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In den nächsten zwei Wochen stellt sich heraus, was Rita unter einem sozialen Engagement versteht. Sie leistet meinem Vater, auf seine Kosten, zwei bis dreimal pro Woche beim Mittagessen Gesellschaft. Das ist alles. Gelegentlich kommt sie etwas früher und Vater nimmt sie an den Stammtisch im Bären mit. Er ist felsenfest von seinem neuen Glück überzeugt und bemerkt nicht, wie sich die anderen verlegen abwenden, wenn Rita sich an ihn schmiegt. Sie brachte Vater dazu, zum Mittagessen das Lokal zu wechseln. Nicht weil sie das Getuschel im Bären stört, dagegen ist sie immun. Sie hat den noblen ‚Riederhof‘ mit seiner Fünfsterneküche entdeckt und will so viel wie möglich für sich herausholen. Das Gasthaus ist in einer alten Villa, nicht weit vom Dorfzentrum entfernt, am Rande eines Parks zu finden. Der Name rührt von einem Sumpfgebiet mit Schilfrohr und Riedergras her, was es hier gab, bevor das Land bebaut wurde.

An ‚ritafreien‘ Tagen, nimmt Vater das Mittagessen weiterhin im Bären ein, weil er sich in diesem Personenkreis wohler fühlt. Er ist ein langsamer Esser, der minutenlang die klein geschnittenen Bissen von einem Tellerrand zum anderen schiebt, bevor er sie auf die Gabel und in den Mund steckt und widmet dem abschließenden Kaffee locker noch einmal eine Stunde. Will man mit ihm zusammen Essen, dauert es mindestens zwei Stunden und weil er viel Zeit hat, dehnt er es meistens auf drei Stunden aus. Niemand von uns kann es sich erlauben, unter der Woche so lange vom Arbeitsplatz weg zu bleiben. Wir sind Vaters Esskultur von jeher gewohnt, als Kinder durften wir erst vom Tisch aufstehen, wenn er mit dem Essen fertig war, aber für Drittpersonen ist es bestimmt kein Vergnügen, so lange neben ihm auszuharren. Es ist mir ein Rätsel, wie Rita die Zeit findet, fünf und mehr Stunden am Tag nur für Vater aufzuwenden. Und das zwei bis drei Mal in der Woche. Zeit, die sie in meinen Augen besser in Arbeit investieren würde, damit sie ihre Schulden tilgen kann. Auf einer Einkaufstour mit Vater frage ich ihn danach.

»Sie arbeitet in der Nacht. Stell dir vor, nach der Nachtarbeit schläft sie ein paar Stunden und fährt danach eine volle Stunde hierher, nur um bei mir zu sein. Sie liebt mich sehr, sonst würde sie das nicht auf sich nehmen.«

»Du trägst etwas dick auf. Sie lässt sich auf deine Kosten verpflegen, das ist alles.«

»Es ist nicht mehr als Recht, wenn ich sie einlade, schließlich nimmt sie einen langen Anfahrtsweg in Kauf.«

Niemand von uns kam je zu dieser Ehre. Damit erinnert er mich an die Geschichte mit dem verlorenen Sohn. Ein Vater hatte zwei Söhne. Einer zog in die Welt hinaus und kehrte nach vielen Jahren wieder nach Hause zurück. Der Vater organisierte und veranstaltete für die Rückkehr dieses Weltenbummlers ein großes Fest, während er für den anderen Sohn, der bei ihm geblieben ist und ihm bei der Bewirtschaftung des Hofes half, noch nie ein Fest ausgerichtet hat. Als Kinder haben wir mit unseren Eltern oft über diese Ungerechtigkeit diskutiert. Mutter gab uns zu verstehen, dass sich dieser Vorfall wiederholen wird, solange es Menschen gibt. Gerade erfahre ich sie am eigenen Leib. Vater muss bei diesen Diskussionen taub gewesen sein. Ich bin ihm nicht mehr so freundlich gesinnt, als ich ihm die vollen Einkaufstaschen in den zweiten Stock hochtrage.

