Читать книгу Multiple Sklerose - Heinz Wiendl - Страница 9

1 Klinisches Bild und Verlauf 1.1 Klinisches Bild

Оглавление

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die sich meist im frühen Erwachsenenalter manifestiert (Dendrou et al. 2015; Gilhus et al. 2016). Nach wie vor stellt sie die häufigste neurologische Ursache frühzeitiger Behinderung im jungen Erwachsenenalter dar. Die Erkrankung weist eine große klinische, bildgebende und pathologische Heterogenität auf und wird in verschiedene Verlaufs- und Sonderformen unterteilt. Die individuelle Prognose wird durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischer Prädisposition, Umweltfaktoren und spezifischer Erregerexposition bestimmt, wobei die Details noch nicht abschließend geklärt sind (Wiendl und Kieseier 2010).

Bei der Mehrzahl der Patienten beginnt die Erkrankung mit einem schubförmig remittierenden Verlauf (RRMS = relapsing-remitting multiple sclerosis), bei dem sich Phasen der klinischen Verschlechterung, Remission und Stabilität ablösen. Als Erstmanifestation der schubförmigen MS wird das klinisch isolierte Syndrom angesehen, bei dem die Patienten bei klinisch, MR-tomografisch und labormedizinisch begründetem Verdacht noch nicht alle Kriterien zur Diagnose einer schubförmigen MS erfüllen. In späteren Krankheitsphasen wird der schubförmige Verlauf bei einem Teil der Patienten von einer sekundären Progression (kontinuierliche Zunahme der neurologischen Defizite) abgelöst (SPMS). Bei 10–20 % der Patienten beginnt die Erkrankung mit einer stetigen (primär progredienten) neurologischen Verschlechterung (PPMS), die mit oder ohne aufgelagerte Schübe abläuft. Die MS kann alle zentralnervösen Strukturen betreffen, daher kommt es bei den Schüben sowie im Verlauf der Erkrankung zu Symptomen wie Sensibilitätsstörungen, Lähmungen, Seh- und Koordinationsstörungen, kognitiven Einschränkungen, psychiatrischen Auffälligkeiten, Müdigkeit (Fatigue), Schmerzen und Störungen bzw. Ausfall der Blasenkontrolle. Die Symptome variieren im Verlauf und sind interindividuell sehr unterschiedlich. Im Rahmen eines Schubes entwickeln sich die neurologischen Symptome über mehrere Tage, erreichen dann ein Plateau und bilden sich über Tage bis Wochen zurück (Schumacher et al. 1965). Die Remissionstendenz sowie das Ansprechen auf die Akuttherapie des Schubes sind zu Beginn der Erkrankung im Allgemeinen besser als im weiteren Krankheitsverlauf.

Als Schub werden abzugrenzende neu aufgetretene klinische Symptome angesehen, die subjektiv berichtet oder durch objektive Untersuchung verifiziert werden können und länger als 24 Stunden andauern (Poser et al. 1983; McDonald et al. 2001). Unterschieden davon werden Pseudoattacken oder Pseudoexazerbationen, also paroxysmale Verschlechterungen durch Änderungen der Körperkerntemperatur (Uhthoff-Phänomen; Uhthoff 1890) oder im Rahmen von Infekten. Der Verdacht auf stattgehabte Schübe kann sich aus subjektiven Patientenberichten und der Anamnese ergeben. Für die Diagnosestellung einer MS sind allerdings objektivierbare klinische Befunde korrespondierend zu einer entsprechenden ZNS-Läsion erforderlich. Einzelne paroxysmale Episoden (wie z. B. tonische Spasmen) werden nicht als Schub definiert. Multiple derartige Episoden mit einer Dauer von mehr als 24 Stunden werden jedoch ebenfalls als Schub gewertet. Das Kriterium für das Vorliegen zweier separater Schübe ist definitionsgemäß ein Zeitintervall von 30 Tagen zwischen dem Beginn des ersten und des zweiten Schubes (Poser et al. 1983; McDonald et al. 2001; Polman et al. 2011; Polman et al. 2005). Schubveränderungen oder neue Schübe innerhalb von 30 Tagen oder weniger bezeichnet man als Schubkomplex.

Multiple Sklerose

Подняться наверх