Читать книгу Liebe-VOLL AUSGENOMMEN - Heidy Fasler - Страница 5
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ОглавлениеUm meine Familie zu verstehen, muss ich in die Vergangenheit schweifen und beginne dabei mit meiner Mutter. Meine Mutter ist mit zwei Geschwistern bei liebevollen Eltern, aber in großer Armut aufgewachsen und fand, als blutjunge Frau, Arbeit als Hausmädchen bei einer reichen Familie. Auch wenn sie im Dienstbotenzimmer schlafen und dem bequemen Leben ihrer Herrschaft zudienen musste, eignete sie sich den Anstands- und Höflichkeitsstil ihrer Arbeitgeber an und verbesserte damit ihre Stellung. Sie durfte diese Familie auf zahlreichen Reisen begleiten, lernte eine Fremdsprache, und wurde in Sachen Bildung von ihrer Herrschaft unterstützt und gefördert.
Auf einer Reise lernte sie meinen Vater kennen und besuchte ihn, nach einem Briefwechsel, in seinem Heimatdorf. Er hatte ihr verschwiegen, dass er geschieden und Vater eines Sohnes ist. Darum schenkte sie dem dreijährigen Kind, namens Frank, das in der Wohnung von Vaters Mutter hemmungslos auf dem Küchentisch tanzte und sich weigerte, ihr die Hand zu geben, keine große Beachtung.
Nach einer großen Verlobungsfeier im Beisein beider Familien, mit Geschenken und allem Pipapo, gingen meine Mutter und mein Vater aufs Standesamt, um das Aufgebot für ihre Eheschließung zu bestellen. Erst dort, erfuhr meine Mutter, dass ihr zukünftiger Mann geschieden und an das Kind gebunden ist, welches sie in der Wohnung ihrer zukünftigen Schwiegermutter angetroffen hat. Durch die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten wäre eine abgesagte Hochzeit einer großen Schande gleichgekommen. Meine Mutter entschied sich gegen die Schande und fügte sich in ihr Schicksal. Pflichtbewusst, wie sie es ihr Leben lang war, nahm sie den vierjährigen Buben mit der Heirat in ihr Leben auf.
Leicht hatte sie es nicht. Jedes Mal, wenn Frank von einem Besuch bei der Großmutter zurückkam, musste sie mit ihrer Annäherung wieder von vorne beginnen. Als Franks Benehmen im Beisein der Großmutter wieder mal aus dem Ruder lief, wandte sie sich an seinen Vater und bat ihn, sich erzieherisch einzubringen. Darauf zog die Großmutter eine Hand auf und richtete diese, zum Erschrecken meiner Mutter, nicht gegen Frank, sondern gegen seinen Vater. Meine Mutter verlangte darauf den Wegzug, möglichst weit weg von seinem Heimatdorf. Nach dem Krieg boomte die Wirtschaft und mein Vater fand rasch eine neue Stelle. So verschlug es die junge Familie nach Kaltbad, ein wachsendes Dorf in der Nähe einer mittelgroßen Stadt.
Nachdem sich die junge Familie dort niedergelassen hatte, kam nach einem Jahr Antonia zur Welt, die von allen nur Toni genannt wird, fünf Jahre später wurde ich geboren und nach weiteren zwei Jahren machte Robert, das Nesthäkchen, die Familie komplett.
Unsere Mutter verstand es hervorragend, keines von uns vier Kindern zu bevorzugen, oder zu benachteiligten. Frank wurde für uns von Anfang ein vollwertiger Bruder, auch auf der emotionalen Ebene. Der einzige bemerkenswerte Unterschied zwischen uns bestand darin, dass Frank von der Großmutter väterlicherseits mehrmals pro Jahr, ein an ihn persönlich adressiertes Paket mit Süßigkeiten erhielt, und Mutter uns Franks Vorzugsbehandlung seitens der Großmutter erklären musste. Deshalb war es nie ein Geheimnis, dass wir vier denselben Vater, aber nicht dieselbe Mutter haben. Weil Frank uns von den Süßigkeiten immer etwas abgeben musste, blieb für uns die Welt in Ordnung. Die Geschichte interessierte uns auch deshalb nicht weiter, weil die Pakete das Einzige waren, das uns Geschwister differenzierte. Behütet wuchsen wir in einer recht harmonischen Familie auf, in der unsere Mutter das Zepter führte und unser Vater für den Unterhalt sorgte. Die Autorität ging aber eindeutig von unserer Mutter aus.