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Kapitel 6

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Endlich war es soweit. Heute war der große Tag für Tinas Heimkehr gekommen. Beide sahen dem Ereignis aufgeregt entgegen. Peter, der „Hausmeister“, im neu hergerichteten Gästehaus, und auch Tina, die es kaum abwarten konnte ihr Zuhause kennenzulernen. Als Peter die Tür zu Tinas Zimmer öffnete sah sie ihm schon erwartungsvoll entgegen. Ein wenig schüchtern ging sie auf ihn zu. Sie hatte ihn im Verlauf der letzten zwei Wochen näher kennen- und seine beruhigende Art schätzen gelernt. Er kam auf sie zu und umarmte sie sachte bevor er ihre Taschen nahm. "Jetzt ist es endlich soweit", meinte sie. "Endlich lerne ich mein Zuhause kennen. Hast du mich denn ein wenig vermisst?", fragte sie durch seine Umarmung mutig geworden und er lächelte sie an: "Sehr sogar. Das kannst du mir glauben Liebes." Nachdem Tina sich offiziell abgemeldet und ihre Entlassungspapiere entgegengenommen hatte, fuhren sie los. Auf der Heimfahrt nahm Peter eine andere Strecke als beim Tag ihrer Ankunft. Nur zu gut konnte er sich an Tinas Reaktion am Tag der Anreise erinnern. Irgendetwas hatte ihr im Tunnel Angst gemacht. Das wollte er ihr ersparen und umfuhr diese Strecke. Einen Umweg dafür nahm er gerne in Kauf. Sie hatten nun alle Zeit der Welt.

"Wie kommt es eigentlich, dass wir so ein teures Auto fahren?", fragte sie ihn, während sie auf der Landstraße dahinfuhren. "Oh.", meinte Peter. "Das ist nicht unser Auto Liebling. Es gehört meinem Chef. Ich habe die Erlaubnis, ja sogar die Anweisung die Fahrzeuge während seiner Abwesenheit zu bewegen und zu pflegen." Das leuchtete Tina ein. Ansonsten redeten sie kaum auf der Fahrt, sondern genossen sie einfach.

Zu Hause angekommen zeigte Peter Tina erst einmal ihr neues Zuhause. Tina war begeistert. Klein aber fein dachte sie sich. Nachdem sie alle Räume inspiziert hatte, räumte sie erst einmal ihre saubere Kleidung in den Schrank. Beim Begehen der Räume war ihr sofort die Waschmaschine in der Küche aufgefallen. "Du musst doch jede Menge dreckiger Wäsche haben, nach all der Zeit?!" sagte sie zu Peter. "Darum mach dir mal keine Sorgen Schatz. Die Maschine wäscht auch wenn ein Mann sie bedient. Außerdem hatte ich viel Hilfe von Ellen. Sie ist die Haushälterin der Villa und hat momentan ohnehin nicht viel Arbeit. Da ist sie mir mehr als einmal zur Hand gegangen, während du nicht hier warst." Tina nickte. Sie konnte sich ja denken, dass ein Mann wie Peter kein Problem damit hatte Hilfe zu bekommen. Er musste bestimmt nicht lange darum bitten. Ellen. Schon wieder eine Frau aus ihrem Leben, die sie nicht kannte. Wie viele Menschen würde sie wohl vergessen haben. Kurzerhand steckte sie ihre dreckige Wäsche in die Maschine. Als sie in einem der Schränke auch Waschmittel gefunden hatte und sich kurz eine Übersicht verschafft hatte, schaltete sie sie ein. "Willst du dich nicht erst einmal ausruhen?", fragte Peter. "Wovon?", erwiderte Tina. "Ich habe die letzten paar Wochen fast nichts anderes gemacht als mich auszuruhen. Es wird Zeit, dass ich wieder in meinen Alltag zurückkehre."

Kurze Zeit später machte Peter mit Tina einen Rundgang. Er zeigte ihr das Grundstück, die Villa und die Nebengebäude, wie Garage und Werkstatt. In der Garage standen außer dem Cabrio noch zwei kleinere Fahrzeuge. Tina nahm sich vor in näherer Zukunft zu testen, ob sie überhaupt noch in der Lage war ein Fahrzeug zu führen. Einen Schein dafür musste sie schließlich besitzen. Aufgrund von Peters Erzählungen wusste sie, dass am Tag ihres Verschwindens auch ihr Auto verschwunden und bis zum heutigen Tag nicht aufgefunden worden war. Sie wollte Peter bitten doch demnächst neue Ausweispapiere für sie zu besorgen. Da auch ihre Handtasche nicht wieder aufgefunden wurde, hatte sie noch nicht einmal einen Pass. Als wenn Peter ihre Gedanken lesen könnte sagte er: „Wir gehen demnächst in die Stadt Liebes und werden alle Papiere für dich neu beantragen.“, und nach einer kurzen Pause „Oh, damit ich´s nicht vergesse. Ich habe Gloria und ihren Mann Frank für morgen Abend zum Grillen eingeladen. Ich hoffe es ist dir recht. Heute wollte ich dir erst mal noch ein bisschen Ruhe gönnen. Gewöhne dich erst einmal an zu Hause. Wir werden es uns morgen auf der großen Poolterrasse gemütlich machen. Wir haben die Erlaubnis beides zu nutzen solange mein Chef nicht hier ist."

