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Olga Gebauer — Ein Leben für die Hebammen

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Im Sommer 1885 wurden die Berliner Hebammen durch die Hebamme Frau Rosalie Neumann zusammenberufen, um zu beraten, wie man eine junge, an Schwindsucht verstorbene Hebamme, die dem Existenzkampf nach wenigen Jahren erlag, ohne Hilfe der Armendirektion anständig beerdigen könne. Die Hebammen brachten das notwendige Geld bald auf und beschlossen durch Gründung eines Hebammenvereins einer solchen Notlage unter den Hebammen vorzubeugen.

Olga Gebauer, vier Jahre Oberhebamme an der königlichen Universitäts-Frauenklinik, Mitgründerin des ersten deutschen Hebammenvereins — des Berliner Hebammenvereins , — Vorkämpferin und Organisatorin der Weiterbildung und der Verbesserung der sozialen Lage der Hebammen, referiert Mitte des Jahres 1910 als Vorsitzende der Vereinigung deutscher Hebammen auf einer Tagung des Berliner Hebammenvereins über die Entwicklung der Standes- und Berufsorganisation in den vergangenen 25 Jahren.

Wer ist die fragile Fünfzigerin im langen, schwarzen, taillierten Kleid, mit silberner Vereinsbrosche unter dem braven Spitzenkragen? Olga Gebauer wird am 2. März 1858 als Tochter des deutschen Ingenieurs Mangelsdorf in Sankt Petersburg geboren. Früh verwaist wächst sie bei Verwandten in Berlin auf, studiert später in Leipzig und legt 1876 in Dresden das Lehrerinnen-Examen ab. Bis zu ihrer Heirat mit dem Lehrer Gustav Gebauer arbeitet sie als Hauslehrerin in Thüringen. 1884 ziehen die Gebauers nach Berlin. Olga will ein Heim für junge Mädchen gründen, in dem diese auf ihre Mutterschaft vorbereitet werden sollen. Dazu fehlen ihr freilich die geburtshilflichen Kenntnisse. Sie besucht von Oktober bis März 1885 die von einem Geheimrat Wachs geleitete Hebammenschule in Wittenberg. Hier legt sie auch das Examen als Hebamme ab.

Von diesem Beruf gefesselt, gibt sie die Idee mit dem Müttervorbereitungsheim auf und hilft bereits 1885, den Verein Berliner Hebammen zu gründen, dessen Vorstand sie seitdem angehört. Von den 300 Berliner Hebammen treten 78 sofort ein. Der Verein stellt sich die Aufgabe, seine Mitglieder durch wissenschaftliche ärztliche Vorträge, und durch Besprechungen von Fällen aus der Praxis weiterzubilden, und durch Gründung einer Kranken- und Sterbekasse der Unversorgtheit der Hebammen zu begegnen. Olga Gebauer wird als Schriftführerin, Rosalie Neumann und Minna Seidel werden als Vorsitzende gewählt.

Bei Olga verdichtet sich die Idee, ab sofort jedes Mitglied mit einer Art Newsletter zu erreichen. Eine Zeitung? Eine Zeitung! Die Berliner Hebammenzeitung. Sie gründet sie mit eigenem Geld und auf eigenes Risiko im Selbstverlag. Die Nummer 1 erscheint am 1. April 1886. Sie ist sowohl Fachzeitschrift wie auch Organisationszeitung. Ab 1. Juni 1886 heißt sie Deutsche Hebammenzeitung; am 1. Juli, nach der Übernahme der Herausgeberschaft durch den Verleger Elwin Staude, erscheint sie als Allgemeine Deutsche Hebammenzeitung. Nach einer Rücksprache mit Professor Schröder, dem damaligen Direktor der königlichen Universitäts-Frauenklinik, trägt Olga dem Assistenzarzt Dr. Winter, die Redaktion des ärztlichen Teils der Zeitung an. In der Folgezeit initiiert Olga die Gründung fast aller deutschen Hebammenvereine. Am Ende ihrer Tage, am 1. Mai 1922, sind es 497.

Noch 1887 wird der Leipziger Hebammenverein gegründet, 1888 der Breslauer. Minna Seidel und Olga Gebauer nehmen an den Gründungsversammlungen teil. In Leipzig ist Professor Carl Siegmund Franz Credé (1811 bis 1892), der Direktor der königlichen Entbindungsanstalt, anwesend. Er übernimmt wenig später die Ehrenpräsidentschaft des Leipziger Vereins.

Im Tagebuch formuliert Olga Gebauer die drei Ziele der Hebammenvereine:

1. Linderung der Not unter den Berufsschwestern,

2. Erreichung tüchtiger wissenschaftlicher Fortbildung,

3. als wichtigste Aufgabe: die Hebung des ganzen Standes.

Ab Frühjahr 1887 beginnt sie gemeinsam mit Minna Seidel Reisen zur Vereinsgründung in verschiedene Städte. Zunächst nach Leipzig, Chemnitz, Dresden und Prag. Sie organisiert die Vereinsgründung jeweils so: In einem Brief, den ihre Begleiterin zum jeweiligen Direktor der Frauenklinik trägt, bittet sie um ein Gespräch, geht eine Stunde später hin und legt die Notwendigkeit des Zusammenschlusses dar. Gleichzeitig bittet sie den Gesprächspartner, den Ehrenvorsitz zu übernehmen. Hier erhält sie Namen und Adressen von Hebammen, die für den Vorstand infrage kommen. Diese sucht sie dann gleichfalls auf, spricht über die nützliche Vereinsgründung und bittet alle Hebammen zu einer Zusammenkunft.

Minna Seidel schildert das Aufeinandertreffen Olgas mit Professor Leopold, dem Direktor der Hebammenlehranstalt in Dresden: Er ließ sie allein im Zimmer fast zwei Stunden warten, dann unterzog er sie einem langen und schwierigen Examen. Nur Olgas Klugheit ist es zu danken, dass es hier zu einem günstigen Resultat kam. Professor Leopold ist der Meinung, die Hebammen in Dresden seien noch nicht reif für die Sache. Er erklärte seinen Schwiegervater Credé für hirnverbrannt, weil er den Bestrebungen der Hebammen so liebevoll entgegenkommt. Auch ist er entschieden gegen die Allgemeine deutsche Hebammenzeitung. Er würde diese Zeitung nur dann empfehlen, wenn die von den Hebammen eingesandten Artikel und Arbeiten nicht aufgenommen würden. Auf der Gründungsversammlung nimmt er aber doch den Ehrenvorsitz an.

Weitere Reisen führen die Organisatorinnen nach Wien, München und Stuttgart. In München verhindert ein Dr. Aub zunächst die Vereinsgründung. Er kann sich, sagt er, mit der Verfahrensweise nicht einverstanden erklären. Minna Seidel dazu: Er griff Olga heftig an und behauptete, es müsse in München anders gemacht werden, so eigentlich umgekehrt: erst kommen die Ärzte und sagen, so ist ein Verein einzurichten, danach werden die Statuten an alle Hebammen verschickt und zuletzt können sie auch noch sagen, ob sie beitreten wollen.

In Stuttgart erklärt im ersten Kontaktgespräch der Leiter der Hebammenlehranstalt Dr. Walcher die Bestrebungen der Hebammen zunächst für eine verwerfliche Emanzipation, der er niemals Vorschub leisten werde. In einem weiteren Gespräch verpflichtet er sich dann, den zu gründenden Verein zu unterstützen.

Olga Gebauer reist weiter nach Zürich, Frankfurt am Main und Hannover.

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