Читать книгу Von Vampiren, Kriegern und Dieben - Heike Möller - Страница 8
Kapitel 5: Lasst Blumen sprechen
ОглавлениеLeilani Fischer konnte sich auch zwei Tage nach ihrem Einbruch in die Villa des geheimnisvollen Mannes nicht völlig auf ihre Arbeit konzentrieren. Sie saß mit ihrer Kollegin im Bezirksamt in dem Büro, dass sie sich teilten und bearbeiteten einige Akten und Anträge. Zwar wurde der überwiegende Teil dieser Arbeit heutzutage schon am PC erledigt, doch gab es immer noch ganz normale Akten, deren staubiger Papiergeruch in ihrer Nase kitzelte.
Sie hasste die Arbeit, aber Tarnung musste sein. Und was konnte eine bessere Tarnung abgeben, als Angestellte im Öffentlichen Dienst zu sein?
Leilani verglich die Daten mit den Unterlagen, berechnete anhand der eingereichten Unterlagen des `Patienten´, wie sie ihre Kundschaft immer zu nennen pflegte, deren Zuschüsse, trug sie in die entsprechenden Spalten und druckte sie aus. Der Stapel mit der Beschriftung `Zur Unterschrift´ wurde immer größer.
„Sag mal, hast du irgendetwas?“
Leilani sah ihre Kollegin an. Die Frau ihr gegenüber war Anfang 30 und schon verbeamtet. In den letzten zwei Jahren hatte Anita Kolkwitz massig an Gewicht zugelegt, was letztendlich daran lag, dass sie ständig irgendetwas in sich hinein futterte. Doch die Frau hatte ein sonniges Gemüt und Geduld wie ein Kaltblüter. Leilani mochte sie irgendwie, war aber weit davon entfernt, sie als Freundin zu bezeichnen.
„Nein. Warum?“
„Weil ich schon seit ungefähr zehn Minuten rede und rede und keine Antwort bekomme.“
Leilani grinste frech. „Anita, ich will dich in deinem Redefluss nicht unterbrechen. Du bist die Mitteilsame, ich die Schweigsame.“
Anita verzog ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund. „Ja. Aber heute reizt du deine Schweigsamkeit extrem aus. Und außerdem kannst du den blauen Fleck an deinem Kinn noch so sehr zu überschminken versuchen. Ich sehe ihn trotzdem.“
Leilani hatte tatsächlich mit einem Make-up versucht, den blauen Fleck, der durch die schnelle Kühlung nicht so groß und dick geworden war wie befürchtet, zu verstecken. Sie seufzte. „Ich bin beim Joggen gestolpert und mein Kinn hat die Bekanntschaft mit einer Wurzel gemacht.“
„Siehst du! Schon Churchill sagte, Sport ist Mord!“ Anita biss von ihrem Brötchen ab.
Leilani schüttelte lachend den Kopf. „Das Zitat lautet `No Sports´, Anita. Und ich bin nicht getötet worden.“
„Hah! Das kommt noch. Schaff dir lieber einen Freund an. Matratzensport ist Sport genug.“
Leilani schmunzelte und beendete ihre Berechnung. „Meine liebe Anita, meine Ansprüche an einen Mann sind sehr, wirklich sehr hoch. Und bisher ist mir kein Mann begegnet, der es auch nur ansatzweise Wert gewesen wäre, sich näher mit ihm zu beschäftigen.“
Anita verdrehte die Augen und nahm einen Schluck ihres gesüßten Tees. „Wie haben deine früheren Freunde das nur ausgehalten?“
Leilani sagte nichts, sondern warf der Kollegin nur einen vielsagenden Blick zu. Anita blieb vor Schreck der Bissen im Munde stecken. Hastig würgte sie das abgebissenen Brötchenstück hinunter.
„Du bist doch nicht etwa noch Jungfrau, oder?“
Leilani konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wie ich schon sagte, meine Ansprüche sind sehr hoch.“ Sie stand auf und holte ein paar Pappregister, als es an der Tür klopfte.
„Heute ist kein Publikumsverkehr“, brummelte Anita leise.
„Hier ist ein Bote mit einer … persönlichen Sendung!“ Die Stimme ihres Arbeitskollegen hinter der Tür wirkte etwas verwundert.
