Читать книгу Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I. - Helmut H. Schulz - Страница 4

DER 9. MÄRZ 1888

Оглавление

Der Schwächezustand Sr. Majestät des Kaisers dauert fort. Se. Majestät nehmen ab und zu etwas Wein und flüssige Nahrung zu sich. Im Ganzen ist der Zustand ruhiger. So steht es im ärztlichen Bulletin über den Gesundheitszustand des Kaiser Wilhelm I. Der 90jährige Greis liegt auf dem Feldbett seines Schlafzimmers, eines engen, spartanisch einfach ausgestattetem Raum, im Palais Unter den Linden No. 9 und ringt mit dem Tode. Bei ihm sind seine Frau Augusta; sie, um elf Jahre jünger als der Kaiser, kann sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Bei dem sterbenden deutschen Kaiser ist die Lieblingstochter Luise, deren Mann, ein Großherzog von Baden, die Kinder Prinz und Prinzessin Wilhelm. Es fehlen: Der Sohn, Friedrich Wilhelm und die Schwiegertochter Victoria; beide sind durch den alten Kanzler darüber unterrichtet, dass ihr Vater und Schwiegervater im Sterben liegt, die sofortige Rückkehr sei notwendig, aber der Erbe und Nachfolger Wilhelms ist leidend, seine Tage sind möglicherweise gezählt. Jedermann weiß, dass er an Kehlkopfkrebs unheilbar erkrankt ist.

Der Sterbende auf dem Feldbett beginnt zu sprechen. Augusta, schwerhörig, beugt sich vor, um die Worte zu verstehen, aber ihr Mann, jetzt wirklich bloß ein Mensch, der gehen will, erzählt etwas aus weit zurückliegenden Tagen, unzusammenhängende Ermahnungen, in denen von einem drohenden Krieg die Rede, von deutsch-russischer Waffenbruderschaft, Dinge, die weit in das ausgehende Jahrhundert hinabreichen, bis in das Jahr 1805. Tochter Luise ist besorgt, dass sich der Greis zu stark erschöpfe, sie bittet leise, er möge ausruhen. Indessen sieht Augusta, dass es nicht mehr um Tage, sondern um Stunden und Minuten geht. Der Abend geht in die Nacht über, sie bleiben, die gekommen sind, um dem Sterbenden in dieser Stunde nahe zu sein. Dann kommt die letzte Krisis; der Atem geht gegen Morgen in jenes Rasseln über, das die Nähe des Todes ankündigt. Noch einmal schlummert der Sterbende ein, ist das noch Schlaf, oder schon der Übergang, denkt Augusta, die ausharrt. Hofprediger Kögel betet leise, und Tochter Luise fragt den Alten, ob er das Gebet verstanden habe. Endlich, gegen acht Uhr morgens des 9. März, entschläft Wilhelm, kurz vor seinem 91. Geburtstag; den hätten sie am 22. März feiern wollen.

Am Nachmittag des Todestages erscheint das amtliche Bulletin: Es hat Gott gefallen, steht da, Se. Majestät den Kaiser und König, unseren Allergnädigsten Herren, nach kurzem Krankenlager heute 8:30 morgens im achtundzwanzigsten Jahre Seiner reich gesegneten Regierung aus dieser Zeitlichkeit abzuberufen.

Die Stadt Berlin ist verregnet, schlaff hängen die auf Halbstock gesetzten Fahnen an den Masten, aber in der Straße Unter den Linden stehen die Leute dicht an dicht und starren hinüber zu dem berühmten Eckzimmer, wo der Kaiser zu Lebzeiten gelegentlich von der Straße aus gesehen werden konnte. Aufgebahrt liegt er in seinem Sterbezimmer. Erst nach Mitternacht wird die Leiche zur Aufbahrung in den Berliner Dom übergeführt, nachdem Augusta in ihrem Rollstuhl alle Verrichtungen beobachtete, die notwendig vorgenommen wurden. Im Arbeitszimmer Wilhelms nehmen Ärzte eine Balsamierung des Leichnams vor, am offenen Sarg, im so genanten Vortragszimmer aufgestellt, nehmen sie Abschied, im Adjutantenzimmer wird der Sarg geschlossen. Augusta bleibt bis zur Auffahrtsrampe dabei. Gardes-du-Corps trägt den Sarg durch ein Spalier bei Schneetreiben und Wind bis zum Dom. In den Tagen zwischen dem 12. und den 16. März ziehen 200 Tsd. Menschen an dem Sarg vorbei; dann wird der tote Kaiser der Deutschen und König der Preußen im Mausoleum des Schlossparkes Charlottenburg beigesetzt in Nähe seiner Eltern, der Königin Luise und Friedrich Wilhelm III.

Es war das, was man in Österreich eine schöne Leich’ nennt, und dennoch fehlte manch einem Repräsentanten etwas an Glanz. Augusta, die bis zuletzt bei ihrem sterbenden Gatten blieb, konnte den Bestattungsfeierlichkeiten nicht folgen, sie war zu krank, konnte kaum laufen, aber auch der alte Kanzler fühlte sich nicht gesund genug, seinem Kaiser und König, der ja sein eigenes Werk gewesen, bis zur letzten Ruhestätte zu folgen. Dem Sarg folgten unmittelbar der Kronprinz Wilhelm zwo, immerhin schon 29 Jahre alt, mit einem Trauerflor am Helm, aber es schien, als sei der Kaiser zu alt geworden, um seinen Nachfahren das ungeteilte Glück der Regentschaft zu hinterlassen. Augusta wird ihrem Gatten alsbald nachfolgen, der neue Kaiser kein Jahr regieren und sterben, der Kanzler schon 1890 von dem jungen Mann, einem Enkel des toten Kaisers, davongejagt werden, immerhin noch neun Jahre weiterleben. Zu langer Witwenschaft blieb Augusta nicht Zeit genug; sie war über fünfzig Jahre mit diesem Mann verheiratet. Es war eine seltsame Ehe, die sie führte, im Grunde war es die ihr einzig mögliche.

Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.

Подняться наверх