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Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären

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Die Zange, deren Anwendung die Hebamme la Chapelle an der Maternité lehrt, dieses geburtshilfliche Instrument par excellence, wird in Paris erstmalig am 19. August 1670, 125 Jahre vor der Einrichtung der berühmten Entbindungsanstalt, am Kopf eines Kindes angesetzt. An diesem Tag wird Francoise Mauriceau, ein Pariser Wundarzt, zu einer 38 Jahre alten Erstgebärenden gerufen. Sie kreißt bereits einige Tage, kann aber, obgleich der Kopf vorliegt, wegen zu engem Becken nicht entbinden.

Mauriceau, Gegner des zu seiner Zeit wegen der Infektionsgefahr gefürchteten Kaiserschnittes, erklärt sich außerstande, auf andere Weise helfen zu können. Von Siebold berichtet: Da versprach der in Paris damals gerade anwesende englische Geburtshelfer Chemberlen, er wolle innerhalb einer Viertelstunde das Kind zur Welt bringen, fing auch in der Tat die Entbindung an, musste aber nach dreistündigem vergeblichem Bemühen von seinem Vorhaben abstehen und die Unmöglichkeit der Entbindung zugeben. Nach 24 Stunden gab die arme Frau unentbunden ihren Geist auf; die hernach angestellte Eröffnung ihres Unterleibs ließ die Gebärmutter an mehreren Stellen zerrissen und durchgestoßen finden, was offenbar durch die Instrumente, deren sich Chemberlen bedient hatte, veranlaßt ward.

Hugh Chemberlen, Mitglied einer englischen Geburtshelferfamilie, deren Gründer William Chemberlen 1569 als Hugenotte aus Paris nach England geflohen war, hatte sich in Paris aufgehalten, um dem Leibarzt des Königs Ludwigs des XIV. die Erfindung für 10.000 Taler zu verkaufen. Dieses Projekt zerschlug sich freilich nach der missglückten Entbindung.

Die Ärzteschaft ist indessen aufmerksam geworden. Nahrung erhält das Gerücht über ein neues geburtshilfliches Instrument, als Hugh Chemberlen Mauriceaus Lehrbuch in die englische Sprache übersetzt. Diese Veröffentlichung erscheint 1672 in London. Hier findet sich auch die erste öffentliche Anmerkung, ohne dass aber das neue Instrument, wie in der wissenschaftlichen Literatur üblich, beschrieben wird: Mein Vater, meine Brüder und ich, und soviel ich weiß, niemand weiter in Europa, haben mit Gottes Hilfe und durch unser Bemühen ein Mittel gefunden und schon lange angewendet, um eine Gebärende, deren Kind zwar mit dem Kopf vorliegt, aber wegen irgendeiner Schwierigkeit oder einem Mißverhältnis nicht geboren werden kann, ohne Nachteil für sie selbst oder ihr Kind zu entbinden. Während alle übrigen aus Mangel eines solchen Mittels den gewöhnlichen Weg gehen und sich der Gefahr aussetzen müssen, eins oder gar beide (Mutter und Kind) mit Haken zu zerstückeln. Durch diesen Handgriff kann man ohne die geringsten Schwierigkeiten, mit weniger Mühe, in kurzer Zeit und ohne Gefahr eine Geburt rasch zu Ende bringen. Gleichzeitig verweist Chemberlen darauf, dass er das Geheimnis nicht verraten könne, aber nun wisse man ja, dass er, seine Brüder und sein Vater, bei Bedarf helfen könnten.

1688 muss Hugh Chemberlen England verlassen, wegen, wie die Literatur berichtet, politischer Umwälzungen oder wegen des Zusammenbruchs einer von ihm gegründeten Landbank. Er begibt sich nach Amsterdam, wird dort mit dem holländischen Geburtshelfer und Chirurgen Heinrich van Roonhuisen bekannt und verkauft diesem um einen hohen Preis das Familiengeheimnis. Im Laufe der nächsten Jahre erkaufen weitere holländische Geburtshelfer nun bei van Roonhuisen oder voneinander das Instrument. 58 Jahre später wird das Geschäft mit der Chemberlenschen Erfindung sogar institutionalisiert. Das Collegium medico-pharmaceuticum in Amsterdam erlässt 1746 ein Gesetz, wonach nur diejenigen Geburtshelfer ihre Kunst betreiben dürfen, die im Besitz des Geheimnisses der Examinatoren sind. Wer es nicht hat, muss es der Prellgilde, wie der deutsche Geburtshelfer Osiander, das Collegium nennt, abkaufen.

