Читать книгу Anwaltshure 1 | Erotischer Roman - Helen Carter - Страница 12
ОглавлениеNaturGesetze - Teil 4
Es verletzte mich, dass niemand aufstand, um für mich Partei zu ergreifen und es verletzte mich noch mehr, dass es sich ständig wiederholte und ich diesen Bann scheinbar nicht brechen konnte. Aber was hielt mich denn ab? Nur das Geld?
Dann würde ich eben alles hinschmeißen und heimfahren. Punkt. Aus. Fertig. Ich würde zu meinem Vater gehen und sagen: »Hallo, Dad, hier bin ich wieder! Die Versagerin, die mit weit aufgerissenem Maul und großen Ankündigungen, entgegen deinen Warnungen, mit ihren paar Kröten in die Hauptstadt gegangen ist und Schiffbruch erlitten hat.«
Genau das war es! Ich musste mich hier demütigen lassen, um nicht zu Hause die wandelnde Blamage zu sein. In einem kleinen Ort nahm man sich eine solche Chance nur ein Mal im Leben. Entweder nutzte man sie und kam nie wieder zurück oder man versagte und …
Ich musste da einfach nur durch, sagte ich mir. Irgendwann würde er die Lust verlieren, mich niederzumachen. Aber was würde bis dahin aus mir werden? Ein Häuflein Elend ohne einen Funken Selbstbewusstsein?
»Man geht so nicht mit Büchern um, Miss Hunter«, donnerte es über mich hinweg.
Jetzt war es raus! Er hatte meinen Namen ausgesprochen.
»Ich weiß nicht, wie Sie mit ihrem privaten Lesestoff umgehen – und das interessiert mich ehrlich gesagt auch gar nicht – aber mit diesen Büchern hier, für die ich die Verantwortung trage, werden Sie …«
Ich dachte an George. Und an den Typen eben im Laden. Die Bilder wirbelten durch meinen Kopf wie das Laub in Kensington Gardens. Ich konnte sie nicht fangen. Nicht halten. Aber sie waren da und erfüllten mich. Georges Blicke. Die Berührungen des Dunkelhaarigen. Ein äußerst erfolgreicher Anwalt und ein traumhaft aussehender Fremder hatten mich begehrt und genommen. Ganz so übel konnte ich also nicht sein. Zudem war mir ein Job für fünfhundert Pfund – wohlgemerkt: pro Abend! – angeboten worden!
»Wieso, wenn Sie mir das mal erklären würden, wieso liegen diese Bücher am Boden?!«
Dann geschah es! Überraschender als Schnee im Juli. Eine warme Welle sammelte sich in meinem Magen, zog aus allen Adern Kraft, bäumte sich wie ein lebendiges Wesen auf und brach plötzlich aus mir heraus.
Eine gewisse Emma Hunter stand auf, klappte das Titelblatt ihres Magazins zu und stützte die Fäuste auf den Tisch. »Weil sie mir runtergefallen sind«, sagte sie ganz ruhig. Sie beugte sich ein klein wenig nach vorne. Kaum erkennbar für einen Außenstehenden, aber eine klare Kampfansage für einen gewissen Leo Prince!
»Und warum sind sie Ihnen runtergefallen?« Seine Stimme schien sich nicht verändert zu haben. Noch immer war sie hochnäsig, rechthaberisch und oberlehrerhaft. Aber irgendwo darunter, unter diesen festgefügten Schichten, gab es plötzlich eine andere Nuance. Eine Nuance der Unsicherheit.
»Weil ich am Regal von einem Typen gevögelt worden bin.«
Jetzt saßen alle aufrecht. Wilde Blicke flogen durch den Raum wie der Quidditch-Ball bei Harry Potter. Ein paar männliche Kollegen feixten. Die Frauen waren geschockt oder wurden rot.
»Sie wurden … was?«
Das letzte Wort stürzte aus Prince’ Mund wie ein Bergsteiger vom Felsvorsprung. Man konnte es kaum noch hören. Es zerbrach. Zerschellte.
Vollkommen ruhig betrachtete ich die Überreste. Dann legte ich meine Brotbox auf das Heft, obendrauf meine Wasserflasche und warf meine Tasche über die Schulter.
»Ich wurde von einem Typen mitten in Ihrer Lieblingsabteilung gebumst. Im Stehen. Von hinten. Und dabei sind mir die Bücher runtergefallen.« Langsam schob ich den Stuhl unter den Tisch. »Und dieser Typ waren nicht Sie, Mister Prince!«
In diesem Moment wurde mir klar: Ich konnte fliegen! Ich hätte nur die Arme ausbreiten müssen, um mich in die Lüfte zu erheben. Wenn ich mich umblickte, konnte ich die offenen Münder erkennen und einen Leo Prince, der gelähmt mit einem blutarmen Gesicht in den Seilen hing. Für immer dem Hohn und Spott seiner Kollegen ausgesetzt. Jeder kleine Lehrbursche würde hinter seinem Rücken kichern: »Und der Typ waren nicht Sie, Mister Prince.« Diesen Satz würden sie noch auf seinen Grabstein meißeln! Ganz London würde widerhallen vom Gelächter.