Leilani sah Anita an. „Hat Tufek dir wieder etwas geschickt?“
Tufek war Anitas tunesischer Freund und Lebensgefährte, ein liebevoller und vor allem liebestoller Mann.
„Nicht, dass ich wüsste. Mach doch endlich die Tür auf!“
Leilani verdrehte die Augen und schloss die Tür auf. Martin Roll, ein Kollege, der zwei Türen weiter arbeitete stand zusammen mit einem Boten vor der Tür. Der hatte ein schmales, etwa 80 Zentimeter langes Paket in seinen Armen.
„Ich glaube, das ist für dich, Anita“, sagte Leilani und drehte sich um.
„Nein, die Lieferung ist für Leilani Fischer“, sagte der Bote und sprach das `ei´ von Leilani wie das `ei´ bei Hühnerei aus.
Leilani starrte den Boten, dann das Paket an. „Ähm … das bin ich“, sagte sie verwirrt.
„Super. Bitte schön.“ Er drückte es ihr einfach in den Arm.
„Brauchen Sie keine Unterschrift oder so?“, rief Leilani dem Boten hinterher, der sofort nach der Übergabe den Gang zum Treppenhaus zurückeilte.
„Nein. Der Absender hat es mir vor fünf Minuten übergeben mit der Bitte, es sofort zu überreichen. Hat mich bar bezahlt!“
Weg war er.
Leilani starrte auf das Paket, dann zu Anita, die mit vor Neugierde geweiteten Augen dasaß.
„Mach es auf!“, forderte Martin Roll und grinste.
„Steckst du dahinter?“, fragte Leilani misstrauisch. „Oder einer der Kollegen? Ist das ein Streich?“
Martin hob lachend die Arme. „Nein. Ich schwöre dir, ich weiß von nichts.“
„Ich auch nicht“, piepste Anita.
Leilani ging zu ihrem Schreibtisch und legte das Paket ab. Um das weiße Paket war eine geschmackvolle rote Schleife mit goldenen Rändern gebunden. Vorsichtig löste Leilani die Schleife und öffnete den Klappdeckel des Kartons.
Eine schwarze Orchidee mit blutrotem Stempel und goldenen Rändern kam zum Vorschein.
Leilani hielt die Luft an, musste sich setzen. Sie mochte Blumen, und Orchideen waren ihre Lieblingsblumen. Und diese hier war ihr gänzlich unbekannt.
Wer schickte ihr eine solche Kostbarkeit?
Und dann fiel es ihr ein.
„Oh mein Gott!“, stöhnte sie und schlug die Hand vor den Mund. >Er hat mich gefunden! <
Der Mann, in dessen Villa sie eingebrochen war, hatte im hinteren Teil seines Grundstückes ein Gewächshaus zu stehen. Durch die Scheiben hatte sie Orchideen erkennen können.
„Alle in Ordnung, Leilani?“, fragte Martin Roll besorgt.
„Himmel, wer schickt dir denn diese wunderschönen Blumen?“ Anita war völlig begeistert. Ihre romantische Seele stellte sich vor, dass ein flotter Mann Leilanis Aufmerksamkeit wollte.
„Alles … alles in Ordnung, Martin. Ich bin nur … überwältigt.“
Martin hatte seine Kollegin noch nie so blass gesehen. Prüfend blickte er in die Schachtel, entdeckte etwas. „Da ist eine Karte.“
Leilani beugte sich über die Schachtel, entdeckte die Karte ebenfalls und nahm sie heraus.
`Leilani. Bitte komm in deiner Pause in das Café gegenüber dem Bezirksamt. Wir müssen reden. T.K.´
Leilani zitterte. Es war als Bitte formuliert, aber unmissverständlich auch als eine Aufforderung zu verstehen. Sollte sie es ignorieren?
Leilani war zu neugierig.
„Anita, du musst deine Pause heute mal ohne mich machen, okay“, sagte sie geistesabwesend.
„Okay“, sagte die rundliche Frau und grinste von einem Ohr zum anderen. „Sieht er gut aus?“
Leilani sah ihre Kollegin verdutzt an. „Das … ist doch egal. Keine Ahnung. Ist kompliziert.“
„Ja. Offensichtlich“, meinte Martin Roll und sah besorgt in die ungewöhnlich grünen Augen der Frau. Die Pupillen pulsierten wie nach einem kleinen Schock. „Was will der Kerl von dir?“
„Na ein Date!“, meinte Anita und klatschte begeistert in ihre Hände.
