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Hamburg-Eimsbüttel

Das Wochenende hätte so schön verlaufen können, wenn Isis nicht eine Mail von Professor Winter bekommen hätte. In der Mail hatte er wütend geklungen und schien zu allem entschlossen. Er konnte es nicht verwinden, dass ihm jemand die beiden Gegenstände vor der Nase weggeschnappt hatte, dass ihn jemand überboten hatte. Sofort hatte sie alles stehen und liegen lassen, war nicht mehr in den Garten gegangen, um die blühenden Obstbäume mit ihrer neuen Kamera zu fotografieren. Professor Winter wollte sie am folgenden Tag sehen, weshalb in Isis die Angst wuchs, dass sie ertappt worden sei. Ein völlig abwegiger Gedanke, der sich allerdings nicht verscheuchen ließ.

Mona und Karla hatten sie beruhigen wollen, indem sie Isis vor Augen führten, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Wenn Professor Winter tatsächlich wusste, dass Isis den Zuschlag bekommen hatte, würde er nicht bis Montag warten, um sie dann mit seinem Wissen zu konfrontieren. Die Polizei hätte schon längst vor ihrer Tür gestanden und die junge Ägyptologin mitgenommen, aber es war niemand gekommen.

Und so starrte Isis verschreckt aus dem Fenster ihres Arbeitszimmers. Als einmal tatsächlich ein Polizeiauto vorbeifuhr, zuckte sie zusammen, verschwand vom Fenster und versteckte sich unter dem Tisch. Bange Minuten vergingen, sie wartete auf das Klingeln, doch nichts geschah. Langsam war sie unter dem Tisch hervorgekommen und sah vorsichtig aus dem Fenster. Vor dem Grundstück stand kein Polizeiauto.

Mona und Karla hatten den Montag schließlich herbeigesehnt und als er endlich da war, dankten sie, dass die Zeit so schnell vergangen war, obwohl ihnen die Stunden zu lang vorgekommen waren. Ungewöhnlich früh hatten beide Isis aus ihrem eigenen Haus geworfen. Sie hatten dieses Nervenbündel nicht länger ertragen können.

So stand Isis nun mit zitternden Knien vor der geschlossenen Tür von Professor Winters Raum. Unentschlossen hob sie den Arm, um anzuklopfen. Dann hielt sie inne und lauschte. Waren hinter der Tür nicht Stimmen zu hören? Wenn sie sich konzentrierte und leise verhielt, waren Stimmen zu vernehmen. Was gesagt wurde, konnte Isis nicht verstehen, die Worte wurden durch die Tür geschluckt. Doch einer der Sprechenden war Professor Winter. Ihn hatte sie an der Tonlage erkannt und dann war da noch jemand anderes, der nur kurze Kommentare von sich gab. Wenn sie nur verstehen könnte, was hinter der Tür gesprochen wurde. Zögerlich sah sie sich um. Der Flur war leer. Sie trat näher auf die Tür zu und hielt den Kopf dran. Dumpfen drangen die Stimmen zu ihr.

"Sie müssen zur Polizei gehen. Der Handel war illegal."

"Mein lieber Grehtlahn, Sie wiederholen sich. Denken Sie doch einmal daran, was das für Fragen aufwirft. Wir haben ein illegales Geschäft nicht gemeldet. Nein, das ist der letzte Ausweg. Wenn wir keine Lösung finden, können wir den Weg einschlagen, den Sie vorschlagen, vorher nicht."

"Entschuldigen Sie, aber das kann ich nicht nachvollziehen. Wollen Sie es wirklich darauf ankommen lassen, dass diese Dinge in einem Tresor verschwinden?"

Professor Winter lachte laut auf. Es klang abwertend und war sicherlich auch so gemeint.

"Hören Sie auf! Sie klingen schon wie Frau Just. Die bemängelt auch ständig, wie viele Artefakte ins Ausland wandern."

