagiert.

HP schafft es zwar, das Boot so zu halten, dass es weder flussabwärts fährt noch flussaufwärts, aber so ruhig wie Julia kann er das Boot nun doch nicht auf dem Punkt halten.

Julia hilft derweilen ihrem Mann und den Kindern aus dem Kanu.

Danach hebt Klaus das Kanu wieder aus dem Wasser und legt es in die Halterung an Deck, die sie eigens dafür angebracht haben.

„Das hast du gut gemacht“, meint Klaus daraufhin zu HP, der inzwischen schon Schweißperlen auf der Stirn hat und den Schalthebel des Motors von rückwärtsfahrt wieder auf vorwärtsfahrt umgelegt hat und das Boot weiter flussabwärts in Richtung Givors steuert.

„Das nächste Mal werden wir dir beibringen, wie man das Boot an einen Anleger steuert, um es festzumachen“, meint Klaus zu seinem Bruder.

„Das lass mal schön bleiben“, kommt als Antwort von HP.

Er meint nämlich, dass er gerade einmal in der Lage dazu sei, das Boot auf dem Punkt zu halten und vorwärtszufahren, das wäre dann aber auch schon alles.

Man kann HP ansehen, dass ihm bei der Idee seines Bruders nicht wohl ist.

Thomas und Malis stellen sich in dem Augenblick neben HP und strahlen ihn mit einem frechen Lächeln an.

HP hat eine böse Vorahnung, als er die beiden so neben sich sieht.

Kurz darauf meint Malis altklug zu ihrem Onkel: „Das bekommst du schon hin, schließlich können wir das sogar.“

Damit ist ihm klar, dass seine Befürchtungen gerade wahr werden.

„Ihr seid ja auch schon öfter auf dem Boot gewesen und hattet mehr Zeit, euch mit dem Boot und wie es reagiert vertrautzumachen“, erwidert HP.

Klaus ist bereits an der Heckleine und Julia an der Bugleine, um das Boot festzumachen.

„Thomas, wir werden hier am Ufer des alten Stadtviertels festmachen!“, ruft Klaus seinem Sohn zu.

„Okay“, kommt als Antwort von Thomas zurück.

In dem Moment fangen Malis und Thomas an, HP genau zu erklären, was er nun zu tun hat.

Sie sagen ihm, wann er Fahrt aus dem Boot nehmen muss und als HP der Meinung ist, dass sie eigentlich schon am alten Stadtviertel vorbei seien, erklären ihm die Kinder, dass er jetzt das Boot wenden müsse, damit der Bug flussaufwärts läge, da dann nicht so viel Druck auf den Tauen sei, wenn sie es festgemacht haben.

Malis meint, er solle das Boot doch endlich nach Steuerbord wenden.

HP fängt daraufhin an, hektisch an dem Ruder zu drehen, und in dem Moment kommt sowohl von Klaus als auch von den Kindern ein lauter Aufschrei.

„Nach Steuerbord und nicht nach Backbord!“

HP dreht daraufhin das Steuerrad so schnell er nur kann in die entgegengesetzte Richtung.

„Kann man mir auch vorher sagen, was was ist“, meint er etwas genervt.

„Und warum sagt ihr nicht einfach links oder rechts? Das würde wenigstens jeder verstehen“, will er wissen.

Malis meint aber recht klugscheißerisch zu ihrem Onkel, dass man das nun mal so auf einem Boot macht.

Und außerdem sollte das zur Allgemeinbildung zählen, so hat es zu mindestens ihre Klassenlehrerin gesagt, denn die wisse das auch, meint Malis, immer noch neunmalklug, obendrauf.

HP schüttelt den Kopf und denkt darüber nach, von wem die kleine Kröte das nur hat. Klaus und Julia sind jedenfalls nicht so schlagfertig.

Nach fast fünfzehn Minuten haben sie es geschafft, und das Boot ist fest vertäut am Ufer. HP kann endlich den Motor ausschalten und das Steuer verlassen, was er auch schweißgebadet macht.

„Na, das ging doch prima“, meint Klaus zu ihm mit einem Grinsen im Gesicht. „Und dazu hattest du ja auch tatkräftige Unterstützung von den Kindern.“

„Mir ist ja wohl nichts anderes übriggeblieben, als auf die zu hören. Aber unbedingt darauf verlassen, das möchte ich mich nicht immer, bei dem, was die zwei da so von sich geben“, erklärt HP seinem Bruder.

„Oh, das kannst du schon“, versucht Klaus, ihn zu beruhigen.

Klaus meint auch, dass beim Schleusen immer eines der Kinder das Ruder bediene, da sie nicht genug Kraft für die Taue hätten, um das Boot während der Schleusung in der richtigen Position zu halten.

„Die zwei haben das Boot bald besser im Griff als Julia oder ich“, ergänzt Klaus noch.

„Das ist wie mit dem Traktor fahren“, kommt dabei von Julia aus dem Hintergrund.

