Читать книгу Rätselhafte Ereignisse in Perfect - Hüter der Fantasie - Helena Duggan - Страница 18

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Iris Archer

Violets Herz setzte einen Schlag aus. Hinter dem Fenster gegenüber stand dieselbe alte Frau wie neulich und beobachtete sie. Hastig wandte Violet den Blick ab. Als sie es wagte, wieder hinzusehen, war die Frau verschwunden.

Einige Minuten später ging die Haustür nahezu geräuschlos auf und die alte Frau kehrte an ihren Platz am Fenster zurück.

War das eine Einladung? Bat sie Violet herein?

Violet stand auf und ging auf das Haus zu. Vor der offenen Tür blieb sie stehen.

»Hallo?«, rief sie.

Als keine Antwort kam, trat sie vorsichtig ein.

Das Innere des Hauses wirkte beinahe perfekt, doch genau wie an seiner Außenseite gab es ein paar Kleinigkeiten, die nicht recht ins Bild passen wollten. Der Boden war ein bisschen uneben und knarrte beim Drübergehen. Das einzige Licht fiel von außen durch die schmutzigen Spitzengardinen herein und alles war von einer dicken Staubschicht überzogen. Es sah aus, als hätte hier schon lange niemand mehr sauber gemacht, was seltsam war, wo Putzen hier in Perfect doch fast wie eine olympische Sportart betrieben wurde.

Auf der linken Seite stand eine der Türen einen Spaltbreit offen.

»Hallo?«, wiederholte Violet, als sie den Kopf hindurchsteckte.

Die alte Frau saß auf ihrem Platz am Fenster, ihr Körper verschwand halb im Schatten.

»Sie haben die Tür aufgemacht«, sagte Violet und wagte sich einen weiteren Schritt vor.

»Ja.«

»Alles in Ordnung? Brauchen Sie Hilfe?«

»Nein«, krächzte die alte Frau.

Ihr weißes Haar erinnerte entfernt an ein Vogelnest. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid, unter dessen Spitzensaum ihre knochigen nackten Füße hervorragten. Sie hatte ein freundliches Gesicht, doch ihre Augen wirkten traurig.

»Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«, erkundigte sich Violet.

Statt zu antworten, drehte die alte Frau sich wieder zum Fenster um. Die Erkenntnis traf Violet wie ein Schlag.

»Sie tragen gar keine Brille!«, platzte sie heraus.

»Augen brauchen keine Gläser, um zu sehen«, erwiderte die Frau. »Sie sind das Fenster zu meiner Seele, warum sollte ich sie da verschleiern?«

»Aber …«, stammelte Violet, »macht die Sonne Sie denn nicht blind?«

»Es heißt Söhne. Sie sind es, die mich beraubt haben.«

Violet machte noch einen vorsichtigen Schritt ins Zimmer hinein.

»Augen krank«, krächzte die alte Frau warnend. »Augen krank. Die Söhne machen die Augen krank. Iris Archer, sagen sie, der Sohn da taugt nix. Ich hab ihn vor Arnold beschützt, meinen William, mein Äpfelchen. Dann haben Ed und Georgie ihn vor Neid aufgefressen.«

»William Archer?«, hakte Violet nach. »Ist er Ihr Sohn? Was ist mit ihm passiert?«

»Mein Sohn, mein Mond und meine Sterne.« Iris’ Augen füllten sich mit Tränen.

»Tut mir leid«, sagte Violet. »Ich wollte Sie nicht aufregen.«

»Er ist nicht hier«, fuhr Iris fort. »Sie sagen, er war wild und aufsässig, eine unstete Seele, aber ich wusste, dass das seine Lebensfreude war. Ein Kind ohne Lebensfreude ist wie ein Himmel ohne Sterne. Er hatte Sterne, mein William. Eine Welt voller Sterne. Gehst du auch auf seine Schule?«

Violet zuckte etwas ratlos mit den Schultern.

»Ich weiß nicht, kann sein. Ich bin aber auch neu hier. Mein Dad arbeitet für George und Edward. Das sind doch auch Ihre Söhne, oder?«

»George und Edward, Edward und George? Sie haben mir das Licht meiner Augen gestohlen. Sie sind wie ihr Vater. Ordnung, alles muss immer in Ordnung sein.«

Violet wich in Richtung Haustür zurück. Die alte Frau war offensichtlich verrückt und sie wollte sie nicht noch mehr aufwühlen.

»Ähm … ich muss gehen, meine Mam hat schon den Tee aufgesetzt. Es gibt Risotto«, brabbelte sie zusammenhanglos.

»Du darfst den Tee nicht trinken!« Iris schoss aus ihrem Stuhl hoch und kam in erstaunlichem Tempo auf Violet zu. »Hör auf mich, trink auf keinen Fall den Tee!«

»Äh … okay, mach ich nicht, versprochen«, stammelte Violet und stolperte rückwärts.

Sie hatte fast schon die Tür erreicht, als die alte Frau weitersprach. Diesmal klang sie nicht mehr ganz so durchgeknallt.

»Du erinnerst mich an ihn, Violet. Du erinnerst mich an meinen William. Auch du bist voller Lebensfreude. Bewahr sie dir.«

»S…Sie kennen meinen Namen?«

»Der Junge hat ihn mir verraten. Er passt auf dich auf. Du hast seine Seele berührt.«

»Welcher Junge?« Bis auf ihre Klassenkameraden kannte Violet keine Jungen in Perfect. Und die passten garantiert nicht auf sie auf.

Iris reagierte nicht. Sie hatte sich wieder in ihre eigene Welt zurückgezogen. Violet wiederholte ihre Frage. Als sie erneut keine Antwort bekam, verließ sie das Haus, trat in den Sonnenschein hinaus und machte sich widerstrebend auf den Heimweg.

Rätselhafte Ereignisse in Perfect - Hüter der Fantasie

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