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Kapitel 2
ОглавлениеUnbewusst verharmloste Peter ihre Streitigkeiten. Es war mittlerweile eigentlich schon fast normal, dass sie sich stritten. Er hatte das Gefühl, dass Tina sich im Lauf der Jahre doch sehr verändert hatte und dass ihre Beziehung in der gleichen Geschwindigkeit abkühlte wie sein Bankkonto anwuchs. Eigentlich hatte er gehofft, jetzt da er mehr Zeit für sich und seine Frau hatte, da das Geschäft fast von alleine lief, könnte man die Zeit zu zweit genießen und vielleicht sogar an Nachwuchs denken. Sie wurden schließlich beide nicht jünger und so langsam lief ihnen die Zeit davon Kinder zu bekommen. Doch Tina machte nicht den Eindruck, als wenn sie sich darüber freute. Sie verbrachte die meiste Zeit in irgendwelchen Schönheitssalons oder beim Einkaufen. In der Villa hatte sie sogar ein zweites Schlafzimmer bezogen, mit separatem begehbarem Ankleidezimmer, das mittlerweile schon aus allen Nähten platzte. So hatte er sich ein sorgenfreies Leben mit ihr nicht vorgestellt. Als sie sich kennengelernt hatten war sie nicht so eigenwillig gewesen und immer für ihn da, wenn er sie brauchte. An dieser Erinnerung hielt Peter fest. Er hoffte sehr, dass noch irgendwo im Inneren, dieser mittlerweile beinahe fremd gewordenen Frau, "seine kleine Tina" von damals schlummerte. Eigentlich hatte er vor sich allmählich ganz aus der Firma zurückzuziehen, um mit ihr zu reisen oder andere Dinge zu unternehmen. Vielleicht hätten sie ja so wieder zueinander gefunden. Dann kam der Tag an dem sie so einfach verschwand. Nach ihrem Streit hatte sie sich in ihren silbernen Mercedes gesetzt und war mit quietschenden Reifen davon gerast. Das war das Letzte gewesen, dass er von ihr gesehen hatte.
Nun saß er hier im Büro von Hauptkommissar Bruckner und versuchte ihr Verschwinden durch seine Hilfe aufzuklären. Natürlich war Bruckner hellhörig geworden, als er vom Streit der Eheleute, direkt vor Tinas Verschwinden gehört hatte. Selbstverständlich müsste er da weiter nachhaken. Allerdings wollte er auch noch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen. Bisher stand lediglich fest, dass Tina Mantari verschwunden war. Von einem Gewaltverbrechen oder etwas Derartigem war zum bisherigen Zeitpunkt noch nicht unbedingt auszugehen. Bruckner ließ sich von Peter zunächst Tinas Handy-Nummer geben, um es eventuell lokalisieren zu können. Außerdem gab ihm Peter eine Beschreibung des Wagens und der Kleidung von Tina. Ein Foto von Tina trug er stets in seiner Geldbörse. Das überließ er Bruckner, der sofort und noch in Peters Beisein die Fahndung nach Tina und deren Fahrzeug veranlasste. Da es sich bei den Mantaris um finanziell sehr gut gestellte Persönlichkeiten handelte, konnte man eine Entführung nicht ausschließen. Für den Fall einer Lösegeldforderung forderte er deshalb die sofortige Einrichtung einer Fangschaltung bei Mantaris Festnetzanschluss an.
Nach ihrem Gespräch verabschiedeten sich die beiden Männer mit einem festen Händedruck. Peter der smarte, gut gekleidete Geschäftsmann und Thomas, der zumindest optisch ein wenig den Eindruck machte als wenn er irgendwo in den achtziger Jahren hängengeblieben wäre. Er trug stets einen Zweitagesbart und die Haare länger, als das mittlerweile modern war. Seine Kleidung bestand momentan aus einer hell ausgebleichten Jeans und einem schwarzen T-Shirt. Bei diesem legeren Kleidungsstil kam niemand so schnell auf die Idee, dass es sich bei ihm um einen Hauptkommissar handeln könnte. Peter schätzte, dass sie wohl beide in etwa das gleiche Alter hatten.