Scharf sog Isis die Luft ein. Nicht einmal Professor Winter schien sie zu verstehen. Doch sie kannte es, das niemand sie verstand. Was sollte sie sich aufregen? Es würde ja doch nichts bringen. Dennoch schmerzte es sie, dass niemand ihre Denkweise teilte.

"Sie wollen also abwarten?"

Es kam keine Antwort, dafür aber hörte Isis Schritte. Schnell trat sie von der Tür, um nicht als Lauscherin entlarvt zu werden.

Die Tür wurde aufgerissen und Dr. Grehtlahn stürmte aus dem Raum. Er streifte Isis, die sich an die Wand gepresst hatte und zusammenzuckte, als er sie mit einem unbedachten bösen Blick streifte.

Er weiß, was ich getan habe, ging es ihr durch den Kopf.

Die Angst erwischt worden zu sein, machte sich in ihr breit, doch bevor sie kehrt machen und den Gang zurückeilen konnte, hatte Professor Winter sie entdeckt.

"Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Meine Bitte um ein Treffen war recht kurzfristig gewesen."

In Isis machte sich ein Gefühl der Beklemmung breit. Wie sollte sie Professor Winter nur gegenüber treten? Kurz sammelte sie sich, verdrängte ihre Angst und trat so souverän wie immer auf. Nur wer sie genau kannte, bemerkte, wie viel Mühe es sie kostete, sich so zu verstellen.

Ein unmerkliches Zittern breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, zugleich spürte sie eine Wärme in ihrem Gesicht hochsteigen. Sie fühlte sich bereits ertappt, ohne ein Wort der Anschuldigung vernommen zu haben. Sie musste sich zusammenreißen, wollte sie nicht auffallen.

"Wenn Sie rufen, komme ich sofort. Vor allem scheint es wichtig zu sein. Sie haben den Zuschlag nicht erhalten, wie ich aus Ihrer Email erfahren habe." Isis versuchte so unschuldig zu klingen wie möglich und hoffte, dass ihr Gegenüber keinen Verdacht schöpfen würde. Wenigstens hörte man ihr die Anspannung nicht an.

"Sehr richtig", unterbrach sie Professor Winter abrupt. "Irgendjemand hat uns überboten und den Zuschlag erhalten. Ich kann das immer noch nicht glauben. Dabei habe ich sämtliche Gelder zur Verfügung gestellt, die ich freigeben konnte."

"Vielleicht war der Betrag dennoch nicht hoch genug."

Was redete sie da einen Blödsinn. Professor Winter musste doch denken, dass sie den Verstand verloren hatte. Wenn jemand den Zuschlag nicht erhielt, hatte er immer weniger geboten als der Bieter, der den Zuschlag erhalten hatte.

Sie versuchte ruhig zu bleiben, wusste sie doch wie viel sie geboten hatte, um schließlich den Zuschlag zu bekommen. Wie es schien, hatte sie mehr Geld zur Verfügung gehabt, als der gesamte Fachbereich Ägyptologie. Das freute sie natürlich, betrübte sie aber auch zugleich, denn es zeigte, dass das Kapitel Ägyptologie in Hamburg so langsam seinem Ende zuging. Sie musste sich rechtzeitig absetzen, bevor der Fachbereich dicht gemacht wurde und sie ohne Stelle da stand. Aber wohin sollte sie gehen? Erst einmal musste sie ihre Promotion schreiben, danach konnte sie weitersehen.

"2500 Euro sind viel Geld. Das sind beinahe 5000 DM. Aber mehr konnte ich auf die Schnelle einfach nicht auftreiben."

Auf sein Privatvermögen hatte er nicht zurückgreifen wollen. Wer weiß, ob er das Geld je wiedergesehen hätte. Wahrscheinlich nicht und so hatte er daran keinen weiteren Gedanken mehr verschwendet. Nun ärgerte er sich darüber, dass er den Gedanken so leichtfertig verdrängt hatte. Wie leicht hätte er die beiden Gegenstände sein Eigen nennen können, aber es war ihm nicht vergönnt gewesen. Sein verdammter Altersgeiz.