„Da wart ihr als Kinder auch schon besser und hattet die Traktoren richtig gut im Griff, und das wesentlich besser als eure Eltern. Und da wart ihr auch mal gerade elf und sechzehn Jahre alt.“

Plötzlich ist es still, und man könnte hören, wenn eine Stecknadel an Bord auf die Planken fiele.

Julia bemerkt sofort, dass sie gerade wieder etwas gesagt hat, über das Klaus und HP nicht reden mögen, egal, in welcher Art und Weise.

Obwohl HP selbst weniger Probleme damit zu haben scheint, im Gegensatz zu Klaus.

Es liegt wohl daran, dass HP nicht mehr so sehr daran denkt, da er mit seinem Schicksal genug zu bewältigen hat.

Es ist so etwas wie ein Tabuthema bei den beiden.

Julia geht nicht weiter darauf ein, da sie der Meinung ist, dass sie das Ganze endlich mal akzeptieren müssten und es als gottgegeben hinnehmen sollten.

Aber Klaus kann nicht wirklich damit abschließen und seinen Frieden damit machen.

HP hingegen hat eher ein Problem mit gottgegeben und sich im Laufe der Zeit von der Kirche abgewandt, da er nicht akzeptieren konnte, wie Gott das gewollt haben sollte, dass die Eltern auf so eine Weise sterben mussten.

So kommt es auch, dass der Landausflug in Givors in einer etwas gedrückten Stimmung angegangen wird.

Den Kindern ist das völlig egal. Sie bemerken nicht einmal, dass ihr Onkel und ihr Vater gerade nicht gut drauf sind.

Diese sind von der alten Kirche im Ort dermaßen begeistert, dass sie die ganze Zeit, bis sie wieder am Boot ankommen, von nichts anderem sprechen.

Es ist mittlerweile kurz vor siebzehn Uhr und sie wollen noch bis Loire-sur-Rhône fahren, da man dort besser festmachen kann für eine Übernachtung.

Also beeilen sie sich.

Sie legen schnell mit dem Boot in Givors ab und nehmen etwas mehr Fahrt Richtung Loire-sur-Rhône auf.

Klaus fährt so schnell, damit sie vor sechs Uhr dort ankommen, um noch einen guten Liegeplatz zu ergattern.

Was ihn allerdings verwundert ist die Tatsache, dass so gut wie kein Boot an den dafür vorgesehenen Liegeplätzen liegt.

Anscheinend sind alle durchgefahren bis Verenay, um die dortige Schleuse noch zu passieren.

Aber dazu ist Klaus an diesem Tag absolut nicht mehr in der Lage, vor allem, nachdem er wieder an seine Eltern erinnert wurde.

Julia versucht das kleine Missgeschick, das ihr mit der Erwähnung der Eltern unterlaufen ist mit einem üppigen Abendessen in Vergessenheit zu bringen.

Die Kinder freuen sich riesig über das Essen, aber sie würden sich an dem Tag, an dem sie so viel herumgelaufen sind vermutlich über jedes Essen hermachen, Hauptsache, es machte satt.

Aber auch HP lobt das Essen, da es etwas gibt, dass er sich selbst nie zubereiten würde. Es bedeutet ihm immer zu viel Arbeit, wenn er es für sich selbst zubereiten soll.

Am nächsten Morgen sind es die Kinder, die zuerst wach werden und schon durch das Boot tollen.

HP ist sich nicht im Klaren darüber, ob man sich hier an Bord waschen muss oder ob man dafür auch an Land gehen kann wie in Lyon, da es dort so etwas wie ein Sozialgebäude gibt.

Also fragt er kurzerhand die Kinder, nachdem auch er aufgestanden ist, da die ihm als erste vor die Füße laufen.

Die erklären ihm, dass so etwas nur in Hafenbereichen vorhanden sei, in großen Städten gäbe es so etwas auch schon mal und an Schleusen.

Also gäbe es so etwas hier nicht, will er von den Kindern wissen, die ihm das mit einem klaren Nein beantworten.

HP will daraufhin in die kleine Duschkabine an Bord und holt seine Kulturtasche und sein Handtuch aus seiner Kabine.

Als er jedoch den Türdrücker betätigt, erklingt aus der Duschkabine nur ein lautes „Besetzt!“

In dem Moment steht auch Klaus auf, sieht HP und schüttelt den Kopf.

„Ich werde jetzt erst einmal mit dem Frühstück anfangen und es vorbereiten, denn das kann jetzt noch dauern“, meint Klaus zu HP.

„Da hätten wir schneller sein müssen als Julia.“

HP versteht, was Klaus ihm damit zu sagen versucht.

Er geht daher auch in den Salon und deckt schon einmal den Tisch, während Klaus den Kaffee aufbrüht und die Frühstückseier abkocht.

Dann reicht Klaus HP einige Sachen herüber, die er schon mal auf den Tisch stellen soll.

Der Schicksals Sommer

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