Erst 1753 machen zwei holländische Geburtshelfer, Jacob de Fischer und Hugo van der Poll, Schluss mit der unwürdigen Geheimniskrämerei und veröffentlichen ihr, von der Prellgilde erworbenes Instrument: Es ist ein eiserner, an beiden Enden zurückgebogener Hebel. Im jetzt folgenden Streit der holländischen Geburtshelfer untereinander wird festgestellt, dass ihre Instrumente, geburtshilfliche Hebel und zangenähnliche Geräte, in Form und Größe deutlich voneinander abweichen. Hatte Chemberlen nur einen Hebel, oder nur die Hälfte einer Zange verkauft? Oder hatten die holländischen Geburtshelfer das ehedem komplette Instrument, um Vorteile vor den Konkurrenten zu erlangen, unvollständig weitergegeben?

1815 wird in Woodham in Essex in einem von der Familie Chemberlen verkauften Haus hinter einer Geheimtür ein Raum und in diesem geburtshilfliche Instrumente entdeckt. Es sind vier Zangen, mehrere Haken und Schlingen sowie drei Hebel. Die Löffel der Zangen sind gefenstert und scherenförmig gekreuzt. Die Hebel sind gleichfalls gefenstert. Damit war endgültig geklärt, dass die Chemberlens beide Geräte benutzt hatten. Ob sie von Hugh Chemberlen komplett verkauft worden waren, blieb allerdings offen.

Ein anderer Arzt handelte dem Hippokratischen Eid gemäß: Jan von Kortryk Palfijn, Anatom und Chirurg, aus Gent (1650 bis 1730). Er erfand ein neues Zangenmodell und stellte es im Jahre 1723 den Geburtshelfern ohne Rückhalt und Selbstsucht zur Verfügung. Dadurch wurde die geheim gehaltene Erfindung der Chemberlens überflüssig.

Wie jede sauber ausgeführte handwerkliche Verrichtung, die erst mit der routinierten Kunstfertigkeit des Meisters Perfektion erlangt, musste auch das Hantieren mit der Geburtszange erfahren und praktisch begriffen werden. Der irisch-englische Schriftsteller Lawrence Sterne (1713 bis 1768) hatte in seinem Roman Tristram Shandy die mit ihren Instrumenten allzeit fertigen Geburtshelfer in der Person des Dr. Slop vorgeführt. Dr. Slop hatte vor der Entbindung einem Familienmitglied die Wirkung der Zange (Forceps) demonstriert und damit diesen Dialog herausgefordert: „Bei meiner Ehre, Herr Doktor, Sie haben mir mit ihrem Forceps die Haut von meinen beiden Händen rein abgerissen“, rief mein Onkel Toby, „und obendrein haben Sie mir alle Knöchel zu Brei gequetscht.“ „S´ ist Ihre Schuld“, sagte Doktor Slop, „Sie hätten Ihre beiden Hände falten und halten sollen wie ein Kindeskopf, wie ich Ihnen sagte und festsitzen.“ Doktor Slop hält es allerdings auch für möglich, dass seine Geburtszange nicht recht gefüttert oder das Niet zu locker gewesen ist. Einige Seiten weiter erfährt der Leser, wie die Entbindung ausging. Der Hausdiener Trim schildert dem Vater des eben geborenen Tristram die unerfreuliche Geschichte: „Als er ihn mit seinem verdammten Klimperkrame auf die Welt geholt hat, so hat er ihm die Nase zerdrückt, dass sie so platt in seinem Angesichte ist, wie ein Pfannkuchen. Nun macht er von einem Lappen Kattun und einem Stückchen Fischbein aus Susannes Schnürleib eine falsche Brücke, die sie wieder aufrichten soll.“

Ein Bericht über die Geburtshelferinnen und Geburtshelfer dieser Zeit wäre unvollständig, wenn nicht auch der Arzt Jean René Sigault erwähnt würde. Im Bestreben, bei komplizierten Geburten den Geburtsgang, der durch die Beckenknochen begrenzt wird, zu erweitern, durchtrennt er in mehreren Operationen bei Gebärenden den Knorpel der Schambeinfuge.