„Mann, Anita. Wach auf! Siehst du nicht, dass Leilani geschockt ist?“ Martin Roll war verärgert über so viel Naivität.
„Ist schon gut, Martin. Wirklich. Mein Bekannter ist.... Ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen und ich bin einfach überrascht.“
„Brauchst du Begleitschutz?“
Leilani sah Martin prüfend an. Sie dachte an den muskulösen Mann in der Pyjamahose, der wahrscheinlich nicht mal mit der Wimper zucken würde, wenn Martin sich vor ihm aufbaute. Was zudem auch unfreiwillig komisch wirken würde.
Martin Roll, höchstens 1,80 Meter groß, war eher schmächtig, mit schütterem Haar. Aber ein ehrlicher und gutherziger Mann, verheiratet, zwei Kinder.
„Nein, Martin. Er ist wirklich ein Freund. Ich habe nur nicht mit seinem Auftauchen gerechnet, das ist alles.“
Leilani betrachtete die Orchidee. Der Stiel war in einer kleinen, mit Wasser gefüllten und hermetisch versiegelten Plastikphiole. Die Orchidee hatte viele, kleinblättrige Blüten, einige davon waren noch nicht geöffnet. Vorsichtig schnupperte Leilani an den zarten Blüten. Ein schwacher Duft entströmte der Blume und sie konnte nicht sagen, wonach die Blume roch. Es war auf definitiv … exotisch.
Tristan trank seine dritte Tasse Kaffee und beobachtete den Eingang des Bezirksamtes auf der anderen Straßenseite.
Würde sie kommen?
Sein Handy klingelte. „Qui?“
„Güldensteen hier“, brummte der Bariton des Flamen an Tristans Ohr.
„Ben! Ich muss dir danken, dass du mir die Daten besorgt hast.“
Tristan hatte Benjamin van Güldensteen damit beauftragt, Leilani Fischer ausfindig zu machen. Das ging schneller als erwartet und Tristan wollte unbedingt mit der Frau reden.
„Verrätst du mir, was eine Angestellte des Öffentlichen Dienstes in Berlin so interessant für dich macht, Tristan?“
Tristan überlegte, ob er Ben alles erzählen sollte, entschied sich aber dagegen. „Sagen wir einfach, sie fasziniert mich. Und sie ist mir was schuldig. Gibt’s was Neues von der Legionärsfront?“
„In Alexandria sind die Leichen von zwei Legionären gefunden worden. Eine Hinrichtung. Gezielte Schüsse in den Hinterkopf.“
Tristan schnalzte mit der Zunge. „Einer von uns?“
„Glaube ich nicht. Ich denke wir hätten andere oder gar keine Spuren hinterlassen.“
Tristan musste dem Flamen Recht geben. „Danke, Ben. Ich habe übrigens dafür gesorgt, dass das Triumvirat einen stillen Alarm rausgibt. Müsste ab heute im Umlauf sein.“
„Gut, Kadian. Das ist gut. Wir können es uns nicht leisten, unachtsam zu sein.“ Bens Stimme klang besorgt und Tristan teilte die Sorge.
„Ja. Ich muss jetzt Schluss machen, Ben. Bekomme Besuch.“ Tristan legte auf und sah Leilani entgegen, die mit stolzer und aufrechter Haltung über die Straße gelaufen kam. Sie hatte einen weit schwingenden, weißen Rock an, dazu eine hellgrüne Bluse, die sich perfekt mit ihren Augen ergänzte. Die Füße steckten in modischen weißen Römersandalen. An den Ohrläppchen blitzten Einkaräter in goldener Fassung. Dazu passend hatte sie einen Solitär an einer eng anliegenden Nylonkette um den Hals.
Tristan sah, dass sie den blauen Fleck auf dem Kinn mit Make-up abgedeckt hatte. Etwas Wimperntusche, sonst nichts.
