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Kapitel 6: Umgedrehter Spieß

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Jannik Cerný sah seinen großen Freund mit prüfenden Blick aus seinen rehbraunen Augen an. „Irgendetwas ist anders“, stellte er fest.

„Was meinst du?“ Tristan packte die Blutkonserven aus der Kühlbox, die Jan ge­bracht hatte, in den Tresorkühlschrank.

„Du bist … abwesend. Als ob du dir über irgendetwas oder irgendjemanden Gedan­ken machst.“

Tristan schüttelte den Kopf. „Jetzt fängst du auch noch an“, knurrte er. „Ich bin in Ordnung, ein für alle Mal.“ Er legte die letzte Konserve in den Kühlschrank und verschloss ihn sorgfältig. „Ich habe akzeptiert, dass Rowena und ich kein Paar mehr sind. Endgültig!“

Jan zog eine blonde Augenbraue hoch. „Dein Verstand vielleicht, Alter. Aber dein Herz nicht.“

Tristan seufzte genervt. „Mein Verstand ist dabei, mein Herz zu überzeugen, okay? Und jetzt möchte ich nicht mehr darüber reden!“

Janniks Blick blieb auf der dicken Akte auf Tristans Schreibtisch hängen. „Darius? Haben dich deine Träume wieder eingeholt?“

Tristan folgte Jans Blick und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Sagen wir, es gibt ein paar … Begebenheiten, die mich annehmen lassen, dass der Kerl doch noch am Leben ist.“

Jan sah seinen Freund missbilligend an, dann setzte er sich demonstrativ in den bequemen Stuhl gegenüber dem Schreibtisch, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände vor dem Bauch. „Ich habe Zeit, Tris.“

Tristan ahnte, dass er Jan nicht loswerden würde, wenn er ihm nicht wenigstens ein paar wichtige Einzelheiten nennen würde. Trotzdem versuchte er, das Thema in eine andere Richtung zu lenken.

„Du hast mir nicht zufälligerweise eine Jungfrau ins Haus geschickt, oder?“

Jannik glotzte den Franzosen verwirrt an. „Eine Jungfrau? Himmel, gibt es die in Berlin überhaupt? Ich meine welche, die über 18 Jahre alt sind?“

„Offensichtlich“, knurrte Tristan und verwünschte sich für seine Frage. Er ahnte, dass das einen Stiefel an neuen Fragen von Jannik nach sich ziehen würde. Und richtig!

„Du hattest Besuch von einer Jungfrau? Wann? Wie war sie? Kommt sie wieder? Ist sie viell....“

„Jan!“ Tristan brüllte den Tschechen kurz an, gab dann einen genervten Laut von sich. „Okay. Kurzfassung. Vor zwei Nächten hatte ich Besuch von einer jungen Dame. Jungfrau. Ich habe sie unversehrt, und zwar in jeglicher Hinsicht, wieder fortgeschickt.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, warum mir jemand eine Jungfrau ins Haus schickt. Nummer eins: meine `lieben´ Freunde dachten, sie würden mir etwas Gutes tun.“

Jannik sah Tristan entrüstet an. „Das würde einem Mordversuch gleichkommen“, stieß Jannik hervor.

„Eben. Und das tut keiner meiner Freunde, selbst, wenn er es gut meint.“

„Nummer zwei: ein Feind versucht mich zu provozieren. Ich hätte das Mädchen ent­weder überfallen und leer gesaugt oder überfallen, leer gesaugt und sie dabei noch vergewaltigt. Damit wäre mein guter Ruf hinüber gewesen.“

„Das bedeutet, dass dich dein Feind nicht besonders gut kennt“, grübelte Jan. „Denn jeder, der sich auch nur ein bisschen näher mit dir befasst hat weiß, dass du integer bist. Beherrscht. Diszipliniert bis in die kleinste Faser deines Körpers. Loyal und …“

„Danke für deine Lobeshymnen“, unterbrach Tristan seinen Freund. „Du übertreibst ein wenig.“

Er setzte sich und drehte sich langsam eine Zigarette. „Ich war sehr dicht davor, meine Beherrschung zu verlieren“, gestand er und dachte an jadegrüne Augen. „Der Duft, der von Leilani ausging, war …“

„Leilani? Toller Name!“

„Würdest du bitte aufhören, mich ständig zu unterbrechen!“ Tristans Augen, die in einem sanften Grünbraun mit goldenen Sprenklern schimmerten, straften der Härte seiner Stimme Lügen. Trotzdem war Jannik ein wenig eingeschüchtert. Der jüngere Vampir presste die Lippen aufeinander.

