Читать книгу Die Rollen des Seth - Helen Dalibor - Страница 22

17

Оглавление

Hamburg-Stellingen

"Sei froh, dass deine Befürchtungen sich nicht bewahrheitet haben. Niemand weiß, dass dir nun die Sachen gehören."

Karla hatte leicht reden, wusste sie doch nicht, was Professor Winter vorhatte, um an den Namen des Bieters zu kommen - an ihren Namen.

"Aber bei der Flunsch, die Isis zieht, ist sie nicht wirklich beruhigt. Was hat denn der Herr und Meister gesagt?"

"Ach!" Isis wandte sich ab. Mona schien sie nicht ernst zu nehmen. Aber wurde sie überhaupt je ernst genommen von ihren Freundinnen? Egal was sie sagte oder vorschlug, es wurde nicht befolgt. "Er will unbedingt herausfinden, wer der Bieter ist."

"Na und? Kann er doch versuchen, er weiß doch eh nicht, wie das geht."

Ihre Freundinnen schienen wirklich nichts begriffen zu haben. Deren Begriffsstutzigkeit war einfach nicht auszuhalten. Was hatte sie ihnen denn eben erzählt?

"Aber ich hab's ihm gesagt!" Mona und Karla sahen sie sprachlos an. Erst wollte sie auf Nummer sicher gehen, um unerkannt zu bleiben, und dann tat sie so etwas. Nein, verstehen konnten sie Isis nicht. "Es sollte nur ein Witz sein, eine Art Aufheiterung. Erst war er beleidigt, dann fand er Gefallen daran. Ich wollte es ihm ausreden, aber all meine Versuche endeten darin, dass ich mich verdächtig machte. Glücklicherweise konnte ich mich herausreden. Aber nun ist Professor Winter gewillt, das Forum zu hacken, um an den Namen zu kommen."

"Und wie will er das machen? Er selbst sei doch angeblich technisch so unbegabt, dass er sogar den Bildschirmschoner für den Zugang ins Internet hält. Hast du jedenfalls gesagt."

"Ja, Karla, habe ich mal gesagt. Aber er will das auch gar nicht selbst machen. Da bräuchte ich keine Angst zu haben, eher legt er das komplette Uni-System lahm. Der würde bereits Probleme haben, überhaupt die Internet-Adresse einzugeben. Wie er seine Emails verschickt, ist mir völlig schleierhaft. Nein, nein, er hat sich dafür schon jemanden ausersehen."

"Und wen?"

"Dich ja wohl nicht. So eine Ahnung mit Skripten hast du dann doch nicht. Kannst ja nicht einmal mit HTML umgehen."

"Nein, Mona. Wär' ja auch noch schöner, dass ich mich selbst suchen soll. Nein, viel schlimmer - sein eigener Sohn!"

"Oh!", kam es gleichzeitig aus den Mündern ihrer erstaunten Freundinnen.

"Genau! Versteht ihr nun, warum ich immer noch Angst habe?"

"Um ehrlich zu sein, nicht ganz. Du hast dich irgendwo an einem öffentlichen Ort angemeldet und hast eine neue Email-Adresse eingerichtet, wo du dir eine fiktive Wohnanschrift ausgedacht hast. Oder etwa nicht?"

Mona blickte Isis scharf an, doch diese wandte den Blick nicht ab. Sie hatte alles getan, um ihre wahre Identität zu verschleiern. Auf sie konnte man eigentlich nicht kommen, außer sie verriet sich selbst.

Auf einmal hellte sich ihr Gesicht auf. Warum hatte sie nicht gleich daran gedacht? Stattdessen hatte die Furcht sie gefangen genommen und beherrscht. Dabei bestand zu keiner Sekunde die Gefahr, dass sie entlarvt werden könnte. Sie stand immer auf der sicheren Seite.

Auf ihr Gesicht schlich sich nun ein breites Grinsen.

"Ich bin aus dem Schneider!" Sie sprang vom Tisch auf, ging auf Mona zu und breitete ihre Arme aus. Verwirrt blickte ihre Freundin zu Karla, die nur mit den Achseln zuckte. "Komm in meine Arme, Mona. Du bist Gold wert!"

Bevor ihre Freundin wusste, wie ihr geschah und flüchten konnte, hatte Isis sie schon umarmt und drückte ihr die Luft ab. Vollkommen erstarrt warf Mona Karla einen flehenden Blick zu, um sie aus dieser Situation zu befreien. Doch diese grinste nur.

"Wieso hast du denn nicht gleich gesagt, dass meine Angst völlig unbegründet ist? Dann hätte ich mir nicht solche Sorgen machen brauchen."

Karla sah, wie Mona bereits blau anzulaufen drohte. Sah Isis das in ihrer Euphorie nicht? Jetzt war es an der Zeit, der Physikstudentin bei zustehen.

"Vielleicht solltest du Mona wieder loslassen. Siehst du nicht, wie du ihr die Luft abdrückst?"

"Wirklich?" Sie löste ihre Arme und Mona haute sie weg. Es folgte ein erleichterter tiefer Atemzug. "Wieso sagst du denn nichts? Du schweigst doch sonst nicht, wenn es die Möglichkeit gibt, irgendwo seinen Senf hinzuzugeben."