Leilani bemerkte verärgert, wie der Mann sie betrachtete. Also begutachtete sie ihn auch. Er saß wieder mit übergeschlagenem Bein da, hatte eine schwarze Leinenhose und ein weißes, weit geschnittenes Leinenhemd an. Das Hemd war bis zum Brustbein offen und eine goldene Kette mit einem goldenen Kreuz blitzte hervor. An seinem Handgelenk saß eine teure, goldene Uhr und er trug eine Sonnenbrille, die er aber nach oben geschoben hatte und die die etwas längeren Haare des Oberkopfes zurückhielt. Der Gesichtsausdruck war kühl und distanziert, so, wie Leilani es erwartet hatte.
Als Leilani kurz vor dem Café war, stand Tristan auf, rückte einen Stuhl für sie zurecht.
„Schön, dass du gekommen bist“, sagte er leise und sah in die jadegrünen Augen. Leilani wirkte verärgert, verkrampft, aber er konnte es verstehen. Es musste ein Schock für sie gewesen sein, eine Nachricht von ihm zu bekommen.
„Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich eine große Wahl gehabt hätte“, sagte sie mit kalter Stimme. Sie setzte sich und Tristan setzte sich ihr gegenüber.
„Ich habe mich dir noch gar nicht vorgestellt, fürchte ich“, sagte er und reichte ihr die Hand. „Tristan Kadian.“
Leilani starrte auf die Hand, ergriff sie dann zögernd. Die Hand war kühl, der Händedruck fest, aber freundlich.
„Kommen wir zur Sache“, begann Leilani. „Was wollen Sie?“
Die Kellnerin kam und Leilani bestellte sich ein Wasser. Tristan nahm den vierten Kaffee.
„Nach wie vor Antworten, Leilani.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihnen nicht mehr zu sagen als das, was ich Ihnen schon gesagt habe“, sagte sie leise, aber mit fester Stimme.
„Fangen wir anders an. Ich erzähle dir eine Geschichte. Es waren einst zwei Männer, Krieger. Jeder kämpfte auf seiner Seite für seine Sache. Jeder glaubte, dass es das Richtige war, und zu diesem Zeitpunkt war es das auch.
Die beiden Männer waren Feinde. Nicht, weil sie sich vorher gekannt hatten, sondern weil die politische Lage es erforderte. Man könnte sagen, sie waren Soldaten, die im Auftrag ihrer Regierung um ein und dieselbe Sache kämpften. Und es konnte nur einen Sieger geben.
Der eine gewann, der andere verlor. Der Verlierer schwor Rache, und er rächte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Dabei hatte der Verlierer keine Skrupel, unbeteiligte Personen zu benutzen. Es war ihm egal, wenn sein Bauernopfer von dem Sieger in dieser Fehde zu Schaden kam. Oder sogar in Notwehr getötet wurde.“
Die Getränke kamen und die Kellnerin lächelte Tristan ein wenig länger als die anderen Gäste an.
Leilani sah Tristan in die grünbraunen Augen. „Darf ich raten? Sie sind der Gewinner und dieser Darius, nach dem Sie mich vorgestern fragten, ist der Verlierer.“
Tristan nickte, während er vorsichtig an seinem Kaffee nippte.
„Was war das für ein Kampf oder Krieg?“
„Tut nichts zur Sache. Wirklich nicht. Weißt du, worauf ich hinaus will?“
Leilani trank etwas Wasser, sah den Mann lange an. „Ich denke schon. Sie glauben, dass ich so ein Bauernopfer bin. Aber ich kenne keinen Darius. Wirklich nicht.“
„Aber er kennt dich vielleicht. Und hat dich beauftragt, bei mir einzubrechen.“
„Unlogisch. Dann hätte er mich schon beim ersten Mal zu Ihnen schicken können.“
Tristan schürzte die Lippen. „Beim ersten Mal? Verstehe. Eine Art Stammkunde.“
Leilani runzelte die Stirn. „So wie Sie das sagen klingt das billig.“
Tristan zuckte mit der Schulter. „Wie soll ich es denn sonst sagen? Ist ja auch egal. Da du deinen Auftrag nicht erledigt hast, bist du vermutlich in Gefahr.“
Leilani lachte leise, trank ihr Wasser aus. „Hören Sie, Herr Kadian. Für mich klingt das alles sehr paranoid. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert, in Mitteleuropa. Ich glaube nicht, dass mein Auftraggeber mich leimen wollte oder mir gefährlich werden könnte. Ich danke Ihnen für die Blumen, aber ich bitte Sie, lassen sie mich in Ruhe. Vergessen wir einfach die letzten Tage, streichen wir sie aus unserem Erinnerungsvermögen.“
Sie wollte aufstehen und gehen, aber Tristan ergriff ihr Handgelenk, hielt sie fest. Leilani wurde wütend. „Lassen Sie mich los!“
„Bitte, Lani. Ich meine es todernst. Dieser Mann ist gefährlich.“ Tristan sah ihr fest in die Augen. „Ich bin deine einzige Chance, heil aus der Sache rauszukommen.“
>Lani? So hat mich ewig niemand mehr genannt. <
„Das sehe ich nicht so“, sagte sie und riss ihren Arm aus seinen Griff.
