Читать книгу Schlachtfeld Klassentreffen - Heike Abidi - Страница 3

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KAPITEL 1

Ihr kommt doch auch alle?

»Warum tust du dir das überhaupt an?«

Zehn mehr oder weniger sympathische Begründungen für die Teilnahme an einem Klassentreffen

1: »Na ja, jetzt hab ich doch schon überwiesen …«

Was mich vor ein paar Wochen geritten hat, mich spontan zu diesem Treffen anzumelden, kann ich im Nachhinein selbst nicht mehr sagen. Irgendwie schien es mir eine nette Idee zu sein. Jetzt steht der Termin unmittelbar bevor, und ich habe eigentlich überhaupt keine Lust mehr, hinzugehen. Und schon gar nicht auf die zu erwartenden Mein–Haus–mein–Pferd–meine–Yacht–Gespräche. Andererseits habe ich meinen Beitrag für Begrüßungscocktail, kalt–warmes Buffet und Saalmiete schon überwiesen. Jetzt abzusagen, wäre pure Verschwendung. Da muss ich wohl durch.

(Bernd M., 52, Buchhalter)

2: »Je älter die anderen aussehen, desto besser fühle ich mich!«

Früher, in unserer Schulzeit, war ich nicht gerade das umschwärmteste Mädchen von allen. Ich hatte Pickel, eine dicke Brille und reichlich Babyspeck auf den Hüften. Inzwischen ist nicht nur die Akne verschwunden, sondern meine Haut erweist sich auch als extrem faltenresistent. Die Brille habe ich längst durch Kontaktlinsen ersetzt, und dank Jogging und Fitnessstudio ist meine Figur inzwischen ein echter Hingucker. Den anderen wird der Mund offen stehen vor Staunen! Da freu ich mich schon diebisch drauf. Neulich hab ich Regine, die olle Streberin, gesehen. Sie sieht locker zehn Jahre älter aus als ich. Ich denke, auf dem Gruppenfoto werde ich mich direkt neben sie stellen. So als krassen Kontrast.

(Melanie W., 41, Reiseverkehrskauffrau)

3: »Einfach so tun, als läge das Leben noch einmal vor uns.«

Wenn ich die Kumpels von früher wiedersehe, fühle ich mich immer wie in bessere Zeiten zurückkatapultiert. Was hatten wir für einen Spaß auf der Abschlussfahrt, beim legendären Klassencampingwochenende oder auf der Abifeier! Damals lag uns die Welt zu Füßen, alles schien möglich, sämtliche Optionen standen uns offen. Wir hatten zwar noch keinen Plan, was wir aus unserem Leben machen würden, aber eins war klar: Es würde großartig werden! So kann man sich irren. Denn tatsächlich wurde mein Leben alles andere als das. Stattdessen ausgesprochen anstrengend. Termindruck, Stress mit dem Chef, Unterhaltszahlungen, Bluthochdruck … Beim Klassentreffen will ich all das einfach vergessen und für einen Abend so tun, als wäre ich wieder dieser optimistische Typ von damals.

(Frank A., 39, Versicherungsfachangestellter)

4: »Meine Idee. Mein Plan. Natürlich bin ich dabei!«

Ich bin ein geborenes Organisationstalent. Wie sonst sollte ich einen Haushalt mit vier Kindern, zwei Katzen, einem Hund und einem meist abwesenden Gatten managen? Leider ist das Image dieses Jobs nicht besonders gut. Respekt und Dank? Fehlanzeige. Manchmal stelle ich mir vor, was ohne meine liebe Familie aus mir geworden wäre. Garantiert so etwas wie Inhaberin einer megaerfolgreichen Eventagentur. Leider wird in diesem Leben wohl nichts mehr daraus. Bis die Kinder aus dem Haus sind, bin ich zu alt, um durchzustarten. Aber alle zwei Jahre, bei der Planung des Klassentreffens, da kann ich zeigen, was ich draufhabe. Von der Anerkennung der anderen zehre ich dann bis zum nächsten Mal. Ich müsste schon den Kopf unterm Arm tragen, um mir das entgehen zu lassen!

(Agnes P., 46, Hausfrau)

5: »Höchste Zeit für späte Rache.«

An meine Schulzeit denke ich nur ungern zurück. Ich war immer der Kleinste in der Klasse, mein Stimmbruch ließ ewig auf sich warten, ich vertrug keinen Alkohol, hatte superstrenge Eltern und schrieb dazu noch gute Noten. Mit anderen Worten: Ich war das perfekte Mobbing–Opfer, nur dass es das Wort Mobbing damals noch nicht gab. Heute bin ich gut zwei Meter groß, habe eine dröhnende Bassstimme, vor der meine gut hundert Angestellten erzittern, und verdiene mich dumm und dämlich. Und ich bin in genau der richtigen Stimmung, meinen einstigen Peinigern zu zeigen, was ’ne Harke ist. Mit anderen Worten: Das Klassentreffen kommt mir gerade recht …

