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Das erste Gespräch

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Vier Tage sind vergangen, seit Sr. Gaudentia in Baldegg ihre Goldene Profess feierte. Jetzt begrüsst sie mich im Garten ihrer Nichte Gabriela in Waltenschwil, der Tochter ihres ältesten Bruders. Viele Bilder und Gedanken seien ihr während des Gottesdienstes durch den Kopf gegangen. «Ich habe fest zurückgedacht, was ich in den fünfzig Jahren alles erlebt habe. Es war ein dankbares Zurückdenken, und ich sagte mir, dass ich ein reiches und erfülltes Leben habe, obwohl ich Klosterfrau bin. Oder eigentlich, weil ich Klosterfrau bin: Wäre ich nicht ins Kloster eingetreten, hätte ich das alles nie machen können.»

Ordensschwester, Missionsstation, Papua-Neuguinea: Was Sr. Gaudentia gemacht hat, ist nicht nur einzigartig, sondern auch exemplarisch für eine Lebensweise, die es in dieser Form wahrscheinlich bald nicht mehr geben wird. Weil sie ungewöhnlich, ja aussergewöhnlich, exotisch und gleichzeitig verblüffend bodenständig ist.

Das alles scheint so weit entfernt von meiner Realität. Mein Gegenüber schnürt ihren Rucksack auf und packt Bücher, Magazine und einige Fotokopien aus. Zum Schluss zieht sie ein schwarzrotes Fähnchen aus einer Seitentasche, die Flagge von Papua-Neuguinea. Sie zeigt, auf rotem Grund, einen goldenen Paradiesvogel im Flug, auf Schwarz das silberne Sternbild Kreuz des Südens.

«Ich kann besser erzählen, wenn ich Bilder vor mir habe», sagt Sr. Gaudentia. Das letzte Mal, als sie in Heimurlaub ging, schenkten ihr ihre Mitarbeiterinnen zum Abschied ein Kleid in den Nationalfarben. Das hat sie ihrer Nichte weitergegeben – «ich kann das ja schlecht anziehen», sagt sie. Lacht, trinkt einen Schluck Kaffee und schaut mich dann erwartungsvoll an. Das Fähnchen wird sie mir nach diesem Nachmittag zum Abschied schenken. «Ich sehe die Flagge ja bald wieder, jeden Tag», sagt sie. Es steht seither auf meinem Arbeitstisch und ist mir mittlerweile ganz vertraut.

«Als Ordensschwester kann ich mich wirklich voll und ganz für eine Sache einsetzen, ohne mich darum kümmern zu müssen, ob sich das in irgendeiner Weise auszahlt», erzählt Sr. Gaudentia. «Wir haben zwischendurch auch Laienhelferinnen und Laienhelfer bei uns in Papua, doch müssen diese immer wieder heim und dort arbeiten, damit sie Geld zurücklegen können fürs Alter. Das muss ich nicht. Ich muss mich nicht sorgen.»

Sie spricht langsam, und manchmal rutschen englische Wörter dazwischen. «Mein Deutsch ist nicht mehr so gut», sagt sie dann. Am Satzende folgt hie und da ein eigentümliches, leicht näselndes «He», das dem Sinn nach wie ein in den Schweizer Dialekt übertragenes «Well» oder «You see» wirkt. Sr. Gaudentia ist erst vor Kurzem aus Mendi, der Hauptstadt der Provinz Südliches Hochland in Papua-Neuguinea, für einen dreimonatigen Urlaub ins Mutterkloster zurückgekehrt. Ihr Deutsch wird im Laufe der Gespräche wieder fliessender; geblieben ist der Freiämter Dialekt aus ihrer Heimat Waltenschwil bei Wohlen, der etwas altertümlich anmutet.

Mit Gottvertrauen im Gepäck

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