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August 2013
Kennenlernen Zwei Welten

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Bestimmt zwanzig Jahre ist es her, dass ich das erste Mal von Schwester Gaudentia Meier hörte. Meine Schwägerin erzählte damals von einer Tante, einer Ordensfrau des Klosters Baldegg, die als Missionarin in Papua-Neuguinea stationiert war. Heute ist es eine Besonderheit, eine Klosterfrau in der Familie zu haben. Und eine Missionarin erst! Das ist aussergewöhnlich. Gibt es das denn tatsächlich noch? Und wo genau liegt Papua-Neuguinea? Liest man in der Zeitung gelegentlich über den Inselstaat, geht es meist um Bürgerkriege, um Korruption oder Putschversuche. Unvorstellbar, dass mittendrin eine Baldegger Schwester, Sr. Gaudentia Meier aus dem Aargauer Freiamt, lebte und wirkte.

Diese Frau interessierte mich, das Thema Mission irritierte mich. Die Faszination für Missionare, welche unsere Elterngeneration vielleicht noch verspürte, ist heute meist Misstrauen oder gar Ablehnung gewichen. Man verbindet damit Begriffe wie Zwangschristianisierung und westliche Überheblichkeit. Nur passte das so gar nicht zu dem, was meine Schwägerin von ihrer Tante erzählte.

Dann erschien weltweit in verschiedenen Magazinen und Zeitungen eine Reportage der australischen Journalistin Jo Chandler über die grausamen Verfolgungen von Menschen in Papua-Neuguinea, die der Hexerei beschuldigt wurden. Darin erwähnte sie eine mutige Frau, die sich dagegenstellte: Sr. Gaudentia Meier.

Am 25. August 2013 reiste Sr. Gaudentia für einige Wochen in die Schweiz, um hier ihre Goldene Profess, die fünfzigjährige Treue zum Ordensgelübde, zu feiern. Ich besuchte den Gottesdienst und vereinbarte in der folgenden Woche ein Treffen mit ihr.

Die Gespräche verliefen anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Sr. Gaudentia ist eine gute Erzählerin, aber keine, die gerne von sich spricht. Und ihr ist das Leben in Papua-Neuguinea mittlerweile so vertraut, dass ihr nicht bewusst ist, wie exotisch das, was sie dort tagtäglich erlebt, für uns ist. Es wurde klar, dass meine ursprüngliche Idee, ihre Erzählungen einfach im Wortlaut niederzuschreiben, nicht funktionieren würde.

Wir trafen uns zwischen August und Oktober 2015 zu drei längeren Gesprächen. Dann reiste sie wieder ab. Im Mai 2016 traf ich mich mit Sr. Martine Rosenberg, welche mit Sr. Gaudentia die Profess abgelegt, von 1981 bis 1999 der Klostergemeinschaft als Frau Mutter vorgestanden hatte und nun in Baldegg das Missionssekretariat betreute. Sie hatte die Schwestern in Papua-Neuguinea mehrmals besucht.

Ich hoffte erst, die Geschichte mittels Mailkontakt weiterschreiben zu können. Das ging nicht. So geduldig, ja manchmal unermüdlich und bildhaft Sr. Gaudentia mündlich erzählte, so knapp und sachlich schrieb sie. Bald stand dann jeweils: «Em tasol.» Meine Frage, was das denn heisse, beantwortete sie mit: «Das wird in Pidgin-Englisch am Ende eines Berichts geschrieben. Es heisst ungefähr: Das wars. Oder einfach: Ende.»

Mitte 2018 erreichte mich die Nachricht, dass Sr. Gaudentia ernsthaft erkrankt sei und in die Schweiz zurückkehren würde. Wahrscheinlich für immer. Glücklicherweise erwies sich die Krankheit als weniger schlimm als ursprünglich angenommen. Doch war der Entscheid gefallen. Nach fast fünfzig Jahren Tätigkeit in Papua-Neuguinea kehrte sie, in ihrem achtzigsten Lebensjahr, in die Schweiz zurück. Nicht nur auf Urlaub, sondern endgültig.

Es ist nun Anfang Mai 2020. Gestern wären Sr. Gaudentia und ihre Mitschwester, Sr. Lukas, wohl ein letztes Mal nach Papua-Neuguinea geflogen, um das fünfzigjährige Jubiläum der Baldegger Mission zu feiern. Alles war vorbereitet. Es wäre eine schöne, aber auch anstrengende Zeit für die beiden Ordensfrauen geworden, denn viele wollten sie wiedersehen. Die überstürzte Abreise vor eineinhalb Jahren hatte einen gebührenden Abschied verhindert.

Nun durchkreuzte die Coronakrise die Reisepläne. «Es sollte vielleicht einfach nicht sein», sagte Sr. Gaudentia. Endgültig klang das nicht.

Sr. Gaudentia Meier kann auf eine aussergewöhnliche Lebensgeschichte zurückschauen. Sie handelt von einer Frau, die 24-jährig in ein Kloster eintrat, weil sie Missionarin werden wollte. Die fast fünfzig Jahre in Papua-Neuguinea lebte und wirkte, dort erst in der Geburtshilfe tätig war, dann Pflegerinnenschulen und ein international anerkanntes Aidsspital aufbaute. Und sie handelt von einer Missionarin, die sich furchtlos einer pöbelnden Menge entgegenstellte, als diese eine Frau brutal misshandelte, als Hexe beschimpfte und zum Scheiterhaufen führen wollte.

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