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VORREDE

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Die Biografien der Kaiser und Könige füllen Bibliotheken, und eine unermüdliche Forschung fügt dankenswerterweise schon Bekanntem immer neue Details hinzu. Von den Frauen dieser Herrscher erfährt man eher am Rande. Mythisch und gewaltig sind sie in vorgeschichtlicher Zeit; dann werden sie bloß drapierte Puppen. Bei Eintritt ins heiratsfähige Alter einer Majestätskandidatin fällt das Auge des Historikers auf die betreffende Dame; er bereichert unsere Kenntnisse über ihr geringfügiges Eigenleben um einige nota bene, und beendet ihre Vita mit der Liste ihrer Kinder. War sie hierin erfolgreich, hat sich ihr Lebenszweck immerhin erfüllt. Über die Mätressen der jeweiligen Potentaten wissen wir vergleichsweise mehr; vielleicht sind sie interessanter, verwegener, besitzen mehr Individualität und größeren Ehrgeiz, mag sein. Natürlich lassen sich auch die staunenswerten Ausnahmen finden, wie die Königin von Saba, wie Kleopatra, die englische Elisabeth und ihrer Gegnerin Maria Stuart. Bei genauerem Hinsehen halten sich möglicherweise Regenten und Regentinnen die Waage, nur dass diese mit Zungenfertigkeit erreichten, was Männer mit dem Schwert erwerben mussten. Nun, das sind bloße Hypothesen. In den Zeiten des Schwertadels und des Raubrittertums scheinen die Frauen in der Tat bedeutender, rücksichtloser und also androgyner gewesen zu sein, um dem kuriosen Vokabular neuer Gelehrsamkeit ein Modewort zu entlehnen. Das Leben und energische Wirken verschiedener Herzoginnen und Kurfürstinnen könnte leicht zum Beweis dieser Behauptung herangezogen werden. Dann verschlechtert sich die Lage für den Berichterstatter wieder. Von der Gemahlin des Soldatenkönigs wissen wir, dass sie immerhin versuchte, innerhalb ihrer Möglichkeiten, die Kinder vor diesem Vater zu schützen. Der Alte Fritz hielt gar nichts von Frauen, am allerwenigsten von Ehefrauen; er hatte ein Menge anderer, ihn stärker fesselnder und wichtig erscheinender Beschäftigungen als die der Unterwerfung unter das dynastische Zeugungsregime und den damit verbundenen Unsicherheiten der Erbfolgen; inzestische Schwachköpfe fand er unter seinesgleichen übergenug. Der Monarchenphilosoph beherzigte den Rat Diderots, lieber einen fertigen jungen Menschen als Sohn zu adoptieren, anstatt einen Kretin zu erzeugen. Friedrich II. wählte seinen Nachfolger selber aus, was freilich auch schief ging, weil ihm dieser verstarb, ein wahrhaft aufgeklärter Monarch zwar, aber in diesem Falle nicht eben sehr erfolgreich. Der Nachfolger des Nachfolgers, also des abgeschiedenen Kronprätendenten, hielt wiederum zu viel von Frauen, er zeugte auch zahlenmäßig ausreichend Kinder, denen ein König hätte entnommen werden können. Dieses Verfahren scheint also doch eher zum Ziele zu führen, als das der Wahlverwandtschaft. Bei einem Monarchen kommt es auf die persönlichen Gaben auch nicht an. Bis endlich mit der Königin Luise eine weibliche Persönlichkeit und eine Herrscherin an die preußische Öffentlichkeit trat, eine Märchenkönigin, ein Gemisch aus mecklenburgischer Seelenplatte, wie man kürzlich von einem Kabarettisten auf eine zeitgenössische Ministerin gemünzt, sagen hören konnte, und gemütvoller Wahlhessin; eine Königin, kindlich einfach, menschlich gütig, mit so vielen Fehlern wie nur möglich, und wie sie auch gewöhnliche Untertaninnen haben durften. Deshalb stiftete man ihr auch einen Bund. Allerdings erweckte Luise wegen ihrer persönlichen wie gewöhnlichen menschlichen Eigenschaften das Mitgefühl wie den Argwohn der Nachwelt, die nicht unbedingt als königinnenhaft anzusehen sind. Dies ist ein historisches Dilemma; es entdeckt zu haben, oblag den Berliner Hofschranzen. Zu Berlin tragen allerlei Örter und Straßen Luises Namen, wie die ihrer späteren kaiserlichen Nachfolgerinnen. Letztere sind alle in Nähe des Berliner Kaiserdammes zu suchen, wenn man überhaupt nach ihnen sucht, und sich nicht bloß mit dem Namensschild am Straßenpfahl begnügt, aha, noch eine Kaiserin. Ihre Vorläuferinnen gaben der alten Friedrichstadt als Straßenort für ihre Namen den Vorzug. Woraus zu folgern ist, dass die Stadt Berlin zuvor hinter dem Brandenburger Tor endete.

