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Die Heidelberger Disputation – Abschied von dem alten Erfurt

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Am 11.April 1518 verließ Luther, wie es die Regel befahl, mit dem Bruder Leonhard Beier als Socius itinerarius Wittenberg. Die Reise ging zunächst über Bitterfeld nach Leipzig und von dort dann über Weißenfels, Saalfeld, Gräfenthal, Judenbach nach Koburg. Hier langten die Wanderer am Abend des 15. April sehr müde an. Noch am selben Abend teilte Luther Spalatin zu dessen großer Befriedigung mit, dass ihn unterwegs niemand behelligt habe. Nur in Weißenfels habe der Ortspfarrer, ein Wittenberger Magister, ihn erkannt und freundlich bewirtet. In Judenbach sei er zufällig dem kurfürstlichen Rat Degenhard Pfeffinger begegnet und habe ihn veranlasst, nicht nur für ihn, sondern auch für seine beiden Begleiter das Mittagessen im Betrage von zehn Groschen zu bezahlen. „Du weißt ja“, fügt er hinzu, „dass ich solche reiche Leute, besonders, wenn sie mir freundlich gesinnt sind, gern ärmer mache. Auch hier soll der Kastner des Kurfürsten, den ich noch nicht gesehen habe, weil er auf die Feste gegangen ist, unbedingt für uns zahlen. Ich habe die Sünde, zu Fuß gegangen zu sein, vollkommen gebüßt und bedarf daher für sie keines Ablasses. Nirgends fanden wir einen Wagen, der uns hätte mitnehmen können. Und so muss ich ununterbrochen weiter contritio, poenitentia, satisfactio (Buße) leisten.“ Am Sonntag Misericordias Domini (18. April) erreichte er endlich, wie er schreibt, Würzburg und gab dort noch am Abend seinen Kredenzbrief bei dem Fürstbischof Lorenz ab. Der Fürst lud ihn alsbald zu sich auf sein hoch über der Stadt thronendes Schloss Marienburg und fand solches Gefallen an ihm, dass er kurz vor seinem Tode (Februar 1519) an den Kurfürsten schrieb, er möge den frommen Mann Dr. Martinus ja nicht wegkommen lassen, da demselben Unrecht geschehe. Er versprach, ihn auch sogleich auf seine Kosten nach Heidelberg weitergeleiten zu lassen. Aber Luther lehnte dies Anerbieten dankend ab. Er hatte im Augustinerkloster, in dem er abgestiegen war, mehrere Ordensbrüder, darunter Johann Lang aus Erfurt, getroffen, mit denen er die Reise zu Wagen fortsetzen konnte.

Am 21. oder 22. April langte er wohlbehalten im Augustinerkloster zu Heidelberg an, und kurz danach, am 25., ward daselbst statutengemäß von Staupitz das Kapitel der Kongregation eröffnet. Wie Staupitz den „Lutherschen Lärm“ beurteilte, zeigt zur Genüge die Tatsache, dass er Luther den ehrenvollen Auftrag erteilt hatte, mit dem Wittenberger Bruder Leonhard Beier als Respondenten in dem großen Saale des Klosters die übliche öffentliche Disputation zu halten und die dazu nötigen Thesen zu liefern. Von dem Ablass ist in diesen Thesen nirgends die Rede. Auch seine neue Anschauung von der Buße berührt Luther darin mit keinem Worte. Sie handeln nur von Erbsünde, Sünde, Gnade, freiem Willen und Glauben, insbesondere aber von der Unfähigkeit des Menschen, aus eigener Vernunft und Kraft das Gute zu wollen. Sie richten sich also, wie die 97 Thesen vom 4. September 1517, vor allem gegen die Ockhamisten, die in der Korona nicht bloß sehr zahlreich, sondern auch rechtlich stattlich vertreten waren. Von den Erfurtern war z. B. sein alter Lehrer Usingen, der 1512 ins dortige Schwarze Kloster eingetreten war, erschienen. Um die Ockhamisten herauszufordern, hatte er auch zwölf philosophische Thesen aufgestellt, in denen er sich speziell gegen die Metaphysik des Aristoteles wandte und Pythagoras, Anaxagoras, Parmenides und vor allem Plato gegen Aristoteles ausspielte. Er empfand sonach damals anscheinend das Bedürfnis, in der Metaphysik ganz von Aristoteles loszukommen. Aber er hat diese Studien später nicht fortgesetzt, sondern es bei diesem einen Versuch bewenden lassen. Die Heidelberger Professoren der Theologie, die sich an der Disputation beteiligten, behandelten ihn, obgleich sie mit seinen Lehren nicht einverstanden waren, freundlich und achtungsvoll. Nur der fünfte und jüngste, Georg Schwarz aus Löwenstein, konnte seinen Unmut nicht verbergen, erregte indessen bloß allgemeines Gelächter, als er einmal zornig ausrief: „Wenn das die Bauern hörten, würden sie Euch steinigen.“ Die jugendlichen Zuhörer aber waren von dem fremden sächsischen Professor geradezu begeistert.