„Entschuldige, Jan. Vielleicht bin ich etwas paranoid. Ich habe beinahe 100 Jahre nichts von Darius gehört. Die letzte Meldung, die ich mit ihm in Einklang bringen konnte, war bei der Schlacht um Verdun im Ersten Weltkrieg. Angeblich soll eine Bombe ihn da zerfetzt haben. Aber …“

„Er wurde schon öfter für tot erklärt, ich weiß.“ Jans Stimme war leise, ernst. „Verdun liegt doch in der Nähe deiner Besitztümer, oder?“

Tristan nickte. „Deswegen war ich damals mehr als doppelt geschockt und motiviert als ich herausfand, dass Darius auf der Seite der Deutschen eine Abteilung anführte. Wie gern hätte ich dem Kerl selbst die Rübe abgehackt, aber …. Seine Leiche wurde nie gefunden, nur die Rangabzeichen und Teile der Uniform. Und seit beinahe 100 Jahren hat wirklich niemand im Konzil oder sonst wo etwas von ihm gehört.“

Jannik legte den Kopf schief. „Ich fragte dich schon, ob deine Träume wiedergekehrt sind.“

Tristan zündete die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. „Ja. Aber nicht so schlimm wie früher.“

Jan runzelte betrübt die Stirn. „Das tut mir leid, Mann.“

Tristan Kadian war 1192 nach der Schlacht von Akkon durch Darius brutal gewandelt worden und dann ausgehungert in der Wüste ausgesetzt worden. Nur durch Zufall war er von einem anderen Vampir gefunden worden, der ihn rettete, ausbildete.

Jannik kannte jede Einzelheit der Geschichte. Er selbst hatte das Glück, willentlich gewandelt zu werden, als er im Sterben lag. Sein Urahn, Freund und Lehrer Adolar hatte ihm dann auch während der Wandlung beigestanden, ihn geleitet, seine Ausbil­dung übernommen.

Dieses Glück war nicht jedem seiner Art im Laufe der Jahrtausende beschienen, und so kam es, dass frisch gewandelte Vampire ohne einen Mentor herum wilderten. Und das hatte zur Folge, dass über die Existenz von Vampiren unter den Sterblichen gemunkelt wurde.

Dass sie verfolgt wurden.

Und immer noch verfolgt werden.

„Mir fällt spontan sonst niemand ein, der perfide genug ist, eine Jungfrau zu benutzen, um mich in Misskredit zu bringen.“ Tristan hatte Jan die ganze Zeit beobachtet, gesehen, wie der Jüngere versuchte, sich eine andere Erklärung zurecht zu legen.

Es klingelte Sturm an der Haustür. Tristan stand auf und ging in den Eingangsbereich, da Luisa, seine Haushälterin, schon Feierabend hatte und er mit Jannik allein in der riesigen Villa war.

>Und was willst du jetzt machen? <, fragte Jan in Tristans Gedanken hinein.

>Ich weiß es nicht. Ich habe versucht mit Leil …<

Weiter kam er nicht. Er machte die Haustür gerade auf und stand vor einer Frau mit exotischen Teint und mandelförmigen, blitzenden jadegrünen Augen.

„Sie elender Bastard!“, schrie sie und stieß ihn einfach in die Villa hinein. Tristan war zu überrascht, als dass er in Abwehrstellung hätte gehen können. Er stolperte rückwärts, wäre fast hingefallen, konnte sich gerade noch fangen.

„Was ist de…“

Leilanis Augen blitzten mit den Diamanten in ihren Ohrläppchen und am Hals um die Wette – und gewannen.