Auch die Zarin Katharina, um einen Blick außer Landes zu werfen, fiel aus dem Rahmen des Gewöhnlichen; wegen eines skandalösen Liebeslebens, dessen Details uns heute ganz geläufig und beinahe Unterrichtsstoff in den Elementarklassen der Einheitsschulen geworden sind, wo kleine Mädchen und Jungen unter Anleitung eines Reformpädagogen lernen müssen, wie man ein Kondom über einen hölzernen Phallus bringt. Ob die Kleinen für solche Leistung Zensuren bekommen, war dem Fernsehbericht leider nicht zu entnehmen. Deutsche Gründlichkeit macht’s möglich. Der Liberalität sind eben keine Grenzen gesetzt. Victoria, aus englischem Urstoff gemacht, eine Königin, nach welcher ein ganzes Zeitalter benannt wurde, das Victorianische, analog zum Wilhelminischen, scheint im Gegensatz zu Katharina eine stillere Herrscherin gewesen zu sein. Übrigens kam auch auf sie eines Tages der Titel: Kaiserin, nämlich von Indien. Ihr Enkel Wilhelm zwo wurde von seinen britischen Verwandten als Mister Willy bezeichnet. Ob seine Großmutter mit Miß Victoria angesprochen wurde, ist hingegen nicht überliefert. Das Verhältnis der Völker zu ihren Königinnen und Kaiserinnen scheint indessen zufriedenstellend gewesen zu sein. Die deutschen Märchen benutzten ja auch die zutrauliche Anrede: Frau Königin oder Herr König, während sie den pommerschen Kossäten leicht schwärmerisch als: Bäuerlein bezeichnen. Dieser lebte ungefähr so oder nur etwas darüber wie sein Schwein im Koben, wovon sich heutzutage Jedermann in einem der zahlreichen Dorfmuseen überzeugen kann, und sich schaudernd fragen darf, was die am Abend ohne Fernseher gemacht haben mögen. Nun, ganz einfach, Kinder.

Als der vorletzte Kaiser von Österreich-Ungarn, Franz Joseph II. zu Grabe getragen wurde, 1916, also mitten im Kriege, was ihm das demokratische Elend der Ersten Republik wie die Bedeutungslosigkeit des Exils erspart hat, befanden sich haufenweise schwarz verschleierte Damen im Trauerzug auf dem Wiener Ring; eine schier unübersehbare Menge wandelnder Figurinen, wie die Muselmaninnen von Kopf bis zu den Füßen in Schwarz gehüllt. Anscheinend handelt es sich um ein bestimmtes Zeremoniell der Hoftrauer, eine sozusagen abgeschwächte Form der Witwenverbrennung. Der Film, der jüngst entdeckt worden war und sogleich zur Konservierung von solchen, sonst flüchtigen Bildern genutzt wurde, hat uns diese merkwürdige Art höfischen Trauerns überliefert. Wichtig genug, da die Tiefenforscher menschlicher Seelen allgemein beklagen, dass wir zu wenig trauern, uns zumindest ungenügend bewusst sind, welche Schuld wir etwa als Christen, mit den neronischen Verfolgungen auf uns geladen haben, ohne an eine Entschuldigung zu denken. Mohammedaner, Buddhisten und Anhänger verschiedener Naturkulte sind besser dran. Als der Kolporteur sich vorgenommen hat, den Lebenslauf der Kaiserin Augusta von Deutschland nachzuerzählen, und diese Filmsequenz sah, fiel ihm eine höchst persönliche Antwort auf die Frage ein, was es denn noch für einen Sinn hat, die Geschichte einer Fürstin aufzuschreiben, die lieber Kaiserin als Königin sein wollte, und die eigentlich nur Klatsch und Häme hinterließ. Einst, in nun schon ziemlich grauer Vorzeit, lud der Vater dieses Bücherschreibers zu einem so genanten Familientag. Dergleichen war recht beliebt. Aus allen Himmelsrichtungen eilten die lieben Verwandten herbei, Onkeln und Tanten, Vetter und Base soundso, mehr oder minder grobe Lümmel aus den entferntesten deutschen Provinzen, lymphatische junge Mädchen, städtischen Mittelschichten erwachsen, mit jugendlich schwellendem oder ganz flachem Busen, und vor Aufregung schwitzenden Händen. Die kritischen Einlassungen seines vorlauten Sohnes wies der Vater mit der Erklärung ab, man müsse alle seine Verwandten nicht nur lieben, sondern jede Familie konzeptionell und anschauungsweise nehmen. Die kleine Base soundso, zum Exempel, werde ihrer tatkräftigen und habsüchtigen Mama einst verzweifelt ähnlich sehen. Wir haben alle nur unser Stück Tradition, in der wir solange wurzeln, bis Abstammungen belanglos geworden sind. Alle historischen Familien erinnern am Ende an Museumspräsentationen.