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Martin Bucer, Stich von Balthasar Jenichen

Martin Bucer (* 11. November 1491 in Schlettstadt; † 1. März 1551 in Cambridge; auch Martin Butzer oder Butscher) gehört zu den bedeutenden Theologen der Reformation und gilt als der Reformator Straßburgs und des Elsass.

Bucer trat mit fünfzehn Jahren als Mönch dem Dominikanerorden bei und immatrikulierte sich 1517 an der Universität Heidelberg. Hier kam es bei der Heidelberger Disputation 1518 zu einer folgenreichen Begegnung mit Martin Luther. Bucer wandte sich der protestantischen Theologie zu und wurde 1521 auf eigenen Wunsch aus dem Dominikanerorden entlassen. Ab Mai 1521 arbeitete er für Pfalzgraf Friedrich II. als Hofkaplan und erhielt 1522 durch Franz von Sickingen eine Pfarrstelle in Landstuhl. Hier heiratete er die ehemalige Nonne Elisabeth Silbereisen und zog mit ihr nach Weißenburg im Elsass. Dort unterstützte er den dortigen Pfarrer Heinrich Moterer bei der Einführung der Reformation und wurde deswegen vom Speyrer Bischof Georg exkommuniziert. 1523 wurde er vom Papst Hadrian VI. gebannt und suchte als Vogelfreier erfolgreich Asyl in der toleranten Reichsstadt Straßburg. Hier wurde er ordiniert und 1524 zum Pfarrer gewählt. An der Seite von Wolfgang Capito und Kaspar Hedio nahm er bald eine führende Stellung im Aufbau des evangelischen Kirchenwesens in der Reichsstadt und im gesamten südwestdeutschen Raum ein.

In den Folgejahren versuchte er zwischen den verschiedenen protestantischen Parteien (Lutheraner, Reformierte, Spiritualisten, Täufer) zu vermitteln. Sein besonderes Augenmerk galt dem Abendmahlsstreit. Bucer nahm 1529 am Marburger Religionsgespräch teil und war einer der Verfasser der Confessio Tetrapolitana, in der vier oberdeutsche Reichsstädte ihr Glaubensverständnis für die Diskussionen auf dem Augsburger Reichstag von 1530 zusammenfassten. 1536 erzielte er nach zähem Ringen einen Konsens mit Martin Luther über das Abendmahlsverständnis, der in der Wittenberger Konkordie fixiert wurde. In den Jahren 1540 und 1541 beteiligte er sich in den Religionsgesprächen in Hagenau, Worms und Regensburg auch an den Versuchen, einen Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten zu erreichen.

Bucer trat in dieser Zeit auch als Organisator der entstehenden evangelischen Landeskirchen auf. So entwarf er 1531 eine Kirchenordnung für die Stadt Ulm, beriet 1534 den württembergischen Herzog Ulrich bei der Einführung der Reformation in Württemberg und verfasste 1539 im Auftrag des hessischen Landgrafen Philipps I. die sogenannte „Ziegenhainer Zuchtordnung“, die die Basis für das reformatorische Kirchenwesen in Hessen wurde. Die Ziegenhainer Zuchtordnung ist heute noch von Bedeutung, da mit ihr unter Einfluss der Täuferbewegung die Konfirmation eingeführt wurde.