"Und was wollen Sie jetzt tun?"

Waren das etwa Schweißperlen, die sich da auf Frau Justs Stirn gebildet hatten? Das konnte nicht sein, er musste sich täuschen. Was sollte ihr denn Angst machen? Vielleicht fürchtete sie, dass er ihr sagte, ihre Stelle würde nicht verlängert werden. Wie es aussah, würde ihr Vertrag tatsächlich nicht verlängert werden, doch noch stand nichts fest. Diese Zukunftsängste hatte er in seiner Jugend nicht gekannt, doch die Zeiten hatten sich verändert.

Professor Winter setzte sich hinter seinen Schreibtisch und starrte auf die Bilder der beiden Gegenstände, die sich verstreut auf seiner Arbeitsunterlage befanden. Wie leicht wäre es gewesen in den Besitz der Gegenstände zu kommen. Hätte er doch nur vorher gewusst, wie viel er hätte bieten müssen. Dann hätte er irgendeine Summe genannt, nur um den Zuschlag zu bekommen. Das nötige Geld hätte er dann irgendwie aufgetrieben. Notfalls tatsächlich mit seinem eigenen Geld den fehlenden Betrag beglichen. Die Vase und die Kette hätten ihm nicht mehr genommen werden können. Die Gegenstände waren nicht schön, aber sie waren unbekannt. Nirgendwo war eine Publikation darüber erschienen. Das alles hätte er ändern können. Eine schöne Aufgabe wäre es gewesen, die ihm seinen nahenden Ruhestand erträglich gemacht hätte. Sein Name wäre in aller Munde gewesen, man hätte ihn nicht vergessen, so wie viele seiner anderen Kollegen. Alles vorbei, er hatte seine Chance vertan. Ihm blieben nur die Bilder und dem unbekannten Bieter die realen Gegenstände. Wenn er bloß wüsste, wer sich dahinter verbarg.

"Herr Winter, hören Sie mich?"

Isis war an seinen Schreibtisch getreten und sah die Bilder. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter und das Zittern überkam sie. Auf einmal fand sie es wahnsinnig kalt im Raum, doch alle Fenster waren verschlossen.

Diese Gegenstände gehörten nun ihr und niemand außer Karla und Mona wussten davon. Sie hatte Glück gehabt, das wusste sie, und dennoch wollte sie das Glück nicht weiter herausfordern. Morgen würde die Übergabe stattfinden, dann würde sie beide Gegenstände eingehend studieren und an einen sicheren Ort bringen. Auf keinen Fall durften sie bei ihr gefunden werden.

Isis fürchtete trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, dass sie entdeckt werden könnte. Darauf musste sie vorbereitet sein. Wenn sie alles abstritt, durften die Gegenstände nicht bei ihr gefunden werden, deshalb mussten sie weg und an einen sicheren Ort gebracht werden. Am besten zu ihrer Oma. Die würde es verstehen und sie nicht verraten, auch wenn ihre Bindung nie so eng gewesen war wie die zu ihrem Großvater.

"Wir müssen an die Gegenstände kommen. Ich weiß, dass Dr. Grehtlahn recht hat, aber wir können die Polizei nicht einfach einschalten. Das würde ein schlechtes Licht auf uns werfen, weil wir es nicht gemeldet haben und uns zugleich der Hehlerei verdächtig machen."

"Und wie wollen Sie dann an den Namen des Bieters kommen, der den Zuschlag bekommen hat? Wollen Sie das Forum hacken, um den Namen zu erfahren?"

Professor Winters Miene verfinsterte sich. Solche Art Scherze gefielen ihm überhaupt nicht. Vor allem in der jetzigen Situation war das nicht witzig, sondern völlig unangebracht.