„Sie Mistkerl! Glauben Sie, dass Sie mich auf diese Art und Weise kleinkriegen?“ Leilani hasste Hysterie, aber im Moment war sie viel zu wütend, um ihre Stimme und sich selbst unter Kontrolle zu bringen. Obwohl sie etwa fünfzehn Zentimeter kleiner als der dunkelblonde Mann war und höchstens nur halb so kräftig, baute sie sich vor ihm auf.

„Tristan, was ist los?“ Jannik stürmte aus dem Arbeitszimmer und blieb abrupt stehen, als er die exotisch wirkende Frau mit wütend blitzenden Augen sah. „Whoa!“

„Leilani, ich weiß wirklich nicht, wovon du redest“, versuchte Tristan es erneut und hob beschwichtigend die Hände.

„Ach nein? Sie schicken mir in einem Moment Blumen und `bitten´ um ein Ge­spräch, und im nächsten brechen Sie in meine Wohnung ein!“ Bei dem Wort `bitten´ malte sie erbost Gänsefüßchen in die Luft.

„Ich bin nicht bei dir eingebrochen“, konterte Tristan und wurde langsam sauer. Er hasste es, wenn man ihn anbrüllte. Vor allem dann, wenn die Vorwürfe ungerechtfer­tigt waren.

„Moment, Moment!“ Jannik trat mutig zwischen die beiden. „Bei Ihnen ist eingebrochen worden?“ Er sah der fremden Frau in die Augen und hob erstaunt die Brauen, als er die ungewöhnliche Augenfarbe bemerkte. Die bronzenen Strahlen­kränze um den Pupillen schienen wie Feuerzungen zu tanzen. Er nahm einen Duft wahr und bekam sofort Appetit.

„Whoa!“, wiederholte er und trat zwei Schritte zurück. >Die Jungfrau? <, fragte er seinen Freund, der die Frau fassungslos anstarrte.

>Die Jungfrau<, bestätigte Tristan. „Willst du dich nicht erst einmal beruhigen?“, fragte er die Frau.

„Wie kann ich mich beruhigen, wenn Sie mit einem scheinheiligen Charme hinter mir her schnüffeln und dann meine Wohnung auseinandernehmen?“ Leilanis Atmung pumpte wie verrückt, ebenso ihr Herzschlag.

Tristan sah die blitzenden Augen, die glühenden Wangen. Langsam sickerten die Informationen in sein Gehirn. >Bei ihr ist eingebrochen worden. Himmel, das ist …<

Plötzlich fing Tristan an zu kichern. Zuerst versuchte er verzweifelt, das Kichern zu unterdrücken. Aber je mehr er über die Situation nachdachte, umso schlimmer wurde es. Seine Schultern zuckten plötzlich, er schlug sich die Hand vor den Mund. Ein trockenes, heiseres Lachen, zuerst leise, dann immer lauter werdend, kam aus seiner Brust.

„Tristan?“ Jannik verstand seinen Freund nicht. Wie konnte er nur lachen, wenn die Frau offensichtlich Opfer eines Verbrechens geworden war.

„Das finden Sie auch noch komisch?“, fragte Leilani wütend.

Das war zu viel. Tristan konnte sich nicht mehr aufrecht halten und sank auf die Stufen der Treppe, die ins Obergeschoss führte. Dabei hielt er sich seinen Bauch. Sein tiefer Bass gab dem Lachen etwas Unwirkliches, Unheimliches.

Leilani sah den jungen Mann, offenbar ein Bekannter oder Freund von Tristan Kadian, verunsichert an. Der junge Mann wiederum starrte seinen Freund fassungslos an, wurde blass.

>Ich kenne dich seit 300 Jahren, habe dich auch schon Lachen hören, aber das hier ist skurril! <

Tristan wieherte jetzt regelrecht vor Lachen, schien kaum noch Luft zu bekommen. „Das ist …“ Weiter kam er nicht, weil ein hysterischer Lachanfall den bisherigen noch übersteigerte.