Tristan sah ihr nach, wie sie die Straße überquerte und in dem Gebäude, wo sie arbeitete, verschwand. Er hatte ihren Gedanken aufgeschnappt, als er sie mit der Kurzform ihres Namens ansprach.
>Ich hoffe, ich bin wirklich paranoid. Nicht auszudenken, was Darius mit ihr anstellt, wenn er wirklich dahinter steckt. Das hat sie nicht verdient, egal, ob sie eine Diebin ist. <
Leilani stieg mit dem Karton, in dem die Orchidee sicher verstaut war, die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Obwohl ihr die Begegnung mit diesem Mann, Tristan Kadian, unangenehm war, freute sie sich über diese Orchidee. Blumen hatten etwas Reines, Unverdorbenes und Leilani konnte sich vorstellen, eines Tages ein Haus mit einem großen Blumengarten irgendwo in der Toskana zu besitzen.
Sie kicherte, als sie die letzten Stufen der vierten Etage des Altbaus erklomm. Sie liebte ihre große Wohnung mit den drei Zimmern, der riesigen Küche und dem beinahe ebenso großen Badezimmer. Die Decken waren über drei Meter hoch und mit Stuck verziert. Die alten und morschen Fenster waren kurz vor ihrem Einzug vor zwei Jahren gegen moderne und Wärme regulierende Fenster in alter Kreuzoptik ausgetauscht worden.
Obwohl Neukölln nicht gerade ein beliebter Bezirk Berlins ist, tobt hier das Leben. Besonders hier, nahe der Grenze zu Treptow, einem der `neuen In-Bezirke´.
Leilani dachte an das Gespräch mit dem Franzosen. Sie hatte noch in der Nacht, als sie nach dem missglückten Einbruch nach Hause kam, die Geldanweisung auf ihrem Konto zurück gebucht und den Auftraggeber angerufen.
„Ich bin überrascht worden. Das Geld habe ich Ihnen schon zurücküberwiesen.“
„Sind Sie verletzt?“
Leilani hatte die Stirn gerunzelt. Die Frage des Mannes war merkwürdig. „Nein. Es ist alles in Ordnung. Die Ware ist übrigens nicht vor Ort.“
Der Auftraggeber schwieg einen Moment. „Danke. Ich melde mich vielleicht wieder.“ Und damit hatte der Mann aufgelegt.
Leilani wusste, dass die Handynummer schon in diesem Augenblick nicht mehr erreichbar sein würde und versuchte es auch gar nicht erst.
Jetzt grübelte sie über den Satz nach, während sie den Schlüssel in das Schloss steckte.
`Sind Sie verletzt? ´
Leicht verärgert über ihre Unsicherheit öffnete sie die Wohnungstür und betrat den Flur. Sie ging schnurstracks in die Küche … und blieb erstarrt stehen. Ihre grünen Augen wurden groß und die Kinnlade fiel herunter. Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt und sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen.
„Das kann nicht wahr sein!“
Sie ließ die Blumen in dem Karton einfach fallen und rannte in das Wohnzimmer, dann in das Schlafzimmer, ins Arbeitszimmer.
In ihrer Wohnung war eingebrochen worden und im Arbeitszimmer sah es am Schlimmsten aus. Alles war durchwühlt worden, Bücher, Ordner, Papiere, alles lag wild durcheinander auf dem Boden, dem Stuhl, dem Schreibtisch.
„Nein“, hauchte sie entsetzt. Und dann wurde sie wütend. „Dieser elende Mistkerl!“
Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus der Wohnung.