Die erste Schwangere, an der die Operation durchgeführt wird, ist die dreißigjährige Soldatenfrau Souchot. Sie ist rachitisch verwachsen und nur drei Fuß und einen halben Zoll (120 Zentimeter) hoch. In vorhergehenden Schwangerschaften war sie nach Wendungen jedes Mal von einem toten Kind entbunden worden. Während der nur vier bis fünf Minuten dauernden Operation und Entbindung bemerkte Sigault, dass er aus Mangel an nöthigem Lichte (er hatte sich nur mit einer Kerze leuchten lassen), eines zweckmäßigen Messers usw. bei der Operation das Versehen begangen habe, den Knorpel nicht gerade herab, sondern mehr in schiefer Richtung zu durchschneiden, und auf diese Weise einen Theil des Blasenhalses verletzt zu haben, . Ein Umstand, der hätte vermieden werden können, moniert Siebold. Die Operation gelingt aber, das Kind lebt. Sigault und Partner Leroy stellen die Frau später der Medicinischen Facultät vor; 150 silberne Gedenkmünzen mit den Namen der Operateure werden geprägt. Gegner dieser Operation berichten jedoch, dass die Souchot den Harn nicht mehr halten und nur noch mühsam laufen kann.

Bei den weiteren, von Siebold beschriebenen derartigen Operationen sterben die Patientinnen unter den kläglichsten Umständen. In mindestens einem Fall soll die Operation aber zum guten Ende gekommen sein. Siebold: In Teutschland unternahm sie der berühmte Chirurg Carl Caspar von Siebold in Würzburg, und zwar schon vier Monate nach der ersten Sigaultschen Operation, so dass dieser Würzburger Fall in der Gesamtzahl der Schambeinfugen-Schnitte als der zweite überhaupt angesehen werden muss. Die Operierte namens Markard war rachitisch verwachsen, und hatte bereits sieben sehr schwere Entbindungen von toten Kindern, darunter sogar eine Zerstückelung, überstehen müssen. In ihrer achten Schwangerschaft verrichtete C. C. von Siebold, den 4. Februar 1778, den Schambeinfugenschnitt, wobei die Eigentümlichkeit vorkam, dass der Operateur die Schambeinfuge wegen Verknöcherung mit der Säge trennen musste, worauf das Kind, welches aber vorher schon todt war, nach (wegen Schulterlage) verrichteter Wendung hervorgezogen wurde. Die Frau genas jedoch innerhalb von 42 Tagen von ihrer Wunde vollkommen, brachte später unter dem Beistande eines Chirurgen einen starken Knaben glücklich zur Welt und erreichte ein hohes Alter. Die Chirurgen- und Geburtshelferdynastie Siebold muss den Fall und die Frau weiterverfolgt haben: Das interessante Becken dieser Person, welche in hohem Alter verstorben ist, befindet sich in der Sammlung des Verfassers.

Und die abschließende Meinung jenes Verfassers in dieser Angelegenheit: Zeit und Erfahrung haben über eine Operation den Stab gebrochen, welche jetzt nur noch verblendeten und tollkühnen Fachgenossen mehr sein kann, als eine bloße historische Merkwürdigkeit.

So verschwand die als Alternative zum Kaiserschnitt gedachte Symphysentrennung wieder, während die Sectio cäsarea (in jüngerer Zeit Sectio abdominale) im Gyn.-Op klinischer Alltag geworden ist und von Operateuren, sterilen und unsterilen Helfern ebenso beherrscht wird, wie die Appendektomie, — der Schnitt gegen den Wurmfortsatz.

Hebammen-Report

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