„Tristan, hör´ gefälligst auf!“, schrie Jannik seinen Freund an. „Das ist nicht komisch. Bei der jungen Dame ist eingebrochen worden, verdammt!“

Tristan konnte nicht aufhören. Das empörte Gesicht seines Freundes setzte allem noch die Krone auf. Die ganzen Anspannungen der letzten Zeit wichen von ihm. In einem einzigen, wundervollen Lachanfall.

Jan beschloss, seinen Freund fürs Erste zu ignorieren und wandte sich der Frau zu. Dabei achtete er darauf, ihren Duft nicht einzuatmen, um nicht unbeherrscht über sie herzufallen. Zwar interessierte ihn die Frau in keiner Weise auf sexuellem Gebiet, aber ihr Blutgeruch lockte ungemein.

„Entschuldigen Sie bitte meinen Freund. Er hat in den letzten Monaten einiges mitge­macht, fürchte ich. Ist bei Ihnen viel gestohlen worden?“

Leilani sah den Fremden Stirn runzelnd an. „Nein, ich …. Ich weiß nicht. Ich habe nicht viel gesehen. Bin gleich hierher, weil ich den da zur Rede stellen wollte.“ Sie zeigte mit dem Finger auf Tristan Kadian, der sich immer noch kichernd den Bauch hielt und die beiden mit hochrotem Kopf anblinzelte.

Jannik schämte sich fremd für seinen Freund. Das kannte er nicht an den Lothringer. Auch wenn er distanziert und kühl sein konnte, war er nie taktlos. Bis heute!

„Haben Sie die Polizei gerufen?“

Ein erneutes Brüllen von der Innentreppe ließ Jan seinen Kopf herumwirbeln. Wütend glotzte er Tristan an.

„Die Pol...?“ Leilani blinzelte nervös den jungen Mann an, ihr Mund wurde trocken. Dann sah sie geschockt zu Tristan Kadian.

Und dann verstand sie das Paradoxon. Sie begriff, dass sie, die Diebin, Opfer eines Einbrechers geworden war.

Und das sie ihrem letzten Opfer an den Kopf warf, ein Einbrecher und Dieb zu sein.

Leilanis Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wurde zu einem Grinsen. Dann brach auch sie in schallendes Gelächter aus.

Tristan nickte, während er sich vor Lachen krümmte. „Ist das geil!“, brüllte er und klopfte sich auf die Schenkel.

Jannik stand mit hängenden Schultern da und verstand nun gar nichts mehr. Jetzt schien auch die junge Frau übergeschnappt zu sein. „Könnte mich einer von euch beiden bitte aufklären? Ich hasse es, wie ein dummer Schuljunge dazustehen!“

Leilani konnte nicht mehr. Ihre Beine, die seit der Entdeckung, dass in ihrer Wohnung eingebrochen worden war, zitterten, drohten jetzt nachzugeben. Immer noch lachend setzte sie sich neben den Mann auf die Treppe, den sie vor wenigen Augenblicken am liebsten noch verprügelt hätte.

Tristan holte ein paar Mal tief Luft, versuchte sich zu beruhigen. „Tut mir leid, Jan“, schniefte er. „Situationskomik. Es ist nur so, dass Leil …“ Er brach wieder in Gelächter aus.

Leilani beruhigte sich langsam wieder, wischte mit ihrem Handrücken kurz eine Träne aus dem Gesicht, die ihr durch den plötzlichen Lachanfall einfach so gekommen war. „Ähm …. Ich nehme an, er hat Ihnen nichts erzählt, oder?“

Jannik sah die Frau mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck an. „Nein“, erwiderte er gedehnt.

Sie holte tief Luft, sah dem hübschen, blonden Mann mit den rehbraunen Augen fest ins Gesicht. „Ich bin vor zwei Nächten bei Herrn Kadian hier in die Villa einge­brochen. Er hat mich erwischt und mich trotzdem laufen lassen.“

Jannik glotzte die Frau an, dann Tristan. Der fing, als er Jans entsetztes Gesicht sah, schon wieder an, hemmungslos zu kichern. „Sie … haben was?“, fragte er mit hoher, kieksender Stimme.