Ein bisschen störte es sie schon, dass Peter so über ihren Kopf hinweg entschied, aber das entsprach wohl seinem Naturell. Sie freute sich allerdings auch darauf Gloria wiederzusehen und war neugierig auf ihren Mann. Es könnte bestimmt doch ein ganz schöner Abend werden. Peter hatte sicher Recht und meinte es nur gut. „Haben wir auch alles für so einen Abend zu Hause“, fragte sie daher nur. „Ich würde gern ein paar Salate machen wenn es dir recht ist.“ „Ich schlage vor du schaust in die Schränke und schreibst dir auf was du noch brauchst. Ich überlege mir was wir grillen und morgen gehen wir gemeinsam einkaufen. Bei der Gelegenheit können wir ja auch deine Papiere beantragen.“ Und so ging Tina in die Küche und sah sich in den Schränken um, während Peter in der Werkstatt nach Grill und Kohle suchte.

Als Tina die ganzen Lebensmittel durchsuchte, knurrte ihr auf einmal der Magen. Dabei fiel ihr auf, dass sie seit dem Frühstück noch nichts gegessen hatte. Peter hatte sicher auch Hunger und sie begann damit ein einfaches Mittagessen zu kochen. Im Kühlschrank befand sich genügend Fleisch und Gemüse und sie zauberte in kürzester Zeit eine leckere Mahlzeit zu. Sie wusste gar nicht woher sie kochen konnte. Vermutlich hatte sie das früher schon immer gemacht und es war ihr so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie einfach drauflos kochte. Vielleicht hatte sie sogar andere Fähigkeiten, vielleicht sogar einen Beruf, von dem sie noch nichts wusste und es galt mit der Zeit alles darüber herauszufinden. Peter kehrte aus der Werkstatt zurück. Seine Suche war von Erfolg gekrönt und er hatte alles für den nächsten Abend vorbereitet. Während er auf das Gästehaus zuschritt kam ihm ein köstlicher Geruch entgegen. Hatte Tina etwa gekocht? Das hatte sie schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Er betrat die Küche und beobachtete wie sie mit den Töpfen und Pfannen hantierte. Er grinste als sie ihn bemerkte und zu ihm aufschaute. Sie lachte zurück. „Du hast doch sicher auch Hunger, oder? Wir können gleich essen. Ich decke nur noch schnell den Tisch“ Peter ging ins Badezimmer und wusch sich die Hände. Er hatte tatsächlich Hunger, bemerkte er als er zurück in die Küche ging, wo Tina schon die Teller mit gebratenem Hähnchenfleisch Nudeln und Gemüse füllte. Es duftete herrlich und so schmeckte es auch. Peter war sehr überrascht und er freute sich über Tinas Spontanität. Offensichtlich fühlte sie sich schon sehr heimisch hier. Das war ein gutes Zeichen. Alles wird gut, dachte er sich.

Gemeinsam verbrachten sie so den Rest des Tages. Sie saßen auf der Terrasse am Pool und tranken gemütlich ein Glas Wein und unterhielten sich dabei. „In der Klinik bin ich sehr gerne geschwommen“, meinte Tina irgendwann, indem sie mit dem Glas in der Hand auf den Pool blickte. „Meinst du ich dürfte hier auch den Pool benutzen?“ „Selbstverständlich. Die Erlaubnis dafür haben wir.“, antwortete Peter. Badekleidung, dachte er ein wenig erschrocken. Daran habe ich nicht gedacht. Wie soll ich Tina erklären, dass sie so etwas anscheinend nicht besitzt, obwohl es hier so einen herrlichen Pool gab. Irgendwie musste er es schaffen ein oder zwei Badeanzüge aus der Villa zu holen ohne, dass sie etwas davon bemerkt.

Tina konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Der Tag war doch ein wenig viel für sie gewesen. Die vielen neuen Eindrücke und der Wein. Das alles hatte sie müde gemacht. „Ich glaube ich werde mich bald schlafen legen“, sagte sie daher zu Peter. Beim Gedanken daran die Nacht mit ihm in einem Bett zu verbringen wurde ihr ganz schön mulmig. Sicher, sie waren Eheleute. Aber für sie war es als wenn sie das Bett das erste Mal mit diesem Mann teilen würde. Sie würde sich einfach nichts anmerken lassen und sich so natürlich wie möglich benehmen.