Ich hatte meinen Trench angezogen und den Schirm aufgespannt. So tänzelte ich beinahe über den Gehweg in Richtung Straßenbahn á la Gene Kelly.
Ernüchtert fiel mir dann allerdings auf, dass ich in diesem Laden mein Geld verdient hatte und dass Mister Prince noch immer Abteilungsleiter war und andere schikanieren konnte. Ich aber war pleite und arbeitslos.
Ein eisiger Wind pfiff mir aus dem Eingang der Tube entgegen. Selbst Kragenhochziehen nützte nichts mehr. Ich blieb stehen. Wenn dieser Monat vorbei wäre, hätte ich nicht mal mehr das Geld, um mit dem Bus zu fahren …
Aus und vorbei! Ich war erledigt. Ein verdammt teuer erkaufter Triumph! Gewiss, alle würden über Prince lachen, aber nur so lange, bis Prince sich den erst besten Lachenden schnappte, der sich dann auch überlegen musste, wie er ohne Job klar kam.
So schluckte ich meinen Stolz hinunter, betrat ein Schuhgeschäft an der Gloucester Road und fragte, ob sie nicht eine Verkäuferin suchten. Man sah mich mitleidig an und verneinte.
Ich wanderte von Tür zu Tür und hatte überall Pech. Nicht einmal als Putzfrau hatte ich Glück!
Also fuhr ich in meine Wohnung, kaufte bei unserem indischen Tante-Emma-Laden noch eine billige Flasche Sherry von meinem letzten Geld und beschloss, mich zu betrinken. Jämmerlich!
Wenn ich wenigstens geraucht hätte. Rauchende Helden sind immer tragische Helden. Ich aber saß an meinem vollgerümpelten kleinen Couchtisch und nippte an dem Sherry, der nicht mal ansatzweise nach dem schmeckte, was ich bei George McLeod getrunken hatte.
Dieses Zeug hier schmeckte nur nach Kopfschmerzen.
Aber so etwas wie bei McLeod würde ich eh nie mehr bekommen, also konnte ich auch diesen Fusel trinken. Ich wollte nur Pause machen, darüber nachdenken wie ich nach Haworth zurückkam und dann – schlafen.
Leider hatte ich nämlich keinen einzigen Penny mehr, um eine Fahrkarte zu kaufen. Also würde ich nicht nur besiegt nach Hause zurückkehren, ich musste mir das Geld für meine Fahrkarte nach Canossa auch noch borgen …
***
Der Regen trommelte einen gleichmäßigen, traurigen Rhythmus gegen mein Fenster und ich wusste mir keinen Rat mehr.
Ich ließ Wasser in meine Wanne einlaufen und schüttelte die letzte Probepackung »Pincher’s Golden Rose« hinein, die ich bei »Boot’s« geschenkt bekommen hatte.
Dann zog ich mich aus und legte mich mit meinem Sherry in das heiße Rosenbad. Ruhig dümpelte ich vor mich hin, nippte am Sherry, träumte von George McLeod, einem besseren Leben und irgendeinem Wunder, das sich sicherlich nicht nur bei Rosamunde Pilcher ereignete, sondern auch bei Emma Hunter.
Immerhin hatte McLeod den Dunkelhaarigen zu mir geschickt. Das hieß doch, dass er Interesse an mir hatte. Ob ich ihn einfach noch mal anrufen sollte? Dass ich mich von seinem Handlanger hatte bumsen lassen, steigerte das jetzt meine Chancen oder ruinierte es sie vollkommen?
Die alte, brave Emma schalt mich für solche Überlegungen, doch die alte Emma war auch nicht pleite und am Ende. Der neuen Emma blieben lediglich unerfüllte Träume. Oder Fantasien, wie die mit George McLeod … Das war für mich eine kleine rettende Insel in meiner Niedergeschlagenheit. Ich stellte mir vor, er würde mich aus allem rausholen und ich begänne ein anderes Leben ohne Geldsorgen und ohne vernichtetes Selbstbewusstsein.
Wieder rief ich mir unsere Höhle vor Augen und das Gefühl, das ich dort gehabt hatte, welches er mir gegeben hatte …
Mit geschlossenen Augen lag ich in der Wanne und beobachtete das Gefühl von allen Seiten, das nun in mir aufstieg. Es war – Sehnsucht! Überraschende, unerwartete und unverhoffte Sehnsucht! Ich wurde unruhig. Sollte ich zu ihm gehen und sagen, ich hätte es mir überlegt? Aber wollte ich wirklich mit anderen Männern das tun, was ich mit ihm getan hatte?
Das Wasser wurde kalt und zwang mich zu der Entscheidung, neues heißes dazuzulassen oder ganz aus der Wanne zu steigen …
Ich leerte meine Flasche Sherry bis auf einen Rest, den ich nicht mehr schaffte, denn ich war jetzt so träge und umnebelt, dass ich nur noch ins Bett wollte. Deshalb kuschelte ich mich in meine Decke und überließ abschließende Gedanken dem nächsten Tag.