In der zweiten Augustwoche stellt Lena ein Telefon in mein Büro durch. Am Telefon ist John Harding, Vaters Bankberater von der Dorfbank. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln kommt er gleich zur Sache.

»Ihr Vater will an eine Frau Elsino fünftausend Euro überweisen. Wissen Sie etwas davon? Ich darf Sie informieren, weil Sie für dieses Konto über eine Vollmacht verfügen.«

Fünftausend Euro? Ich habe es erwartet, aber nicht so schnell und nicht so viel. Rita lässt keine Zeit verstreichen und rührt gleich mit der großen Kelle an. Nach dem ersten Schreck fällt mir ein, dass meine Mutter mir vor Jahren für Notfälle diese Vollmacht übertragen hat, und weil keiner eingetroffen ist, habe ich es vergessen. Mein Herz beginnt zu klopfen. Vater ist sehr sparsam und nun will er dieser Frau diesen wahnsinnig hohen Betrag überweisen. Vermutlich sein ganzes Erspartes.

»Wie hoch ist der Kontostand?«

»Fünfundneunzigtausend.«

Ich bin baff. Ich hatte keine Ahnung, dass er so viel auf der hohen Kante hat. Nach Mutters Tod haben Toni, Robert und ich auf die Auszahlung unseres Erbes von je dreitausend Euro verzichtet und dieses Geld Vater überlassen, weil wir dachten, dass ihm die Renten nur ein bescheidenes Leben ermöglichen. Jedenfalls vermittelte er uns diesen Eindruck. Deshalb haben wir ihm, in unserem Beisein, seine Spesen und sämtliche Kosten übernommen. Wenn ich gewusst hätte, wieviel er zur Seite legen konnte, hätte ich nicht erst an Kellys Geburtstag interveniert. Indirekt habe ich dazu beigetragen, dieses Konto zu füllen.

Mir wirbeln sehr viele Gedanken durch den Kopf. Vaters Bauernschläue, die Höhe seines Bankkontos und der hohe Betrag, den er dieser unsympathischen Frau überweisen will. Zu viel auf ein Mal. Das Herz klopft mir jetzt bis zum Hals. Ich bringe gerade noch stotternd über die Lippen, dass er die Zahlung zurück halten soll, bis ich mit meinem Vater geredet habe.

Im Büro lasse ich alles stehen und liegen, fahre zu ihm nach Hause und hoffe, dass er da ist. Nachdem ich zweimal auf den Klingelknopf gedrückt hatte, höre ich erleichtert den Summer der Türöffnung. Auf dem Weg in den zweiten Stock überwinde ich zwei Stufen auf einmal und stürme atemlos an Vater vorbei, der unter der geöffneten Türe steht und sich über meinen unverhofften Besuch freut. Kaum ist die Türe zu, wettere ich los. Als er realisiert um was es geht, schwindet seine Freude. »Wieso weißt du das? Du darfst dich nicht einmischen. Du darfst die Harmonie zwischen mir und Rita nicht stören.«

»Papa. Bitte. Wenn die Harmonie auf diesem großzügigen Geldgeschenk beruht, ist diese Freundschaft nicht viel wert.«

»Ich habe es versprochen und damit basta.«

»Weshalb schenkst du ihr so viel Geld?«

»Ich schenke es nicht, ich leihe es. Ihr wurde die Geldbörse gestohlen und jetzt hat sie einen finanziellen Engpass.«

»Einen Engpass?«, frage ich lauter als beabsichtigt. »Dass ich nicht lache. Wer ein so schickes Auto fährt, hat keine Engpässe. Das sind Ausreden, damit du weich wirst. In einem Notfall kommt man auch mit weniger, als fünftausend Euro, über die Runden. Sie hat Schulden und einen Eintrag im Strafregister, jedenfalls ist sie der Polizei bekannt. Die Liebe spielt sie dir vor. Papa, du musst mir glauben. Bitte!«

»Schulden? Davon weiß ich nichts«, antwortet er und geht ins Wohnzimmer.