Mit einem Lächeln in Peters Richtung sagte sie „Ich gehe mich schon mal fertigmachen. Kommst du auch bald?“ „Ich komme auch gleich. Geh du schon mal vor. Ich werde noch schnell in der Villa nachsehen, ob alle Türen abgeschlossen sind, dann komme ich nach.“ Die Gelegenheit wollte er nutzen. Schnellen Schrittes ging er in Tinas Ankleidezimmer und suchte in all diesen Wäschestücken nach etwas, das wie ein Bikini oder Badeanzug aussah. Er hatte Glück und wurde bald fündig. Hoffentlich war Tina noch im Badezimmer, sodass er ihr die Stücke, die er ausgesucht hatte, in ihren Schrank im Gästehaus mogeln konnte. Und auch diesmal hatte er Glück. Als er das Haus betrat hörte er im Badezimmer das Wasser der Dusche rauschen. Er ging ins Schlafzimmer und steckte die Badewäsche in eine der Schrankschubladen. Geschafft. So etwas durfte nicht noch einmal passieren. Wegen so einer Kleinigkeit würde womöglich sein ganzer Plan auffliegen. Jetzt, da alles so gut lief sollte nichts und niemand seine Pläne durchkreuzen. Tina kam aus dem Badezimmer und ging an ihm vorbei, bekleidet mit einem seidenen Nachthemd. Sie roch so gut. Am liebsten hätte er sie an sich gerissen. Aber er konnte sich zurückhalten. Es war wichtig sie nicht zu überrumpeln. Er wollte, dass sie den Anfang machen würde wenn es sie nach körperlicher Nähe verlangte. Unmerklich sog er ihren Duft ein, den sie beim Vorbeigehen ausströmte und ging ebenfalls ins Badezimmer um zu duschen. Eine kalte Dusche wäre jetzt genau das Richtige. Er ließ sich ein ganzes Stück Zeit bevor er zu ihr ins Schlafzimmer ging. Sie lag auf der linken Seite des Bettes und blickte zu ihm auf, als er das Zimmer betrat. Auf dem Nachttisch neben ihr lag eine kleine Taschenlampe. Sie hatte es sich aufgrund ihrer Angst vor Dunkelheit zur Gewohnheit gemacht immer eine solche, Sicherheit spendende, Lichtquelle neben dem Bett parat zu haben. Das hatte ihr der Psychiater der Klinik geraten. „Ich hoffe, dass ich auf der richtigen Seite liege. Ich weiß ja nicht wie es vorher war.“, meinte sie. Vorher dachte Peter. Wenn du wüsstest. Vorher schlief jeder von uns für sich alleine. Wie oft hatte sie ihn aus ihrem Zimmer ausgesperrt und er konnte stundenlang nicht einschlafen. „Das ist doch völlig egal mein Schatz“, sagte er laut und legte sich neben sie. „Keine Angst Liebes. Ich werde nicht über dich herfallen wie ein Tier. In diesem Bett wird nichts geschehen, was du nicht auch willst.“ Sie lächelte dankbar und er beugte sich über sie um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. „Gute Nacht mein Schatz!“, sagte er und löschte das Licht auf dem Nachttisch. „Gute Nacht!“, antwortete Tina im Dunkeln. „Ich danke dir .... für alles.“

Keiner der beiden fand sofort Schlaf. Wach lagen sie nebeneinander und fühlten die Nähe des Anderen. Tina war die erste, die vor Erschöpfung einschlief. Peter konnte ihre langen Atemzüge hören. Bald, dachte er sich. Bald wirst du in meinen Armen liegen und es wird genau so sein wie ich es mir wünsche. Mit diesem Gedanken konnte auch er endlich einschlafen.

Als Tina am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war das Bett neben ihr schon leer. Aus der Küche hörte sie Geschirr klappern und es roch nach frischem Kaffee. Sie streckte ihre Glieder aus und stieg aus dem Bett. In der Küche traf sie auf Peter, der sie breit angrinste. „Guten Morgen Liebling. Gut geschlafen?“ Mit einem leichten Gähnen antwortete sie. „Ah ja.. das tat gut. Ich glaube ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Ich hoffe ich habe nicht geschnarcht.“, lachte sie. „Ich weiß nämlich gar nicht ob ich schnarche .... “ Da musste auch Peter lauf auflachen. „Du kannst ganz beruhigt sein. Ich hab dich in den ganzen Jahren noch nie richtig Schnarchen gehört. Komm ich hab Frühstück gemacht damit wir bald in die Stadt fahren können.“

Tina setzte sich noch im Nachthemd auf die Eckbank. Peter schenkte beiden Kaffee ein und setzte sich dazu. Gemütlich nahmen sie ihr Frühstück zu sich und besprachen den heutigen Tag. Sie hatten noch einiges vor und am Abend würden sie Besuch von Gloria und Frank bekommen.


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