"Ich bin ja von den Studenten einiges gewohnt, auch solche Art Scherze. Aber ich hätte nie gedacht, dass Sie selbst auf solche schwachsinnigen Ideen kommen würden. Sie enttäuschen mich, Isis."

Wenn's weiter nichts ist.

Den Unmut des Professors konnte Isis verkraften. Dann würde er sie vielleicht endlich in Ruhe lassen und sie musste nicht fürchten, sich irgendwie zu verraten. Wieso war sie darauf nicht schon viel früher gekommen? Um in Ruhe gelassen zu werden, musste sie einfach nur Professor Winter verärgern. Doch wenn sie richtig darüber nachdachte, brachte es mehr Nachteile als Vorteile. Zu sehr verärgern durfte sie ihn nicht und ihn sich womöglich zum Feind machen. Sie war auf ihn angewiesen, selbst wenn es ihr im Augenblick nicht gefiel. Sie hatte sich seinen Befehlen und Launen zu beugen. Aber sie hatte ihm auch viel zu verdanken. Wenn er sich nicht für sie eingesetzt hätte, würde sie wahrscheinlich heute noch arbeitssuchend sein. Ihr lag es nicht, irgendwo vorstellig zu werden und Klinken zu putzen. Ihr musste es zufliegen, sie wollte dafür nichts tun müssen. Eine Denkweise, die sie ändern musste, das war Isis klar, doch es war schwierig. Und bald würde sie vor diese Situation gestellt werden. Ihre Stelle war nur befristet. Studienanfänger konnten sich seit dem Wintersemester 2005/06 nicht mehr für das Studium der Ägyptologie an der Universität Hamburg einschreiben. Die Kurse und Vorlesungen waren immer weniger und auch schlechter geworden, wie Isis fand. Jetzt kam es sogar vor, dass eine Vorlesung wegen Krankheit des Dozenten einfach ausfiel und nicht für Ersatz gesorgt wurde. Wenn etwas ausfiel, dann fiel es eben aus. Sollten die Studenten doch endlich ihren Abschluss machen, damit der Studiengang geschlossen werden konnte. 2012 war spätestens Schluss, wie auch mit den veralteten Diplom- und Magisterstudiengängen. Von der Hochschulreform war Isis im Großen und Ganzen nicht betroffen gewesen, doch hatte sie in ihren beiden Nebenfächern Bachelor-Studenten kennen gelernt, die über die Verschulung und die übervollen Lehrpläne klagten. Der Vorteil eines Bachelor- und Masterstudiums war die geringere Zeit, die fürs Studium angeblich gebraucht wurde. Doch die Lehrpläne waren nicht enträumt und entzerrt worden, sondern stattdessen wurde der Lehrplan eines Magister- oder Diplomstudiums auf das Bachelorstudium übertragen. Mit dem Nachteil, dass die Studenten in kürzerer Zeit sich den gleichen Lehrstoff aneignen mussten. Kein Wunder, dass viele Studierende sich überfordert fühlten und psychische Probleme bekamen. Solchen Härtefällen war Isis während ihres Studiums nicht begegnet, doch es musste sie geben. Warum sonst wurde so viel darüber geschrieben?

"Wie funktioniert so was eigentlich? Ist das schwer?"

Isis zuckte zusammen. Die Anwesenheit von Professor Winter hatte sie vollkommen verdrängt, obwohl sie in seinem Raum stand.

"Was meinen Sie, wenn ich fragen darf?"

Hatte er ihren Vorschlag, den sie nun wirklich nicht ernst gemeint hatte, für bare Münze genommen? Das konnte doch nicht wahr sein. Sollte er jemanden finden, der diese Arbeit erledigen würde, könnte es brenzlig für sie werden. Trotz der ganzen Sicherheitsmaßnahmen, die sie getroffen hatte, fürchtete sie entdeckt zu werden.

"Sie sagten doch, man müsse das Forum hacken, um an den Namen des Bieters zu kommen."

"Das war als Aufheiterung gedacht, mehr nicht."