Ich finde es merkwürdig, dass er sich nicht daran erinnert. Er hat sie an Mutters Grab selbst erwähnt, als er mir erklärte, dass ihr Exmann dafür verantwortlich ist. Ich laufe ihm hinterher und stelle Fragen, denen er mit Ausreden ausweicht und versichert, dass dieses Darlehen eine einmalige Sache ist. Ich gebe nach. Es ist sein Geld und seine Entscheidung, was er damit macht. Dafür ringt er mir das Versprechen ab, gegenüber meinen Geschwistern den Mund zu halten. Zurück im Büro bleibt mir nichts anderes übrig, als John Harding anzurufen, damit er die Überweisung frei gibt.

Mehr aus Gewohnheit, als aus Hunger, bereite ich am Abend das Essen zu. Ich setze das Wasser für die Spaghetti auf und wasche an der Spüle die Tomaten. David holt das Geschirr aus dem Schrank und deckt den Tisch. Währenddessen erzähle ich ihm vom Gespräch, das ich am Nachmittag mit Vater hatte. »Du musst Toni und Robert darüber in Kenntnis setzen. Wenn seine Konten leer sind, werden sie es dir übelnehmen, dass du es vorausgesehen und nichts gesagt hast«, entgegnet David. »Du musst auch deinen Vater zur Rede stellen. Ich bin sicher, da ist bereits schon mehr Geld geflossen, als du weißt. Bargeld lässt sich nicht zurückverfolgen.«

Während die Tomaten einkochen, denke ich darüber nach und unschlüssig, was ich tun soll, bringe ich es noch einmal zur Sprache, als wir vor den gefüllten Tellern sitzen.

»Ein Versprechen ist ein Versprechen und dieses Darlehen eine einmalige Sache. Er hat genug Geld und verkraftet diesen Betrag. Muss ich Toni und Robert wirklich informieren?«

»Es wird nicht bei dieser einen Überweisung bleiben. Es ist ihr in kurzer Zeit gelungen, deinem Vater diesen Betrag abzuluchsen. Erstens sieht er dieses Geld nie wieder und zweitens wird sie seine Dummheit sehr bald wieder ausnutzen. Du wirst es sehen.«

Am nächsten Tag befolge ich Davids Rat und schreibe am frühen Morgen im Büro einen Brief an Toni und Robert. Frank lasse ich aus, er braucht meine Meinung über Rita nicht zu erfahren, falls ich doch falsch liegen sollte. Danach erledige ich meine Arbeit mehr schlecht, als recht und schweife mit den Gedanken immer wieder ab. Um zehn Uhr gehe ich in die Küche, hole mir einen Tee und gehe ins Sitzungszimmer. Marc und Lena sitzen bereits am Tisch und machen sich über die Brötchen her, die Lena, wie jeden Morgen, außer wenn sie in der Berufsschule ist, in der Bäckerei besorgt hatte. Wir pflegen untereinander ein freundschaftliches Verhältnis und Marc zieht mich manchmal mit meinem Mädchennamen auf. Meistens, wenn Lena eine Auskunft will, auf die er keine Antwort hat. »Frag die Gräfin«, lacht er dann.

Marc kennt Frank und Lore flüchtig, weil ich sie miteinander bekannt gemacht habe, als wir die Eröffnung unserer Agentur feierten. Weil Frank und Lore danach ab und zu mal vorbeigekommen sind, weiß auch Lena, wer sie sind. Die beiden Männer haben sich gut verstanden und Witze gerissen, wenn sie sich gesehen haben. Natürlich habe ich sie auf dem Laufenden gehalten und erzähle ihnen von dieser Überweisung.

»Rita hat mich im Birkland brandschwarz angelogen.«

»Welche Überredungskunst musste sie anwenden, damit dein Vater so spendabel wurde?«, fragt Marc.