Elisabeth Silbereisen, die 13 Kinder gebar, starb 1541 während einer Pestepidemie. Derselben Epidemie fielen auch Wolfgang Capito und mehrere Kinder Bucers zum Opfer. Der einzige gemeinsame Nachkomme, der das Erwachsenenalter erreichte, war der geistig behinderte Sohn Nathanael. Bucer heiratete auf Elisabeths Wunsch hin 1542 Wibrandis Rosenblatt, die dreizehn Jahre jüngere Witwe von Wolfgang Capito und Johannes Oekolampad. Die beiden führten eine harmonische Ehe, der zwei weitere Kinder entsprossen.

1542/1543 lebte Bucer ein Jahr lang in Bonn, um im Auftrag des Erzbischofs von Köln, Hermann V. von Wied, die Reformation des Erzbistums vorzubereiten. In der Wasserburg zu Buschhoven verfasste er mit Philipp Melanchthon zwei Reformationsschriften („Einfaltigs Bedencken“) für den Kölner Erzbischof. Sein schärfster Widersacher in Köln war neben dem Domkapitel der Scholastiker und Rektor der Universität Matthias Aquensis, der auf die Schriften Bucers seinerseits mit fünf Publikationen reagierte. Auch der Kölner Domherr und Chorbischof Christoph von Gleichen trat ihm vehement entgegen. Anschließend kehrte Bucer nach Straßburg zurück. Das Scheitern des Kölner Reformationsversuchs veranlasste ihn, 1545 mit der Gründung einer „christlichen Gemeinschaft“ eine Freiwilligkeitsgemeinde neben den staatskirchlichen Strukturen zu etablieren.

1549 musste er die Stadt verlassen. Grund war sein Widerstand gegen die von Karl V. angeordnete „katholisierende“ Neuordnung des Kirchenwesens, das sogenannte Interim. Eingeladen von Peter Martyr Vermigli emigrierte Bucer nach England, wo er die Regius Professur of Divinity in Cambridge erhielt, deren Entsprechung an der University of Oxford von Martyr besetzt wurde. Dort wurde er im September 1549 zum Doctor theologiae promoviert. Er konnte noch seine Programmschrift De regno Christi abschließen, bevor er nach kurzer schwerer Krankheit 1551 starb. Nach seinem Tod wurde unter Maria Tudor der Katholizismus wieder Staatsreligion. Bucer wurde 1557 exhumiert und als Ketzer zusammen mit seinen Schriften verbrannt. 1560 wurde er durch Elisabeth I. in einem feierlichen Akt der Universität rehabilitiert. Eine Tafel in der Kirche St. Mary in Cambridge erinnert an Bucers Ruhestätte.

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„Wie sehr auch unsere Hauptkämpen sich anstrengten, Luther aus dem Sattel zu heben“, schreibt der Begabteste von ihnen, der junge elsässische Dominikaner Martin Bucer aus Schlettstadt am 1. Mai an seinen Busenfreund Beatus Rhenanus, „so vermochten sie ihm doch nicht einen Fingerbreit abzugewinnen. Wundersam ist seine Anmut beim Respondieren, unvergleichlich seine Langmut beim Zuhören. Sein Scharfsinn erinnert an die Art des Apostels Paulus. Mit ebenso kurzen wie treffenden, aus dem Vorrat der Heiligen Schrift genommenen Antworten reißt er alle zur Bewunderung hin. Tags darauf (26. April) hatte ich eine vertraute Unterredung mit ihm unter vier Augen und teilte danach sein bescheidenes, aber mit köstlichen Gesprächen gewürztes Mahl. Was ich auch fragen mochte, alles wusste er aufs klarste mir auseinanderzusetzen. Mit Erasmus stimmt er ganz überein. Er übertrifft ihn aber, insofern er all das, was jener nur andeutet, frei und offen heraussagt. Oh, könnte ich Dir mehr noch schreiben! Er ist es gewesen, der in Wittenberg der Herrschaft der Scholastik ein Ende gemacht und bewirkt hat, dass dort das Griechische, Hieronymus, Augustin und Paulus öffentlich gelehrt werden.“ Ebenso tief und gewaltig war der Eindruck, den die beiden jungen Schwaben Johann Brenz und Theodor Billican, die gleichfalls nach der Disputation noch eine persönliche Unterredung von ihm begehrten, von dem sächsischen Mönch erhielten. „Wie Christus, als ihn die Juden verwarfen, zu den Heiden ging“, schreibt er selber in dankbarer Erinnerung an diese Jünglinge kurz darauf an Spalatin, „so hoffe ich jetzt zuversichtlich, dass die wahre Theologie Christi, welche jene auf ihre spitzfindigen Meinungen versessenen Greise verwerfen (die Erfurter Ockhamisten), bei der Jugend Aufnahme findet.“ Die Studenten waren aber nicht die einzigen, die ihn in der schönen Neckarstadt willkommen hießen. Auch der jüngere Bruder des Kurfürsten Ludwig V., Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, der im Sommer 1515 in Wittenberg studiert hatte, und sein ehemaliger Erzieher Jakob Simler, der Freund des berühmten Jakob Wimpfeling, nahmen ihn freundlich auf. Der Prinz lud ihn sogar einmal mit Staupitz und Lang zur Tafel und ließ ihm dann die Kleinodien der kurfürstlichen Kapelle, das Zeughaus und alle anderen Sehenswürdigkeiten des „wahrhaft königlichen Schlosses“ zeigen.