Tristan steckte seinen Kopf zwischen die Beine und lachte. Die breiten Schultern, der kräftige Rücken, alles bebte. >Entschuldige! <, brüllte er Jan in Gedanken lachend an.

Jan knurrte ungehalten.

„Sie haben richtig verstanden, Herr …“

„Cerný. Jannik Cerný.“ Jan war immer noch völlig konsterniert und reichte der Frau die Hand.

„Freut mich, auch unter diesen … abstrusen Bedingungen. Ich bin Leilani Fischer.“

Sie nahm die Hand des Mannes und lächelte ihn an. „Sie haben richtig verstanden, Herr Cerný. Ich bin hier eingebrochen und wollte ihren Freund bestehlen. Und jetzt bin ich hier, weil …“ Sie presste rasch ihre Lippen aufeinander um nicht erneut in ein lautes Lachen auszubrechen, schluckte schnell.

„Bei dir ist eingebrochen worden?“, Tristan blickte auf. Er hatte sich wieder unter Kontrolle, aber immer noch war eine leichte Belustigung zu hören.

„Ja. Ich habe wirklich geglaubt, dass Sie es waren.“

Er schüttelte den Kopf, seine Wangenmuskeln zuckten ein wenig. „Ist nicht mein Stil, Lani. Ehrlich nicht.“

Sie sah ihn ruhig an. Seine grünbraunen Augen waren jetzt mehr grün als braun, schimmerten. Das Weiß seiner Augäpfel war stark gerötet, als ob die Äderchen geplatzt waren. „Das weiß ich jetzt auch. Mein Auftritt tut mir leid. Ich dachte nur, dass Sie mich auf diese Weise dazu kriegen wollen, Informationen aus mir herauszuholen.“

Tristan schüttelte den Kopf. „Wenn ich es nicht durch meine Kontakte und Mög­lichkeiten geschafft hätte, deinen Auftraggeber ausfindig zu machen, dann hätte ich dich noch einmal besucht und es direkt versucht. Glaub´ mir.“

Jannik sah die beiden immer noch verwirrt an. „Sie … haben ihn bestohlen. Und du hast sie laufen lassen?“

Tristan grinste breit. „Sie hat versucht, mich zu bestehlen. Ist nicht dazu gekommen.“

>Jetzt verstehe ich, warum du Darius verdächtigst! <, meinte Jan und blickte die junge Frau grübelnd an.

„Was ist dir gestohlen worden?“, fragte Tristan Leilani. Er hatte sich jetzt völlig beruhigt, fühlte sich erheblich besser als all die Monate zuvor.

„Ich habe nicht nachgesehen, Herr Kadian. Ich war nur so wütend, weil meine Wohnung brutal durchsucht wurde. Und da bin ich sofort hierher gefahren.“

Tristan sah Jan vielsagend an. „Gut. Wir fahren jetzt in deine Wohnung und sehen in Ruhe nach. Wo wohnst du?“

Überrascht sah Leilani ihn an. „Wie? Das haben Sie nicht herausgefunden?“

Er grinste. „Doch. Habe ich aber schon wieder aus meinem Gedächtnis gelöscht.“

Sie lächelte milde gestimmt. „Bouchestraße in Neukölln. Geht von der Harzer Straße ab.“

Er nickte. „Ich weiß, wo das ist. Kommst du mit, Jan?“

„Okay. Aber ich weiß nicht, wo das ist. Lebe hier noch nicht so lange wie du, Alter!“

Jan sah seinen Freund immer noch missgestimmt an.

Tristan sah Leilani an. „Ich fahre mit Jan mit, zeige ihm den Weg. Wir treffen uns da.“ Er stand auf und streckte Leilani seine Hand hin.

Einen Moment zögerte sie, dann legte sie ihre Hand in seine und ließ sich von Tristan Kadian hochziehen.

„Interessante Gegend“, meinte Jannik, als er seinen Wagen geparkt hatte und mit Tristan auf Leilani zuging, die vor ihrer Haustür auf die beiden Männer wartete. Unterwegs hatte Tristan ihm alles von seiner Begegnung mit der jungen Frau berichtet.