»Sie behauptet, dass ihr die Geldbörse gestohlen wurde, und dass sie es zurückzahlen wird.«

»Vielleicht hat sie wirklich einen Engpass«, meint Lena.

»Wieviel war drin?«, fragt Marc.

»Zehntausend.«

»Da hatte dein Vater aber Glück, dass sie nur fünftausend wollte«, witzelt Marc.

»Kein vernünftiger Mensch hat so viel Geld in der Tasche«, sinniert Lena, als sie aufsteht, die Tasse in die Küche stellt, und zurück an ihren Arbeitsplatz geht.

»Das hatte sie auch nicht«, rufe ich Lena hinterher. »Diesen Betrag hat sie erfunden, um so viel wie möglich aus Vater heraus zu holen. Leider ist er darauf eingegangen.«

»Komm, das bringt nichts. Versuche an etwas Anderes zu denken«, spricht Marc mich wieder an.

»Corinne, Telefon für dich«, höre ich Lena rufen und bin gezwungen, in mein Büro zu gehen, obwohl ich keine Lust zum Arbeiten habe. Ich hätte das Thema gerne weiter besprochen, nur lässt sich die Überweisung auch mit langem Reden nicht rückgängig machen.

Am Telefon ist ein potenzieller Neukunde, der auf Empfehlung von einem unserer Kunden anruft und eine maßgeschneiderte Offerte verlangt. Während er seine Bedürfnisse erklärt, mache ich Notizen und lege, nachdem ich ihm versichert habe, dass er bei uns an der richtigen Adresse ist, den Hörer auf. Normalerweise schreibe ich eine Offerte sofort, oder mindestens so bald wie möglich, damit sie am Abend mit der Post rausgeht. Aber meine privaten Gedanken haben mich so fest im Griff, dass die Notizen unberührt liegen bleiben.

Den ganzen Tag suche ich in der Vergangenheit nach Anzeichen, die Aufschluss geben könnten, ob Vater schon früher vergesslich war, finde aber keinen Anhaltspunkt. Er ist geistig fitter als mancher Zwanzigjähriger, rattert seine Termine für die nächsten drei Wochen in einem Zug runter und kennt das Fernsehprogramm auswendig. Erst kürzlich machte er mich auf einen Film aufmerksam, von dem er dachte, dass er mich interessieren könnte und nannte mir Tag, Sender und Ausstrahlungszeit. Am späten Nachmittag ist nebst der Offerte, noch Anderes nicht erledigt und ich sage die Einladung von Freunden ab, die David und mich heute Abend zum Essen erwarten, damit ich das Versäumte aufholen kann.

Ende August hat Lore Geburtstag und Vater will das Wochenende mit ihr und Frank bei Rita verbringen. Dieses Jahr haben weder meine Geschwister, noch ich eine Einladung erhalten und wir sind deswegen nicht unglücklich. Wir sind froh, wenn wir Rita nicht begegnen müssen. Wie im Juli, regnete es auch im August sehr häufig, aber die Wetteraussichten für dieses Wochenende sind nicht schlecht. David und ich nutzen die vaterfreien Tage und machen mit Struppi einen Ausflug in den Schwarzwald. Tatsächlich hält Petrus die Schleusen geschlossen und wir schlendern stundenlang durch die Wälder, begegnen ab und zu anderen Wanderer, oder Pilzsammler. Am Ende des Schluchsee steigen wir in eine nostalgische Dampfbahn ein.

»Bist du dir bewusst, dass es seit fünf Jahren der erste Ausflug ohne deinen Vater ist?«, fragt David, als wir im Zugabteil auf den Holzbänken sitzen.

