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Am Montagmorgen bin ich um sieben Uhr die erste, die in der Agentur eintrifft. Normalerweise komme ich nie so früh ins Büro, weil ich zuvor mit Struppi einen Abstecher in die Umgebung mache, aber heute kann ich es kaum erwarten, etwas über diese Frau in Erfahrung zu bringen.

Zusammen mit meinem Geschäftspartner Marc, führe ich in Kaltbad eine Treuhandagentur. Marc ist fünf Jahre jünger, als ich und wir haben uns bei einem Expertenweiterbildungskurs kennen gelernt. Er sieht sehr gut aus - sein Studium hatte er sich mit Modeljobs finanziert – ist überzeugter Single, trotzdem sehr umgänglich und verfügt über einen gesunden Menschenverstand. Bei der Weiterbildung arbeiteten wir am selben Projekt und haben im Team sehr gut zusammen funktioniert. Deshalb haben wir beschlossen, die Zusammenarbeit zu wagen und haben es bis jetzt nicht bereut.

Für unsere Agentur haben wir in der Nähe des Dorfzentrums, im Parterre einer Liegenschaft, ein Geschäftslokal gemietet. Das Lokal besteht aus vier Räumen. Je einen Raum haben Marc und ich in Anspruch genommen und diese mit modernen Büromöbeln und EDV eingerichtet. Im Eingangsbereich, wir nennen ihn ‚Lobby’, stehen ein gewinkelter Schreibtisch, der mit Computer, Drucker und einer Telefonanlage ausgerüstet ist, ein Rollcontainer, diverse mit Ordnern gefüllte Regale, ein Kopiergerät und ein Aktenschrank. Den vierten Raum, gleich neben der kleinen Küche, haben wir mit einem viereckigen Glastisch und schwarzen Lederstühlen ausgestattet, und nutzen dieses Zimmer für Besprechungen, oder als Pausenraum.

Normalerweise ist Struppi bei mir im Büro, außer, wenn er ein- bis zweimal pro Woche, von Vater abgeholt wird, der mit ihm danach durch die Wälder streift. Allerdings muss ich Vater, bevor er sich auf den Weg macht, die Hälfte der Leckerlis aus seiner prall gefüllten Taschen nehmen, damit der Hund nicht zu dick wird. Vater kann noch weniger wie ich, diesem speziellen Hundeblick widerstehen, bei dem die meisten weich werden. Ich wünschte mir, ich könnte diesen traurigtreuen Hundeblick bei potenziellen Kunden aufsetzen, ich würde jeden Auftrag nach Hause bringen.

Für Vater, Struppi und mich ist es eine win-win-Situation. Der Hund kommt tagsüber zu längeren Ausflügen, Vater bleibt in Bewegung, und ich weiß durch diesen Kontakt immer, wie es ihm geht. Da heute kein Vater-Struppi-Tag ist, bleibt der Hund bei mir im Büro.

Eine Studie die besagt, dass Tiere motivierend auf das Arbeitsklima wirken, bestätigt sich auch bei uns. Lena, unsere Lehrtochter im zweiten Lehrjahr, die den Fokus ihrem Alter entsprechend auf Jungs, Mode, Kosmetik und Discos - Lena nennt sie ‚Dance Clubs' - legt, findet Struppi toll. Am Anfang wollte sie ihm unermüdlich das Apportieren beibringen und brachte ihn soweit, dass er die Post in den Fang nahm. Aber jedes Mal, wenn er mit den Briefen in der Schnauze in mein Büro laufen sollte, ließ er sie auf halbem Weg fallen. Lena gab es schließlich auf. Aber die Freude blieb und wehe, wenn der Hund einmal einen Tag nicht da ist, weil David einen freien Tag und Zeit hat, ihn zu hüten. Lena ist an diesen Tagen mürrisch und schiebt fast eine depressive Krise. Marc hat mit Hunden nicht viel am Hut, aber nichts dagegen, dass er hier ist und überwindet sich sogar, ihm ab und zu mit der Hand über den Kopf zu streichen.

Ein eigenes Geschäft zu führen ist praktisch, da ich niemanden fragen muss, wenn ich mich vom Arbeitsplatz entfernen will. Da mein Vater in Kaltbad wohnt, stehe ich ihm nicht nur am Wochenende, sondern auch unter der Woche zur Verfügung. Er ist froh, wenn ich ihm wichtige Briefe schreibe, ihn zum Einkaufen begleite und für ihn Besorgungen mache. Nicht wenige Male nimmt er meine Chauffeurdienste in Anspruch, wenn ihm die Wege für seine Vorhaben zu weit, oder die Nutzung der Bahn zu umständlich sind. Meist hole ich die Zeit, die ich dafür aufwende, am Abend nach. Mein Vater verliert nie ein Wort darüber, denn er steckt seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr im Arbeitsprozess und hat keine Ahnung, wie schnelllebig alles geworden ist. Erst nachdem die Familie in Kaltbad ansässig geworden ist, kamen nach und nach Telefon, Auto und Fernseher auf. Zur Zeit seiner Pensionierung besaßen die wenigsten Firmen einen Computer. Er hat seine Rente, aber mir stehen noch ein paar Arbeitsjahre bevor, und anders, als viele meinen, verfügt man mit einer eigenen Firma nicht automatisch über Geld. Nur produktive Stunden generieren Einnahmen, Ferien und Feiertage sind nicht entschädigt und allein die Fixkosten, die Marc und ich uns teilen - für den Lohn ist jeder selbst verantwortlich - verschlingen den größten Teil meines erwirtschafteten Ertrages.