Thomas hatte vor sich persönlich um den Fall zu kümmern. Auch wenn es sich vorerst nur um eine vermisste Person handelte. Man konnte nie wissen was noch daraus wird, dachte er bei sich. Noch am nächsten Tag wollte er sofort mit der Befragung ihres näheren Bekanntenkreises beginnen. Die Tatsache, dass Tinas Verschwinden ein Streit vorausgegangen war, konnte man auch nicht außer Acht lassen. Vielleicht war da doch ein wenig mehr dahinter, als Mantari ihm verriet. Auch darum wollte er sich kümmern und ein paar Informationen aus seinem Umfeld herauskitzeln. Die Mantaris waren zwar recht bekannt im Ort, aber über ihre Privatangelegenheit war so gut wie nichts an die Öffentlichkeit geraten. Auch wenn er sich um den üblichen Klatsch und Tratsch im Ort nicht kümmerte, kam auch er nicht umhin so etwas zu wissen.
Als sein Partner, Tim Kowalski, ihr gemeinsames Büro betrat, berichtete er ihm und besprach mit ihm einige Details. „Kein Problem“, meinte der „Wir haben im Moment ohnehin nicht sehr viel zu tun. Es kann nicht schaden, da mal ein bisschen zu ermitteln. Ich kann mich morgen mal ein wenig in der Möbelfabrik umhören, während du die Freundin der Mantaris besuchst. Vielleicht weiß die ja irgendwas!“ „Schon möglich. Wer weiß ob der feine Herr Mantari vielleicht doch noch was zu verbergen hat.“, entgegnete Thomas seinem jüngeren Kollegen.
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Am nächsten Morgen setzten sie ihren Plan in die Tat um. Thomas klingelte an der Tür von Gloria und Frank Klein. Eine rassige Schönheit, um die dreißig, öffnete ihm. Er stellte sich vor und zeigte seine Dienstmarke. Kein Zweifel. Frau Klein, die ihren Nachnamen wohl der Hochzeit mit einem deutschen Mann verdankte, konnte ihre italienischen Wurzeln nicht abstreiten. Erst recht nicht, als sie anfing zu reden: „Oh mein Gott! Was ist passiert? Ist was mit Tina? Aber kommen sie doch erst mal rein. Ich mache ihnen erst mal einen Espresso. Erzählen sie.....“ Thomas konnte ihrem Redeschwall kaum folgen, geschweige denn antworten. Also ging er hinter Gloria in die Küche des Hauses. Dort drehte sie erst an ein paar Knöpfen des Herdes und rührte in zwei großen Töpfen, während sie Thomas bat Platz zu nehmen. Sie kam ihm ein wenig zu overdressed vor, angesichts der Tatsache, dass sie hier in der Küche am Herd stand. Aber das entsprach wohl ihrem Wesen, denn auch ihr Make-up saß perfekt. Er setzte sich und begann: „Sie wissen also Bescheid über Frau Mantaris Verschwinden? Ich wollte ihnen hierzu ein paar Fragen stellen.“ Gloria setzte ihm einen frisch gebrühten Espresso vor die Nase. Im Hause einer Italienerin schien so etwas irgendwie immer sofort parat, dachte Thomas und lächelte in sich hinein. „Fragen sie, fragen sie. Aber ich weiß nicht ob ich ihnen helfen kann. Ich habe schon zu Peter gesagt, dass ich keine Ahnung habe wo Tina ist. Er hat uns angerufen und gefragt, ob wir etwas wissen aber ich weiß auch nicht wo sie stecken könnte. Sie hat ja hier kaum Freunde außer uns.“, redete sie ohne Luft zu holen darauf los und schwenkte ihren Kochlöffel. „Ich meine, sie sind doch ihre beste Freundin. Freundinnen reden doch über alles. Hat sie nie einen anderen Mann erwähnt? Oder hat sie sich mal über Ärger in ihrer Ehe beklagt? So was kommt ja überall mal vor.“ „Na ja. Streit gibt es doch in jeder Ehe. Ich zum Beispiel streite auch ständig mit meinem Frank. Aber dann versöhnen wir uns auch immer gleich wieder. Das ist ja das Schöne. Aber sie glauben doch nicht, dass Peter etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat, oder?