»Ja ich weiß und eigentlich ist es traurig.«

»Ich habe bis jetzt nichts gesagt, aber mir kam es manchmal vor, als würde ich das Leben eines Neunzigjährigen führen, weil wir das Programm und das Tempo deinem Vater anpassen und unser Leben nach ihm ausrichten. Ich finde es schön, dass wir zwei einmal alleine etwas unternehmen.«

»Ich finde es ebenfalls schön, aber ich habe nicht vor, es zu ändern, schließlich sind wir eine Familie. Diese Zugfahrt würde ihm auch gefallen.«

»Schon gut. Ich verstehe dich ja.«

Gemächlich tuckert der Zug durch die Wälder, vorbei an kleinen Dörfchen und schönen Höfen und wir lachen, als der Zugwind den mit Kohlestaub angereicherten Rauch mit dem penetranten Geruch nach Maschinenöl durch die offenen Türen hereinweht und das Abteil in Nebel hüllt. Kurz vor dem Titisee ruft David. »An der nächsten Station steigen wir aus. Ich habe von einem Arbeitskollegen die Adresse eines Schlemmerlokals erhalten. Das ist hier irgendwo. Das suchen wir jetzt und lassen uns kulinarisch verwöhnen. Wir haben es uns verdient.«

Gut gelaunt fahre ich am Montagmorgen ins Büro und mache mich voller Tatendrang an die Arbeit. Leider führte die Offerte, die ich letzte Woche rausgelassen habe, nicht zu einem Auftrag. Die Konkurrenz war schneller. Mit dem, was ich sonst zu tun habe, komme ich gut voran, bis Lena um halb zehn an die Türe klopft und den Kopf durch den Türspalt streckt.

»Dein Vater ist da.«

Ich stehe auf und gehe in die Lobby. Das erste, was mir auf-fällt, ist sein kummervolles Gesicht. Ich ziehe ihn ins Sitzungszimmer und bitte Lena, uns zwei Tassen Kaffee zu bringen. Nachdem sie den Kaffee serviert hat, lässt sie uns allein. Vater nimmt einen Würfelzucker und rührt ihn minutenlang in den Kaffee. Ich stehe auf und schließe die Türe.

»Was ist los?«

Er nimmt den Blick nicht von der Tasse.

»Was ist los?«, wiederhole ich energisch meine Frage, während ich mich hinsetze.

Vater greift in den Hosensack, zieht ein Taschentuch heraus und wischt sich damit über die Augen. Ich sehe erst jetzt, dass er weint. Genau genommen, sieht er sehr mitgenommen aus.

»Es ist wegen Lores Geburtstagsfest.«

»Aha.«

«Frank und Lore haben mich abgeholt und wir sind zu Rita nach Mattendorf gefahren. Frank ist den ganzen Tag Rita hinterhergedackelt und brachte Lore wieder zum Weinen. Auch ich bin enttäuscht, denn ich hatte erwartet, dass Rita mir ihre Zuneigung zeigt, nachdem ich ihr gegenüber so großzügig war. Aber sie ließ mich die ganze Zeit sitzen und ist zwischendurch mit Frank verschwunden. Auch gegenüber Lores Cousin benahm sich Rita unmöglich. Nur weil er mit seiner Frau früher als erwartet eingetroffen ist, stauchte Rita ihn zusammen. Aus Rücksicht auf Lore sind sie nicht auf der Stelle gegangen. Dafür mussten sie Lore die ganze Zeit trösten, weil sie nur am Flennen war. Es war schlimm. Am Schluss waren alle froh, als diese komische Feier endlich zu Ende war. Was meinst du? Haben Frank und Rita eine Affäre?«

»Ihr Verhalten ist jedenfalls sehr auffällig«, erwidere ich zögernd, weil es für mich unvorstellbar ist, dass Rita ein Verhältnis mit Vater und Sohn hat. Aber so, wie Vater es beschreibt, ist es nicht mehr von der Hand zu weisen.

»Frank will mich im Tirol besuchen, Damit stiehlt er mir die Zeit, die ich mit Rita verbringen will. Er kommt an die falsche Adresse, wenn er meint, ich kümmere mich wie letzten Sonntag um Lore, während er sich mit Rita vergnügt«, ereifert er sich.