Tristan sah seinen Freund von der Seite her an. „Ist das jetzt Ironie oder so was?“

„Warum? Guck´ dir doch mal die Häuser an. Einige sind bestimmt schon 100 Jahre alt. Hier gibt es viele Kinder, viele Bäume …“ Jan trat in die Hinterlassenschaft eines Hundes.

„Und viel Hundescheiße“, meinte Tristan trocken.

Jan knurrte etwas Unverständliches und säuberte seinen Schuh im Sand einer Baustelle, streifte die Sohle an der Bordsteinkante ab. „Habe ich dir schon erzählt, dass auf der Burg jetzt auch ein Hund lebt?“

Tristan grinste. „Ja. Außerdem war ich bei der Hochzeit von Adolar und Nicole. Ich habe Pumuckel kennen gelernt und mich eine Weile mit ihm unterhalten. Das Vieh hat Persönlichkeit!“

Jan sah Tristan grübelnd an. „Ehrlich gesagt, wirst du mir langsam unheimlich. Erst dieser wahnsinnige Lachanfall, dann dein schräger Humor. Himmel, du …. Ich habe echt Probleme, dich im Moment wiederzuerkennen, Alter.“

Sie erreichten Leilani, die sichtlich nervös wirkte.

>Du und die anderen habt euch doch beschwert, dass ich ständig Trübsal blase. Was nicht der Fall war. Ich habe die letzten Monate damit verbracht, meine sexuellen Defizite der letzten 600 Jahre ein wenig aufzuholen. <

„Was?“ Jan blieb wie angewurzelt stehen und starrte in den breiten Rücken des Freundes.

Tristan drehte nur den Kopf, zog eine Augenbraue hoch und lächelte. Er hob den Zeigefinger an seine Lippen und machte eine stillschweigende Geste.

Leilani beobachtete die ungleichen Männer. Im Stillen gestand sie sich ein, dass sie selten zwei so gutaussehende Exemplare gesehen hatte. Beide hatten einen männ­lichen und trotzdem anmutigen Gang. Während Tristan Kadian jedoch Kraft und Gefahr ausstrahlte und wie eine Raubkatze kurz vor dem Sprung auf die Beute wirkte, hatte Jannik Cerný eine zeitlose Eleganz an sich. Mit einem hübschen Gesicht gesegnet, dass so manchen Maler der Renaissance oder des Barock hätte begeistern können, trat er ohne jegliche Überheblichkeit ob seines blendenden Aussehens auf. Am Ringfinger der rechten Hand blitzte ein schmaler, goldener Reif in der Abendsonne.

„Ich hoffe, Sie beide sind fit“, meinte sie, als die Männer neben sie traten. „Meine Wohnung liegt im vierten Stock. Ohne Fahrstuhl.“

Tristan und Jan sahen sich wortlos an und lächelten.

Leilani ging die Treppen hinauf, gefolgt von den beiden Männern. Sie war müde, abgespannt. Aber je näher sie ihrer Wohnung kam, um so wütender wurde sie wieder. Tristan spürte die Unruhe der Frau. Auf der einen Seite tat sie ihm leid, weil sie in etwas hineingeraten war, wofür sie nichts konnte. Auf der anderen Seite empfand er etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit.

Im vierten Stock stand Leilani vor ihrer Wohnungstür und wollte sie öffnen, aber ihre Hand zitterte plötzlich. >Oh nein. Jetzt weiß ich, wie meine Opfer sich gefühlt haben müssen. Was habe ich nur getan? <

Tristan empfing ihre Gedanken, sah Jan über seine Schulter hinweg an. Auch er hatte die Gedanken wohl gelesen.

„Ich mache das“, sagte Tristan leise und legte seine Hand um Leilanis. Ein kurzer Anflug von Angst, dann Trotz. Dann sackten ihre Schulter herab und sie gab dem Mann die Schlüssel. „Danke“, sagte sie leise.

Von Vampiren, Kriegern und Dieben

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