"Dann haben Sie einen anderen Humor als ich, den ich nicht verstanden habe. Aber jeder Mensch fasst Humor ohnehin anders auf." Professor Winter stockte, als er merkte, dass er abzuschweifen drohte. "Nun aber mal ernsthaft. Wäre es möglich?"

Isis merkte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Nur gut, dass es sich äußerlich nie bei ihr bemerkbar machte. Manchmal hatte es Vorteile vom Hauttyp her eher blass zu sein. So fiel es nicht auf, wenn ihr etwas peinlich war oder sie sich besonders blöd angestellt hatte und sich dafür schämte.

Aber da hatte sie sich nun etwas eingebrockt. Ihr Scherz wurde ernst genommen und würde ihr vielleicht den Kopf kosten. Sie sollte wirklich darüber nachdenken, was ihr auf den Lippen lag, bevor sie es aussprach. Nun war es zu spät und sie konnte es nicht rückgängig machen. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass sich niemand finden würde, der sich zu dieser illegalen Arbeit bereit erklärte. Sie selbst kannte niemanden und würde sich auch nicht auf die Suche nach einem Hacker machen. Die Spinne würde doch nicht in ihre eigene Falle tappen und sich im Netz verheddern. Sie würde nichts tun.

"Sicherlich wäre es möglich, aber ich glaube nicht, dass wir so etwas tun sollten. Es..."

"Das lassen Sie mal meine Sorge sein", unterbrach sie Professor Winter ruppig. "Der Handel, also das Angebot der Gegenstände, war genauso illegal wie das, was ich nun in Auftrag geben werde."

Isis lief ein kalter Schauer den Rücken herunter, der gar nicht enden wollte. Das war nicht in ihrem Sinne. Wie nur konnte sie Professor Winter überzeugen, dass er von dieser Idee ablassen sollte?

"Aber Sie kennen doch niemanden, der bereit wäre, so etwas zu tun. Und wer weiß, selbst wenn jemand sich bereit erklären sollte, das zu tun, wissen wir oder Sie immer noch nicht, ob dieser Hacker es gegen uns verwenden könnte. Vielleicht ist er sogar ein Spitzel der Polizei und schwärzt uns an."

Professor Winter lachte laut auf. Diese Skepsis und Ängste kannte er von seiner früheren Studentin und jetzigen Mitarbeiterin nicht. Er betrachtete sie kurz. Ihre Augen schienen wirr zu blicken, ratlos und verängstigt. So starrte sie ihn an, verängstigt. Nein, sie sah ihn nicht an, sondern an ihm vorbei, als könne sie ihm nicht ins Gesicht blicken. Doch wovor fürchtete sie sich? Dass sie in die illegale Sache hineingezogen werden könnte? Es schien absurd, aber warum sollte Frau Just sonst versuchen, ihm es ausreden zu wollen?

"Es ist sehr löblich von Ihnen, dass Sie versuchen, mich vor irgendwelchen drohenden Unannehmlichkeiten zu schützen, doch die Zeit der Stasi-Spitzel ist längst vorbei. Hoffe ich jedenfalls. Es ist Ihnen nicht gelungen, mich davon abzuhalten. Ich habe die Gegenstände zwar nicht bekommen, dennoch hat sich eine durch Ihre unbedachte Aussage wunderbare Möglichkeit ergeben, wie ich doch noch daran komme. Dafür haben Sie meinen ergebensten Dank."

"Sie wollen sich wirklich in das Forum einhacken? Bedenken Sie doch, was für Auswirkungen das haben könnte. Das sind Vase und Kette nun wirklich nicht wert."

Isis war zurückgewichen, als Professor Winter sie misstrauisch ansah. In seinen Augen las sie Unverständnis und Unglauben. Sie konnte sich selbst nicht verstehen. Warum ließ sie ihn nicht gewähren? Er würde nie auf sie kommen, doch wenn sie sich weiter gegen diese - dennoch illegalen - Methoden wehrte, machte sie sich verdächtig. Sie musste ihren Mund halten und ihm beipflichten, egal wie schwer es ihr fiel.

