Читать книгу Rätselhafte Ereignisse in Perfect - Hüter der Fantasie - Helena Duggan - Страница 16
ОглавлениеAGDS
Tags darauf saß Violet nach der Schule zu Hause am Küchentisch und plagte sich mit ihren Hausaufgaben herum. Sie sollte einen Aufsatz schreiben, zum Thema »Warum die Welt Regeln braucht«.
Ihrer Meinung nach brauchte die Welt nicht viele Regeln. Sie hatte versucht, das im Unterricht anzubringen, woraufhin Mrs Moody beinahe einen Herzinfarkt erlitten hatte. Niemand stimmte ihr zu. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass die Aufgabe nur auf sie abgezielt hatte.
»Ich habe gerade mit deiner Lehrerin gesprochen«, verkündete ihre Mutter seufzend, als sie in die Küche kam. »Sie sagt, du hast den Unterricht gestört und integrierst dich nicht in die Klasse …«
Sie ließ den Satz einen Moment in der Luft hängen. Violet wollte etwas erwidern, doch ihre Mutter hob die Hand.
»Außerdem liegt die Auswertung deiner Testergebnisse vor. Nicht zu fassen, dass es mir nie aufgefallen ist. Das ist meine Schuld. Ich trage die Verantwortung dafür.«
»Was meinst du, Mam? Was für Testergebnisse?«
»Violet, bitte, ich weiß, das ist nur ein Symptom deines Zustands, aber sei nicht so vorlaut.«
»Mam«, flehte Violet, »geht es um den Test von gestern? Der war das Dümmste, was ich je gesehen habe. Sie wollten sogar wissen, welche Farbe meine Lieblingssocken haben. Du hättest dich kaputtgelacht! Hier ist alles so seltsam, Mam, ich finde Perfect einfach nur gruselig …«
»Schluss damit, Violet, ich will nichts mehr hören. Farben können viel über eine Person aussagen, vor allem die Farbe ihrer Socken! Nun denn, Violet, Liebes«, fuhr ihre Mutter fort, deren »Liebes« schon genauso klang wie das von Mrs Moody, »wie sich herausgestellt hat, leidest du an einer Krankheit namens AGDS. Das steht für Anpassungs- und Gehorsamkeitsdefizit-Syndrom. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das nie bemerkt habe, obwohl es dir wahrscheinlich schon dein gesamtes Leben lang zu schaffen gemacht hat, Liebes.« Sie steckte die Hand in ihre Tasche. »Deswegen bekommst du ab sofort die hier.«
Rose zog ein kleines braunes Fläschchen hervor und stellte es vor Violet auf den Tisch.
»Davon nimmst du eine am Morgen«, sagte sie, während sie das Fläschchen wieder hochnahm und eine einzelne gelbe Pille in ihre Hand schüttete. Dann stand sie auf, füllte ein Glas mit Wasser und setzte es zusammen mit der Pille vor ihrer Tochter ab. »Und zwei am Abend. Der Doktor meinte, ich soll dir deine Morgendosis jetzt gleich geben, weil du ein besonders schwerer Fall bist. Die Abenddosis gebe ich dir, wenn ich zurückkomme. Mach dir keine Sorgen, dass wir es vergessen könnten, Liebes, Mrs Moody hat mir freundlicherweise diesen Timer gegeben, der uns daran erinnert.« Sie stellte eine kleine Uhr auf den Tisch. »Der Schule liegt dein Wohlergehen wirklich am Herzen.«
»Aber Mam, ich gehe da doch erst seit zwei Tagen hin! Mrs Moody kennt mich überhaupt nicht. Der Test war total bescheuert und ich war nicht ungehorsam! Mir ist bloß der Bleistift runtergefallen und beim Seilspringen habe ich einmal die Beine überkreuzt. Mam, bitte, ich will keine Tabletten nehmen. Ich bin nicht krank!«
»Violet, Schluss jetzt! Ich weiß, du verhältst dich nur wegen deines AGDS so, aber ich muss sagen, das kann ganz schön ermüdend sein.«
»Aber Mam …«
»Genug, Liebes! Jetzt nimm deine Tablette. Ich muss gleich zum Buchclub und möchte mir keine Sorgen machen müssen, dass du dein Medikament nicht genommen hast.«
Violets Blick wanderte zu der gelben Pille vor ihr und von dort hoch zu ihrer Mutter, die aussah, als würde sie gleich explodieren. Wütend legte sie sich die Tablette auf die Zunge, setzte das Wasserglas an und schluckte.
Ihre Mutter lächelte, tätschelte Violet den Kopf und erhob sich.
»Nun fühlst du dich doch gleich viel besser, oder? Ich gehe jetzt zu meinem Treffen, aber ich bin rechtzeitig wieder zurück, um Abendessen für dich und deinen Vater zu kochen. Ich glaube, heute mache ich Risotto.«
Ihre Mutter schwebte aus dem Raum, während Violet wutschäumend am Küchentisch sitzen blieb.
Die Frau, mit der sie gerade geredet hatte, mochte aussehen wie ihre Mutter, doch sie war es definitiv nicht. Es musste sich um eine Art fiese Doppelgängerin handeln, die ihren Platz eingenommen hatte.
Violet stand auf und lief in der Küche hin und her. Irgendwas stimmte nicht, und zwar ganz und gar nicht. Sie musste versuchen, noch mal mit ihrem Dad zu reden. Vielleicht konnte sie ja diesmal zu ihm durchdringen.
Er war bei der Arbeit, also schnappte sie sich ihre Jacke und rannte, so schnell sie konnte, zum Ocularium.