“ „Wir versuchen nur alle möglichen Spuren zu sammeln. Bis jetzt wissen wir ja noch nicht einmal was überhaupt passiert ist. Vielleicht steht sie ja schon morgen wieder vor der Tür und es war falscher Alarm.“ Er merkte schon. So gern diese Frau auch redete, aus ihr war wohl nichts Hilfreiches herauszuholen. Vielleicht konnte ihr Mann ja irgendetwas zum Thema beitragen. Er fragte nach Frank Klein. „Ist ihr Mann denn auch zu sprechen? Möglicherweise hat einer der Mantaris ja mit ihm mal über Probleme oder etwas Ähnlichem gesprochen.“ „Frank ist noch in seinem Büro. Er kommt erst heute Abend nach Hause. Wenn sie möchten können sie ihn aber auch auf der Arbeit aufsuchen. Ich sage ihnen gerne wo das ist, wenn sie wollen oder sie kommen einfach heute Abend noch einmal vorbei. Sie bekommen auch gerne ein paar von meinen leckeren Spaghetti.“, lächelte sie und deutete auf den einen der zwei Töpfe. „Aber ich kann ihnen gleich sagen, Frank weiß ganz bestimmt auch nichts von Problemen bei Peter und Tina. Die Beiden sind doch ein so schönes Paar. Peter macht sich große Sorgen um seine Tina. Ich hoffe es ist ihr nicht wirklich etwas passiert.“ So gastfreundlich und erfrischend die Unterhaltung mit Gloria auch war, so anstrengend war es auch ihr zu folgen. Er kam hier nicht weiter. Bestimmt würde auch ein Gespräch mit ihrem Mann nichts Neues bringen. Dazu war auch immer noch Zeit wenn man über Tinas Verbleib mehr sagen konnte. Dieser Frank wird wohl bei dieser Frau auch nicht allzu viel zu sagen haben, dachte Thomas belustigt. Er verabschiedete und bedankte sich für den Espresso. „Sagen sie mir aber bitte Bescheid, wenn sie etwas über Tina in Erfahrung bringen, ja?!“, meinte sie noch. Danach stieg er in sein Auto und fuhr los. Gedankenversunken machte er sich auf den Weg zurück zur Wache. Vielleicht hatte ja sein Kollege Tim mehr Glück und konnte etwas über die Ehe der Mantaris erfahren. Angestellte redeten ja oftmals nur zu gerne über ihre Arbeitgeber. Dabei musste man allerdings auch aufpassen. Nicht immer entsprach alles so genau der Wahrheit von dem was die Leute so von sich gaben.
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Zurück in seinem Büro schaltete er erst einmal den Computer an. Auf dem Weg hierher hatte er für sich und seinen Kollegen ein Frühstück in der Bäckerei besorgt. Da sie beide alleinstehend waren, gingen sie meist mit leerem Magen aus dem Haus. Er hängte seine Jeansjacke über die Stuhllehne seines Bürostuhles, nahm sein Schinkenbrötchen aus der Verpackung und setzte sich an den Schreibtisch. Im Internet würde man doch sicherlich etwas über das Ehepaar Mantari finden. Beinahe jeder ist heutzutage irgendwie im Internet wieder aufzufinden. Man braucht nur Mitglied eines Vereines zu sein und kann seinen Namen auf einer Seite wiederfinden. Da würde es doch mit dem Teufel zugehen, wenn über einen Fabrikbesitzer und seine Frau nichts darin zu lesen war. Er wartete bis sein veraltetes Gerät endlich bereit war, ging auf die Google Seite und gab den Namen Mantari im Suchfeld ein. Das erste was auf der Seite erschien, war die Home-Page von Peters Möbelfabrik. Er ging auf die Seite und erfuhr so einiges über die Firma. Entstehungsgeschichte, von der kleinen Schreinerei bis hin zur komplexen Fabrik, sowie über die verschiedenen Bereiche der Möbelherstellung, die über die Firma „Mantari - Möbel und mehr“ abgedeckt wurden. Nichts Privates. Das hätte er sich auch denken können. Eine reine Werbeseite. Es gab keine weiteren Mantaris laut Google. Dieser Name war nun auch wirklich sehr selten. Thomas konnte