"Aber nicht, wenn du mir die Luft abdrückst", sagte Mona und zog tief die Luft in ihre Lungen ein. "Deine Stimmungsschwankungen sind nicht mehr zu ertragen. Erst total verängstigt und dann überaus euphorisch. Wenn das so weitergeht, ziehe ich aus!"

Isis fing zu kichern an. Wenn Mona nicht weiter wusste, kam sie wieder mit ihrer Drohung ausziehen zu wollen.

"Und wohin? Mit einer völlig verlehrten Physikerin will doch niemand zusammenziehen."

"Doch", sagte Karla und hob kokett ihren Kopf. "Ich würde sofort mit Mona zusammenziehen und mit ihr eine WG gründen".

"Eine Isis-freie-Zone".

"Ach!", Isis machte eine abwertende Handbewegung. "Du zählst nicht. Ihr beide redet euch doch gegenseitig nach dem Mund."

"Das habe ich eigentlich immer auf euch beide bezogen", sagte Karla empört.

"Ich vergaß, was ich doch für zwei nette Freunde habe."

"Und auch deine einzigen", fügte Karla schnippisch hinzu.

Schlagartig trat Stille in die Küche und legte sich wie ein bedrückender Schleier um die Drei. Die Chemiestudentin hatte unabsichtlich ein Thema angeschnitten, das Isis seit dem Ende ihrer Schulzeit mied.

Viele Freunde hatte sie nie gehabt. Doch seit dem Tod ihres Bruders und der Scheidung ihrer Eltern, hatte sie sich in ihr schützendes Schneckenhaus zurückgezogen, wie es Mona einmal formuliert hatte. Ihre beiden Freundinnen hatten sich nicht entmutigen lassen, obwohl Isis immer unausstehlicher geworden war. Die anderen so genannten Freunde hatten irgendwann den Kontakt abgebrochen. Isis wurde immer verschlossener, blühte eigentlich nur auf, wenn sie von ihren Hatschepsut-Studien erzählte. Ihre Launen wechselten oft, besonders wenn sich ihr Geburtstag und kurz drauf der Tod ihres Bruders jährten. Isis war eine in sich gekehrte Person geworden, die äußerlich den Schein wahren konnte, doch wie es ihr wirklich ging, hatte vielleicht nur ihr Großvater gewusst. Doch Isis war es egal, so lange sie nicht - wie eben geschehen - darauf angesprochen wurde.

"Sag mal, kannst du das morgen nicht ohne mich machen? Ich hab' Praktikum", sagte Mona in die Stille hinein und versuchte das eisige Schweigen zu brechen. Dass sie dafür nicht die beste Methode gewählt hatte, merkte sie nicht. Sie wollte sich nur vor dem Auftrag drücken, da ihr die Sache nicht behagte.

"Ich brauche euch beide", sagte Isis, hörte aber nicht auf, einen imaginären Punkt anzustarren. "Sonst würde ich den allein verfolgen und wäre auf eure Hilfe nicht angewiesen."

"Warum gibst du dem kein Falschgeld? Du weißt doch selbst nicht, ob die Gegenstände echt sind. Dann wären wir auch nicht nötig."

Kopfschüttelnd stand Isis vom Tisch auf. Hatte es überhaupt Sinn eine weitere Diskussion darüber zu führen, die wahrscheinlich genauso sinnlos war wie die vorherigen auch?

"Das war klar, dass der Vorschlag von dir kommen musste." Karla warf ihrer Freundin einen scharfen Blick zu, den sie nicht sah, da sie mit dem Rücken zum Tisch stand. "Ich mache mich doch nicht strafbar", sagte sie, drehte sich um und stützte sich auf ihrer Stuhllehne auf. Dabei fixierte sie Karla und Mona abwechselnd. "Die ganze Aktion ist bereits illegal, da reite ich mich doch nicht noch weiter hinein. Sagt mir doch einfach, wenn euch das zu heiß wird, dann werde ich das allein durchziehen. Aber kommt mir nicht mit solch blöden Ausreden. Ihr seid doch keine Kleinkinder mehr, die weinend zu Mami laufen, wenn ihnen etwas nicht passt. Aus dem Alter seid ihr doch wahrlich raus."

Mona hatte erwartet, dass Isis mit der Hand auf den Tisch hauen würde und ihren nicht sehr standfesten Becher vorsorglich umklammert. Doch die Geste zur Unterstreichung ihres Wutausbruchs unterblieb.

"Also, wie habt ihr euch entschieden?" Isis hatte ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt, doch noch bevor Mona oder Karla antworten konnten, hob Isis abwehrend die Hände. "Nein, sagt es mir nicht. Entweder ihr seid morgen da oder ihr seid nicht da. Eure Entscheidung, die ich wohl oder übel akzeptieren muss." Mit diesen Worten ließ sie ihre Freundinnen allein in der Küche zurück und ging auf ihr Zimmer.

Mona und Karla blieben allein mit ihrer schweren Entscheidung zurück. Sollten sie Isis enttäuschen und der Übergabe fernbleiben oder den gefährlichen Auftrag übernehmen? Was sollten sie tun?

Die Rollen des Seth

Подняться наверх