In der Tat aber hat am androgynen Wesen der Frauen nie auch nur der geringste Zweifel bestanden, wohl aber müssen die Männer, innerlich verzweifelt, weibliche Neigungen in sich bekämpfen, sobald sie welche aufspürten, bis sie einer Dame weinend an den energischen Busen sinken, und alles schwächliche, das Androgyne, in sich befreien dürfen. Womit sich die männlichen wie die weiblichen Bestimmungen vollendeten. Dies fiel dem Kolporteur als Ausrede ein, als er einen ersten Blick auf das Leben einer energischen, wiewohl in all ihrem Streben gescheiterten Frau geworfen hatte, und sich den Kaiser Wilhelm I. daneben dachte.

Nun, die Formen des sozialen Daseins wie der Liebe haben sich ein wenig geändert. Die Vertreter des Hochadels wurden zum neuen Glauben an die Macht der Sinnlichkeit und des Geldes bekehrt. Auffallend viele von ihnen sind Unternehmer und Berater von Unternehmern, Volkswirte bis an die Grenze der Korruption und Korrumpierbarkeit, harte Manager und Geldverdiener geworden. Die weiblichen Abkömmlinge verdingen sich sonderbarerweise zu Hauf den freiheitlichen Medien oder der Journalistik. Diese Einrichtungen, welche die öffentliche Meinung auch dort erzeugen, wo es keine gibt, sind sozusagen in die Erbfolge des literarisch-klatschsüchtigen Salon des Biedermeier eingerückt.

Kommen wir zum Schluss dieser Vorrede. Zwei der drei Kaiserinnen des Deutschen Reiches von 1871 haben in der victorianischen oder wilhelminischen Ära eine besondere und eigentümliche Rolle gespielt, wiewohl ihrer nie ausreichend gedacht worden ist. Gemeint sind Augusta und die jüngere Victoria, eine Tochter der englischen Victoria. Der Gemahlin des Kaiser Friedrich wird hier noch nicht gedacht, ihr Name sei immerhin schon eingeführt. Aber die Vita Augustas, deutscher Kaiserin, legt der Kolporteur allen auf das wärmste ans Herz, und das im vollen Ernst, die auf der Suche nach Kaiserinnen sind. Es lohnt. Eigentlich müsste hier noch von der letzten Zarin Alexandra Feodorowna die Rede sein, die Deutsche, wie sie von den Russen verächtlich genannt wurde. Die beiden erstgenannten Kaiserinnen hätten sich, davon haben wir uns an den reinen Quellen der Wissenschaft überzeugt, auch heute im gesellschaftlichen Leben behauptet; die eine hätte vielleicht ein weltweit Geld einsammelndes Hilfswerk aufgerichtet, um streunende Hunde aus einem fernen Kontinent in das Asylland Bundesrepublik zu überführen, und ihnen einen schönen Lebensabend gesichert, wie es jüngst geschehen ist. Die andere, härteren und britischeren Schlages, wäre unter Umständen als Auslandskorrespondentin bei einer Fernsehanstalt tätig geworden. Energisch und verführerisch, wären sie aus der Kühle oder Schwüle dynastischer Salons in den warmen demokratischen Mief des Television erfolgreich hinübergewechselt, hätten gelernt, im richtigen Augenblick den Wimpernschlag in die Kamera zu richten, und regelmäßig die falsche Wortsilbe zu betonen. Irgendwo muss jemand sitzen, der diese Frauen lehrt, auf dem Kunstkopf zu stehen und auf Händen zu laufen. Wie zu hören und zu lesen, sollen sich Fernsehsprecherinnen kaum der Heiratsanträge erwehren können, die ihnen von männlichen Zuschauern dringlich gemacht werden. Männlich zu sein, kann heute nur als ein tragisches Geschick bezeichnet werden. Die Urteilsfähigkeit hat in den letzten Jahrzehnten allerdings sehr gelitten, und ehe jemand einer plappernden und lächelnden Einrichtung einen Antrag machte, sollte er das Bild ein- und den Ton seiner Glotze abstellen, um das Objekt seiner Begierden aus einer größeren Distanz zu studieren. Noch besser ist es, einen zweiten Apparat zuzuschalten, und einen der Werbesender hereinzuholen; hier findet er Antwort auf alle seine Fragen an das Schicksal und auf den eigentlichen Zweck des Mediums. Endlich wird ihm aufgehen, dass Waschmittel und Politik mit ein und demselben Gestus verkauft werden. Die Analogie ist dermaßen umwerfend, dass sich alle Liebes- und Ehefantasien erübrigen. Im Nachfolgenden ist von Augusta die Rede, der ersten Vertreterin eines neuen deutschen Kaisertums, das insgesamt ganze siebenundvierzig Jahre währte.

Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.

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