(Henrik B., 35, Unternehmer)

6: »Alte Liebe rostet nicht.«

»Wenn ich mit vierzig noch Single bin, heirate ich dich«, hat der schöne Thilo zu mir gesagt, als wir 17 waren. Damals war ich unsterblich in ihn verknallt. Und was soll ich sagen? Ich bin es immer noch. Fast hätte ich die Hoffnung schon aufgegeben. Aber neulich kam mir zu Ohren, er sei frisch geschieden. Seine Frau habe ihn verlassen, heißt es – wegen eines Türstehers. Ist das zu fassen? Dabei ist Thilo mindestens noch so attraktiv wie vor 23 Jahren. »Das muss ein Zeichen des Himmels sein«, dachte ich, als die Einladung zum Klassentreffen ins Haus flatterte. Das ist meine Chance! Jetzt brauche ich nur noch eine Strategie, wie ich ihn für mich gewinne. Am besten, ich besorge mir ein umwerfendes Kleid – und einen Liebeszaubertrank …

(Viola S., 40, Grundschullehrerin)

7: »Zurück in die glorreiche Vergangenheit.«

Ich wollte es nicht glauben, als meine Eltern behaupteten, die Schulzeit sei die schönste Lebensphase – aber sie hatten recht. Natürlich ahnte ich das damals noch nicht. Als ewiger Klassenbester glaubte ich, einer glänzenden Zukunft entgegenzusehen. Mein Philosophiestudium habe ich zwar summa cum laude abgeschlossen, ebenso meine Promotion, aber was hatte ich davon? Meine wissenschaftliche Karriere scheiterte, in der freien Wirtschaft konnte man mich nicht gebrauchen. Und so lebe ich heute von Hartz IV – bei meiner Mutter. Die mich ihren »süßen kleinen Versager« nennt. Natürlich werde ich das beim Klassentreffen nicht erwähnen, sondern ein paar geheimnisvolle Andeutungen über ein spannendes Buchprojekt machen – und mich im Schein meiner einstigen Erfolge sonnen.

(Kai–Olaf D., 51, Philosoph a. D.)

8: »Niemand soll sagen können, ich sei abgehoben!«

Mein Leben ist einfach großartig! Ich war bereits Stewardess, Model, Spielerfrau, Moderatorin, Werbe–Ikone und gerade drehe ich eine Doku–Soap über mein aufregendes Leben. Image ist alles – und das würde doch garantiert Schaden nehmen, wenn ich diesem Klassentreffen fernbliebe. Bestimmt hieße es dann, ich sei völlig abgehoben. Und bald stünde das auch in irgendeinem dämlichen Revolverblatt. Nein, ich geh lieber da hin und gebe mich locker, fröhlich, natürlich. Zeige allen, dass ich ganz die Alte bin (obwohl ich natürlich superjung wirke) und man mit mir Pferde stehlen kann. Und falls jemand ein Autogramm möchte – rein zufällig hab ich natürlich eine Handvoll dabei …

(Michelle G., 28, Starlet)

9: »Bühne frei … für mich!«

Ich wurde einfach zwanzig Jahre zu früh geboren. Heute starten junge Singer–Songwriter mit deutschen Texten grandios durch. Was ein Mark Forster kann oder ein Tim Bendzko, das hätte ich auch zustande gebracht. Na ja, aber mein Coversong–Programm mit Nummern von Springsteen und Dylan ist auch nicht übel. Schade nur, dass ich damit schon ewig nicht mehr gebucht worden bin. Das Publikum wolle mehr Abwechslung, heißt es in den einschlägigen Musikkneipen, in denen ich früher öfter aufgetreten bin. Aber wenn ich mit meiner Klampfe beim Klassentreffen anreise, ist das Hallo sicher riesengroß! Einen Abend lang werde ich mich wie der Star fühlen, der ich gern geworden wäre. Yeah.

(Jens J., 48, Finanzbeamter)

10: »Was heißt hier Begründung? Wiedersehensfreude ist Grund genug!«

Ganz ehrlich: Ich versteh die Frage nicht. Natürlich geh ich da hin. Diese Leute waren meine Klassenkameraden, meine Freunde, meine Leidensgenossen! Ist doch logisch, dass ich die wiedersehen möchte. Mehr Gründe brauche ich da nicht. Ohne Klassentreffen wären wir uns längst fremd geworden. Im Alltag trifft man sich leider viel zu selten. Alle haben anstrengende Jobs, große Familien, zeitraubende Hobbys – und viele wohnen gar nicht mehr hier in der Gegend. Es gibt eigentlich nur zwei Anlässe, sich wiederzusehen: Beerdigungen und Klassentreffen. Ich für meinen Teil hasse Beerdigungen!

(Irene W., 61, Innenarchitektin)

Und Sie? Warum werden Sie sich das nächste Klassentreffen auf keinen Fall entgehen lassen?

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