Es versteht sich von selbst, dass er mit den Oberen der Kongregation in diesen Tagen auch über seinen Streit mit Tetzel und Genossen verhandelte. Wenn er im Juni seine Resolutionen durch Staupitz mit einem ehrfurchtsvollen Schreiben an Papst Leo X. schicken ließ, so war das unzweifelhaft eine Folge der Abmachungen, die er mit Staupitz in Heidelberg getroffen hatte. Aber offiziell wurde seine Angelegenheit auf dem Kapitel nicht berührt. Dass er von seinem Amte als Distriktsvikar entbunden wurde, hatte mit dieser Sache nicht das geringste zu tun, sondern geschah einfach deswegen, weil seine Amtszeit abgelaufen war.

Anfang Mai reiste er dann wieder heim, und zwar auf Befehl Staupitzens zu Wagen. Bis Würzburg nahmen ihn die Nürnberger Brüder mit, von Würzburg aus die Erfurter. In Erfurt suchte er dann am Abend des 8. Mai seinen alten Lehrer Jodok Trutvetter auf, hörte aber, dass der alte Herr nicht wohl sei, und bemühte sich daher am 9. Mai brieflich, die schweren Anklagen zu entkräften, die Trutvetter gegen ihn erhoben hatte. In der Folge kam es dann doch noch zu einer Aussprache zwischen ihm und dem immer noch hochverehrten und geliebten Lehrer, die Trutvetter wenigstens zu dem Geständnis bewog, dass er ihn weder widerlegen noch auch seine eigene Ansicht beweisen könne. Mit Usingen hatte er schon unterwegs auf der Fahrt von Würzburg nach Erfurt eifrig theologisiert, aber auch nur erreicht, dass der alte Mann ihn nachdenklich und verwundert anhörte. Noch weniger Erfolg hatte er selbstverständlich bei Leuten wie Johann Nathin. Er hätte, um diesen Widerstand zu überwinden, gern auch in Erfurt öffentlich disputiert. Aber er musste hierauf wegen der in den drei Tagen vor Himmelfahrt stattfindenden Buß- und Betandachten verzichten. So schied er denn am 11. oder 12. Mai von seinen alten Lehrern mit dem Eindruck, dass er von diesen Greisen nichts mehr zu erwarten habe, sondern alle seine Hoffnungen auf die Jugend setzen müsse. Von Trutvetter erhielt er im Juni noch einmal eine fulminante Epistel, die jeden weiteren Verkehr unmöglich machte. Als der längst Kränkelnde zehn Monate später, am 9. Mai 1519, starb, meinte er trauernd, er habe wohl wider seinen Willen sein Ende beschleunigt. So arg habe sich der Greis über die vermessene und verächtliche Behandlung gegrämt, die er nach seiner Ansicht der scholastischen Theologie angetan habe. Usingen und Nathin ließ er noch bis Anfang 1520 gelegentlich durch Lang grüßen. Aber das war nur mehr eine höfliche Gebärde. Tatsächlich hatte er schon seit jenen Maitagen keine Beziehung zu dem Erfurt seiner Jugend mehr. Er wunderte sich daher auch später kaum, dass Usingen und Nathin in ihren alten Tagen noch in die Reihe seiner entschlossensten Feinde eintraten.


Der junge Reformator Luther - Teil 2 – ab 1518

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