sich nicht erinnern ihn, in einem anderen Zusammenhang jemals gehört zu haben. Die Mantaris wurden lediglich in einem Bericht einer Tageszeitung über einen Wohltätigkeitsball und zum anderen in einem Bericht über die Neueinrichtung eines der örtlichen Hotels mit Möbeln aus Peters Fabrik erwähnt. Es gab auch Bilder die zum Bericht gehörten. Darauf konnte man ein zufriedenes Unternehmerpaar erkennen, dass wusste sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Beide waren sehr stilvoll und elegant gekleidet. Aber die Geschehnisse lagen schon einige Zeit zurück und keiner der Berichte half ihm weiter. Er wollte erst einmal abwarten was Tim zu berichten hatte. Kaum hatte er diesen Gedanken ausgedacht, da öffnete sich auch schon die Bürotür und sein Kollege kam herein. „Nichts.“, sagte er. „Zumindest nichts von wirklicher Bedeutung für uns. Die übliche Neugier und der übliche Tratsch. Dort weiß bis jetzt noch niemand etwas über das Verschwinden der Frau des Chefs und ich habe auch nichts Genaues erwähnt. Ich habe lediglich erzählt, dass ich im Rahmen einer Ermittlung ein paar Fragen hätte. Das übliche halt. Und wie lief es bei dir?“ „Auch nichts“, antwortete Thomas. „Lass uns erst mal was essen. Ich hab dir was mitgebracht.“ Er deutete auf die Papiertüte auf seinem Schreibtisch. Tim fiel sofort darüber her. Erst jetzt bemerkte auch er wie hungrig er war. Neugierig blickte er hinein und holte sich eines der Brötchen heraus, um es sofort mit nur wenigen Bissen zu verschlingen. Da sie keine weiteren Anhaltspunkte hatten und auch, bisher zumindest, noch kein Verbrechen vorlag, widmeten sie sich ihrer anderen Arbeit.
Irgendwie war Thomas in den nächsten Tagen der Fall Mantari trotzdem nicht aus dem Kopf gegangen. Die Frau auf dem Bild war ihm sofort irgendwie bekannt vorgekommen. Und, das schon bevor er den Ausschnitt des Zeitungsberichtes im Internet gefunden hatte. Aus welchem Grund sollte eine Frau, die augenscheinlich alles hatte was das Herz begehrt, einfach verschwinden? Eine Lösegeldforderung war laut Peter Mantari nicht eingegangen. Blieben also nicht mehr allzu viele Möglichkeiten. Entweder war sie freiwillig verschwunden, oder sie wurde entführt. Das Foto, das Mantari ihm überlassen hatte, hing an Thomas Pin-Wand. Jeden Morgen war es das Erste, das er sah wenn er in sein Büro trat. Das untrügliche Gefühl, dass er diese Frau schon einmal gesehen hatte ließ ihm einfach keine Ruhe. Allerdings war sie darauf irgendwie verändert. Er kam nur nicht darauf, weshalb sie ihm so bekannt vorkam.
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Tina blieb etwa eine Woche vermisst, bevor man sie auffand und Thomas war einer der ersten der davon in Kenntnis gesetzt wurde. Allerdings sagte man ihm auch, dass die junge Frau bewusstlos war und in einer Art Koma lag. Die Gegend in der sie aufgefunden worden war wurde daraufhin weiträumig abgesucht. Allerdings hatte es in der Nacht stark geregnet und sollte es Spuren gegeben haben, die zu ihrem Verbleib während dieser Woche geführt hätten, so waren die längst verwischt. Auch wenn Tina Mantari ihm nichts berichten konnte, so suchte er doch das Krankenhaus auf und lies sich ihre Verletzungen erläutern und die bewusstlose Tina nach Spuren untersuchen. Aber auch das brachte die Ermittlungen nicht weiter. Tina Mantari war nun tatsächlich ein Fall für ihn geworden. Ihre Verletzungen ließen darüber keinen Zweifel aufkommen. Nach weiteren vier Wochen erreichte ihn der Anruf aus dem Krankenhaus, dass Frau Mantari aufgewacht sein sollte. Darauf hatte er nur gewartet.