Ich bin erfreut zu hören, dass er Frank in die Schranken weisen will und hoffe, er setzt sich dann auch wirklich durch. Aber so wie ich ihn kenne, wird das nicht passieren.

Vater wird in der letzten Septemberwoche für eine Woche ins Tirol fahren. Er verbringt dort seit vielen Jahren – wie früher mit unserer Mutter - eine Woche Ferien, meist in Begleitung von einem, oder von allen Familienmitgliedern.

»Du nimmst Rita mit ins Tirol?«, frage ich verwundert.

»Das ist doch prima, dann bin ich nicht allein.«

»Du warst nie allein. Wieso sagst du das. Ich fasse es nicht, dass du sie, trotz dieser Erfahrung, mitnehmen willst. Diese Frau ist nichts für dich. Beende diese Beziehung.«

»Du hast Recht. Ich warte die Ferien ab, dann sehen wir weiter.«

»Nein, nicht warten. Mach Schluss. Jetzt. Du kannst dich im Tirol erholen. Du bist dort nicht allein, Toni kommt mit.«

»Rita hat es aber versprochen«, quengelt er.

»Bezahlt sie, oder du?«

»Ich bezahle das Zimmer. Ihre Essen und die Getränke muss sie übernehmen.«

»Besucht sie dich diese Woche wieder?«, frage ich und hoffe, sie lässt sich nach diesem Wochenende nicht mehr blicken.

»In der Regel am Montag und Freitag. Manchmal auch am Mittwoch. Und immer mit Frank. Wieso ist er immer dabei?«

»Weil sie eine Affäre haben.« Langsam glaube ich es auch.

»Das stimmt nicht. Letzte Woche hatte Rita vor dem Bären einen anderen Mann geküsst. Ein Stammtischkollege hatte es gesehen und mir später davon erzählt. Das würde sie nicht machen, wenn sie mit Frank eine Affäre hätte, sie würde ihn ja hintergehen.«

»Dass sie dich hintergeht interessiert dich nicht?«

»Doch. Ich habe Rita am Abend angerufen und sie zur Rede gestellt. Sie hat beteuert, dass es die vom Stammtisch erfunden hätten, weil sie eifersüchtig sind. Ich weiß, sie gönnen mir diese junge Frau nicht.«

»Das hat Rita dir eingebläut. Papa, ich bitte dich, du darfst nicht mit dieser Frau verkehren. Sie ist dubios und behandelt dich nicht fair!«

Er zuckt kommentarlos mit den Schultern. Nach einer Stunde breche ich das Gespräch ab, weil ich keine Lust habe, meine Arbeitszeit dieser falschen Schlange zu opfern. Wäre Vater einsichtig gewesen, hätte ich mir alle Zeit der Welt genommen. So bringt das nichts. Vaters fehlendes Rückgrat, mit dem er Mutter oft zum Seufzen brachte, bekomme nun ich in voller Bandbreite ab. Soll ich, wie sie, ihm die Leviten lesen? Aber das habe ich doch die ganze letzte Stunde bereits getan.

»Mach Schluss«, flehe ich ihn auf dem Weg zur Türe an. Als er auf dem Gehsteig steht, frage ich: »Holst du morgen Struppi ab? Du könntest in der Natur deine Seele tanken.«

Er dreht sich um.

»Ähm. Darüber wollte ich auch mit dir reden. Ich will mehr Zeit mit Rita verbringen, deshalb….«

»Ich weiß was du mir sagen willst. Bleibe trotzdem in Bewegung, die tut dir gut«, falle ich ihm ins Wort, um ihm ins Bewusstsein zu führen, dass er im Begriff ist, etwas zu unterlassen, was für seine Gesundheit wichtig ist. Er hält die Hand zum Gruß hoch, dreht sich um und läuft davon. Ich sehe Vater hinterher und mache mir Sorgen. Er ist sich nicht bewusst, dass er mit Vollgas ins Verderben rennt. Die Liebe treibt ihn blind voran.

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