Читать книгу Küstensturm - Heike Meckelmann - Страница 8

Kapitel 2

Оглавление

Der schlanke Mann sog die Luft tief in seine Lungen. Sie roch nach Freiheit. Er zog den verschlissenen Bundeswehrrucksack über die linke Schulter und setzte einen Fuß vor den anderen.

Er drehte sich nicht ein einziges Mal um. Mit jedem Schritt folgte er dem inneren Drang, dieser Gegend den Rücken zuzukehren. Er nudelte den winzigen silbernen Stecker in seinem Ohrläppchen, bis es rot anschwoll, dann steckte er eine Hand in die Hosentasche der verwaschenen Jeans, die locker auf seinen Hüften saß. Mit der anderen zog er die dunkle Kapuze seines Hoodies tief in die Stirn. Nachdenklich zog er die Hand wieder aus der Tasche und betrachtete die Innenfläche. 27 Euro 75. Für einen Moment blieb er stehen, zog die Augenbrauen hoch, begutachtete die Münzen und die beiden zerknitterten Zehn-Euro-Scheine. Emotionslos ließ er die Hand wieder in der Tasche verschwinden. Er hatte die leise Ahnung, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde. Er musste per Anhalter fahren. Das Geld brauchte er. Schließlich benötigte er heute noch irgendetwas Essbares. Ludger Hanke zog den Reißverschluss der schwarzen Bikerjacke hoch und stapfte weiter.

Trotz der prekären Finanzlage legte sich ein überlegenes Lächeln auf seine Lippen. Er stellte sich an den Straßenrand und hielt immer dann, wenn ein Wagen heranrollte, den Daumen hoch. Etliche Autos fuhren an ihm vorbei, ohne seiner Person Beachtung zu schenken. Wer will auch einen bärtigen Kerl mit finsterem Blick neben sich auf dem Beifahrersitz sitzen haben?, überlegte er und stiefelte weiter. Niemand hielt in der darauffolgenden Stunde an. So lief er eine gefühlte Ewigkeit und etliche Kilometer durch eisige Kälte. Der Januar forderte seinen Tribut, die Minusgrade drangen langsam durch seine Kleidung. Er war sich sicher, dass über kurz oder lang ein Wagen halten würde. Es hatte angefangen zu schneien. »Verdammt!«, murrte er, das Wetter war niederschmetternd und die Nässe setzte seiner Kleidung und dem Gemüt zu. Er fing an zu frieren. Häuser wurden mit jedem Kilometer seltener. Vom Winter kahl gefressene Bäume säumten stattdessen die Straßen. Zielstrebig folgte er der Allee. Es kann ja nicht ewig dauern, irgendein Idiot … seine positive Energie erhielt erste Kratzer. Seine Lippen liefen blau an und die Laune sank auf ein Minimum. So habe ich mir meine Freiheit nicht vorgestellt, dachte er und legte an Geschwindigkeit zu. Ich muss irgendwo unterkommen, wenn nicht bald …

In diesem Moment unterbrach tiefes Brummen seine Gedanken. Hanke blieb stehen und neigte seinen Kopf so, dass er das Fahrzeug trotz seiner Kapuze erkennen konnte. Mit pfeifendem Ächzen hielt neben ihm ein 40-Tonner. Ludger atmete erleichtert auf und öffnete die Beifahrertür. Der Fahrer, ein grauhaariger Mann um die 50, sah ihn durchdringend an und fragte: »Wo soll’s hingehen«?

»Richtung Küste?«

»Könnte was werden, wenn du nicht wählerisch bist. Ich muss über Kiel nach Flensburg.« Der Fahrer verzog seinen Mund und zuckte die Schultern.

»Flensburg, Kiel, perfekt!«

Küstensturm

Подняться наверх