Weil ich so früh im Büro bin, herrscht am diesem Montagmorgen noch herrliche Ruhe, aber meine Ungeduld ist kaum zu zügeln. Zuhause habe ich keinen Computer, an dem ich etwas nachsehen könnte. Ich verbringe im Büro so viel Zeit am Computer, dass ich in der freien Zeit keinen sehen will. Wenn ich privat einen brauche, erledige ich es im Büro.

In der kleinen Küche mache ich mir einen Kaffee, nehme die Tasse mit in mein Büro und schließe die Türe. Marc und Lena sollen nicht gleich sehen, womit ich beschäftigt bin, wenn sie eintreffen. Ich starte den Computer und gebe im Google den Namen 'Rita Elsino' ein. Außer ihrer Adresse in einem Telefonverzeichnis fördert das Internet nichts zutage. Resigniert lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück und überlege, wie sich sonst etwas über diese Frau in Erfahrung bringen lässt.

Unsere Agentur ist Mitglied bei einem Unternehmen, bei dem wir für Neukunden Auskunft über deren Bonität einholen, vielleicht haben sie dort mehr Informationen. Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz nach acht, das Büro müsste besetzt sein. Ich nehme das Telefon in die Hand und wähle die Nummer.

Mein Anruf wird von einer freundlichen Dame entgegen genommen.

»Guten Tag. Mein Name ist Corinne Miller. Ich hätte gerne eine Auskunft über eine Frau namens Rita Elsino.«

»Moment bitte.«

Während ich warte, wächst meine Spannung. Nur Personen, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen, werden erfasst und registriert.

»Sind Sie noch da?«, tönt es aus dem Hörer. »Rita Elsino? Wohnhaft in Mattendorf?«

Ich erinnere mich schwach, dass Vater diesen Ort erwähnte. Sie hat demnach etwas gefunden. Das ist nicht sehr beruhigend.

»Genau«, gebe ich zur Antwort.

»Die Bonität ist rot. Dunkelrot. Wir haben hier Betreibungen und mehrere Schuldscheine verzeichnet. Sie verlangen am besten eine Vorauszahlung, wenn Sie einen Auftrag von dieser Dame entgegen nehmen sollten.«

»Vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen«, beende ich das Gespräch.

Also doch. Die Auskunft war ein Schlag ins Gesicht. Einen Augenblick bin ich wie benommen. Das erklärt, weshalb Rita unserem Vater Honig um den Mund schmiert. Glücklicherweise hat er kein Vermögen und auch kein Erspartes. Da wird nicht viel zu holen sein. Aber vielleicht ist sie auf seine Rente scharf. Wenn sie ihn nur bezirzt, um ihn auszunehmen, wäre es sehr gemein.

Ich muss meine beiden Geschwister informieren. Nach ihrer Scheidung hat es Toni wegen ihrer Arbeitsstelle in den Norden von Deutschland verschlagen und sie muss, wenn sie uns besucht, dafür eine Reisezeit von drei Stunden in Kauf nehmen. Dafür telefonieren wir öfters miteinander. Ich nehme den Hörer wieder in die Hand und rufe sie an.

»Es sieht nicht gut aus. Diese Frau hat Schulden.«

Am anderen Ende ist es ungewöhnlich still und es vergeht eine Weile, bis Toni sich gefasst hat.

»Verdammt, was machen wir jetzt?«, fragt sie.

»Keine Ahnung.«

»Ist sie verheiratet?«

»Keine Ahnung.«

»Die nimmt Vater aus wie eine Weihnachtsgans.«

»Damit ist zu rechnen.«

»Vater hat gesagt, sie hat sich an ihn herangeschmissen, nicht umgekehrt, da steckt eine Absicht dahinter. Warne ihn. Unbedingt!«

»Ich rede mit ihm.«

»Mach das. Am besten noch heute.«

Ich beende das Telefon mit Toni und rufe Robert an. Nachdem ich auch ihm Bericht erstattet habe, erteilt er mir den Rat, alles zu beobachten und erst einzugreifen, wenn Geld fließen sollte. Es tut mir leid, dass ich Vater die Hiobsbotschaft überbringen und ihm das Herz brechen muss. Liebend gern würde ich ihm den Kummer ersparen, aber ich sehe keine andere Möglichkeit, ihn vor dem zu bewahren, was auf ihn zukommen wird. Je früher er von den Schulden dieser Frau erfährt, desto besser ist es. Er kennt sie noch nicht so lange, deshalb werden sich seine Emotionen für sie in Grenzen halten. Er darf auf keinen Fall ihren Beteuerungen Glauben schenken. Inzwischen ist Lena eingetroffen und sitzt an ihrem Arbeitsplatz in der Lobby. Beim Hinausgehen rufe ich ihr zu, dass ich nur kurz weg bin und hoffe auf der Fahrt, dass Vater noch zu Hause und nicht bereits auf dem Weg zu seinem Stammtisch ist.

Liebe-VOLL AUSGENOMMEN

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