"Meine liebe Isis." Wie sehr sie solche Anreden hasste. So konnte mit dem eigenen Kind oder Haustier gesprochen werden, aber doch nicht mit ihr - einem erwachsenen Menschen. "Ich weiß wirklich ihre Besorgnis zu schätzen, dennoch verwundert es mich, dass Sie so reagieren. Sind Sie immer dafür, dass Gegenstände, die deutschen Museen angeboten werden, auch dort hinkommen sollten, um nicht ins Ausland zu gelangen. Ihnen wären sogar illegale Mittel Recht - geben Sie's zu!" Isis starrte ihn mit großen Augen an. Irgendwann schien sie einmal mit ihren persönlichen Ansichten übertrieben zu haben. "Sie glauben, ich wüsste nicht, was durch Ihren Kopf geht, aber ich weiß es sehr gut. Und jetzt will ich mal etwas tun, was Sie immer fordern, und Sie sind vehement dagegen. Es tut mir leid, aber das kann ich nicht verstehen. Es klingt beinahe so, als wollten Sie gar nicht, dass der Bieter gefunden wird. Entschuldigen Sie meine Worte, aber das schließe ich aus Ihrer Reaktion und Ihren Worten."

Isis spürte, wie ihr Herzschlag für einen Moment aussetzte und sich dann beschleunigte. Jetzt musste sie Argumente bringen, damit sich Professor Winters Verdacht sofort zerstreute. Durch ihre dämliche Angst würde sie sich nur weiter reinreiten. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich noch durch ihre unbedachte Art verraten.

"Ich bin nicht gegen Ihr Vorhaben, herauszufinden, wer sich hinter dem Bieter verbirgt. Ich bin nur dagegen, dass jemand das Forum hackt. Wie können wir jemandem vertrauen, den wir gar nicht kennen? Er würde sich Fragen stellen und uns vielleicht sogar erpressen. Deshalb bin ich gegen dieses Vorhaben, das eine Schnaps-Idee ist."

Professor Winters Misstrauen gegen Isis verschwand so schnell, wie es gekommen war. Es verpuffte in einer Art Seifenblase und verstreute sich. "Jetzt verstehe ich, was Sie mir die ganze Zeit sagen wollten. Sie wollten mich vor weiterem Ungemach schützen. Sehr löblich, aber das brauchen Sie nicht. Für dieses Vorhaben kann ich auf jemanden zurückgreifen, dem ich blind vertrauen kann."

"Und wem?"

Sie hätte sich auf die Zunge beißen können, doch es war zu spät. Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde Isis bewusst, wie unverschämt ihre Frage gewesen war. Doch wenn Professor Winter sie so aufnahm, ließ er es sich nicht anmerken.

"Mein Sohn Lukas. Er hat Informatik studiert und..." Er zögerte, als überlege er, ob er die nächsten Worte wirklich laut aussprechen sollte. "Na ja, er hat so was früher mal gemacht. Damals illegal, heute verdient er damit sein Geld. Überprüft die Webseiten von großen Firmen. Hätte nie gedacht, dass man damit Geld verdienen könnte."

"So ändern sich die Zeiten."

Isis klang erleichtert, dennoch war ihr nicht wohl dabei, dass es für Professor Winter ein Leichtes sein würde, den Namen des Bieters zu bekommen. Damit wäre es kein Problem, auch an den Namen desjenigen zu kommen, der den Zuschlag bekommen hatte. Es würde sehr wahrscheinlich nicht mehr allzu lange dauern bis man auf sie kommen würde. Das musste sie verhindern. Sie hatte so viele Vorsichtsmaßnahmen getroffen, doch das alles drohte auseinander zu brechen. Was sollte sie nur tun? Sie musste Karla und Mona um Rat fragen. Die wussten sicherlich, was zu tun war.

Die Rollen des Seth

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