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BühnenReif - Teil 2

Ich war fassungslos. Wir schwebten förmlich durch den Londoner Regen. Es war wie in einem Film. Man sah, was sich auf der Leinwand abspielte, aber es hatte eigentlich nicht wirklich mit einem selbst zu tun.

Vielleicht liegt darin das Geheimnis, warum sich Menschen mit einem gewissen Reichtum derart unantastbar fühlen und manchmal auch aufführen …

Wir bewegten uns von den grauen schäbigen Außenbezirken mit den Spielplätzen, auf denen die Basketballkörbe keine Netze mehr haben, und in denen die Häuserwände mit hässlichen Graffiti überzogen sind, in das elegante Herz der Stadt. Ich sammelte alle Eindrücke der Straßen und Häuser um mich herum, denn ich war mir die ganze Zeit über bewusst, dass ich wahrscheinlich nie mehr in solch einem Fahrzeug hier entlang fahren würde.

Und – egal, was erzählt wird – es ist ein Unterschied, ob man in einem Rolls durch eine Stadt fährt oder mit einem Toyota!

»Du bist aus der Buchhandlung rausgeflogen, hörte ich«, bemerkte George.

»Woher weißt du das?« Erstaunt blickte ich ihn an und fügte hinzu: »Im Übrigen bin ich nicht rausgeflogen! Ich habe gekündigt!«

Er drehte an seinem Ehering. Ein zartes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Seltsam, aber ich mochte dieses Schmuckstück nicht.

»Wohin fahren wir?«, fragte ich, doch ich bekam keine Antwort. Auch nicht, als ich trocken feststellte: »Du hast mich noch nicht mal begrüßt.«

Er schenkte mir lediglich einen Seitenblick und schaute dann wieder hinaus in den Regen. Nach einer Weile drückte er einen Knopf der Mittelkonsole und zwischen uns glitt eine Art Schublade auf, die diverse Getränke und Gläser enthielt. Er füllte ein Glas und reichte es mir herüber.

»Wieso siehst du mich gar nicht richtig an?«, grummelte ich und war augenblicklich von mir selbst genervt, weil ich die Rolle der zickigen Geliebten nicht spielen wollte.

Jetzt blickte er zu mir herüber. Seine blauen Augen fokussierten mich. Mein Hals wurde mir eng und meine Brüste spannten in dem hässlichen Kleid vom Ramschtisch bei »Marks & Spencer«.

»Wenn ich dich länger ansehe, dann werde ich dich auf der Stelle hier im Wagen vernaschen. Ich versuche mich also zu beherrschen.« Er grinste.

Ich mochte die Art, wie er mit mir sprach. Er war nett, ohne Berechnung. Ich war auch nett, aber mit Hintergedanken, denn ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Wie mit einer Röntgenbrille sah ich durch seinen wunderbaren Anzug und das seidene Hemd bis auf seine Brust mit den kleinen grauen Löckchen. Sie dufteten so wunderbar nach dem Gel, das er offensichtlich zum Duschen verwendete. Es hatte die gleiche Note wie sein Rasierwasser. Ich fantasierte kleine Honigtröpfchen auf seine Brustwarzen, die ich ablecken wollte. Ganz langsam. Dabei würde ich ihn so anturnen, dass er fast kam.

Während er sprach, sah er aus dem Fenster. »Du denkst an Schweinereien, mein Schatz.«

»Hör auf, meine Gedanken zu lesen, böser, alter Mann!«

Er schenkte mir einen kurzen amüsierten Blick.

Dass der Wagen gehalten hatte, war mir nicht bewusst gewesen, so leise glitt er durch die Landschaft. Als ich aus dem Fenster blickte, stellte ich fest, dass mir die Gegend nicht bekannt war.

Eigentlich wollte ich nicht aussteigen, sondern in die weichen Ledersitze gekuschelt ewig weiterfahren und aus dem Fenster schauen oder eine Nummer mit George schieben …

Es waren keine Läden zu sehen. Nur Wohnhäuser im Edwardianischen Stil. Was wollten wir hier?

Jetzt übernahm George den Schirm. Der Fahrer hielt uns nur den Wagenschlag auf. Dann liefen wir durch den Regen zu einem Haus und klingelten an der Tür.

»Sind wir hier richtig?«, fragte ich unsicher.

George würdigte mich keiner Antwort.

Es wurde so schnell geöffnet, als habe die Dame im strengen dunkelblauen Kostüm, und den straff nach hinten frisierten Haaren, schon hinter der Tür auf uns gewartet. Der kleine weiße Schulmädchenkragen warf ein helles Licht auf ihr Gesicht, das ihren Teint zum Leuchten brachte.

George nickte ihr zu und sie nahm ihm den Schirm ab.

»Miss Hunter«, stellte er mich leise vor.

Was war das hier? Eine Leichenhalle? Um mich herum strotzte es nur so von Eleganz und Geld: zentimeterdicke Perserteppiche, an den Wänden hingen Gemälde mit schweren, goldenen Rahmen, über uns funkelten Kronleuchter mit hunderten von Prismen … Es raubte mir den Atem. Jetzt befand ich mich also in einem jener Häuser, die ich bisher nur deswegen kannte, weil ich abends gern vom Gehweg aus in die erleuchteten Zimmer der Reichen schaute.

»Wenn Sie sich bitte noch einen Moment gedulden würden.« Die Dame im Kostüm glitt davon, ohne dass ihre Füße irgendein Geräusch machten. Es war beinahe unheimlich.

Ich betrachtete die Gemälde genauer und erkannte jede Menge pikanter Szenen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen: fröhlich bumsende Putten, Mösen leckende Drachen – Eine Schweinerei nach der anderen! Ich deutete auf einen Geist in waberndem Gewand, der offensichtlich ein Burgfräulein in den Po vögelte.

George nickte. Ein etwas angestrengter Zug lag auf seinem Gesicht. Schämte er sich meiner?

»Ich möchte wieder gehen«, wisperte ich. Das Gefühl von Warten auf den Zahnarzttermin machte sich breit.

»Sei nicht albern«, wies er mich knapp zurecht.

Ich senkte den Kopf.

Anwaltshure 1 | Erotischer Roman

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