Читать книгу Todestanz in Pont L´Abbé - Helmut Hucker - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеDas Haus von Boderiou, in der Rue de Langoz in Loctudy, war schnell gefunden. Ein schönes Haus, fand Monique und sah es bewundernd an. Es war im bretonischen Stil gebaut, so wie sie es von ihren vielen Besuchen in der Bretagne kannte. Ganz aus Granit, umgeben von Birken, Eichen und Kastanienbäumen. Eine häufige Bepflanzung in den Gärten und auf den Talus. Schöne Hortensien und Rhododendren wuchsen im Garten und ließen vermuten, dass Monsieur Boderiou ein Freund von Gartenarbeit war oder einen guten Gärtner hatte.
Anaïk schloss das Haus auf und betrat mit Monique einen kleinen Flur. Neben der Garderobe stand eine Aktentasche, die fiel Anaïk sofort auf. Beide streiften ihre Handschuhe über und begannen alles genau zu betrachten. Die Aktentasche enthielt nichts Wesentliches, lediglich einige Akten, die Boderiou wohl mitgenommen hatte, um sie zu Hause genauer zu studieren.
In dem Haus schien nur der Mann zu wohnen. Weder in den Zimmern noch in den Schränken gab es Gegenstände, die einer Frau zugeordnet werden konnten.
Monique, die sich die Küche vorgenommen hatte, hielt einen Zettel in der Hand, auf dem, vermutlich die Putzfrau, notiert hatte, dass sie das Haus gesäubert hatte.
„Der Mann hat eine Putzfrau beschäftigt“, konstatierte sie und zeigte Anaïk den Zettel.
„Wir sollten uns mit der Frau unterhalten, vielleicht kann sie uns weitere Auskünfte geben. Bestimmt hat er die Anschrift der Frau irgendwo notiert“, erwiderte Anaïk.
„Hat Dustin sein Handy?“
„Müssen wir ihn fragen, warum fragst du danach?“, fragte Anaïk.
„Weil darauf vielleicht die Nummer der Frau oder ihre Adresse notiert sind.“
„Darauf hätte ich auch selber kommen können“, meinte Anaïk und sah sich weiter im Haus um. Sie fanden im Haus nichts, was einen Hinweis auf den Mörder von Awen Boderiou hätte geben können. Es wäre unnötig, Dustin zu bitten, das Haus einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Dennoch hatten sie einige wenige Informationen erhalten. Sie wussten jetzt, dass Monsieur Boderiou beim Crédit Agricole Finistère beschäftigt gewesen war.
„Wir sollten bei der Bank vorbeifahren und die Angestellten befragen. Vielleicht hängt der Mord mit seiner Arbeit zusammen?“, meinte Anaïk nach dem Verlassen des Hauses.
„Liegt ja auf dem Weg“, sagte Monique.
Von Loctudy nach Pont-l´Abbé brauchten sie keine zehn Minuten. Sie betraten die Bank, in der sich ungefähr 15 Kunden aufhielten. Anaïk war in der Regel ein geduldiger Mensch, aber sie hatte jetzt nicht vor, sich in die Schlange der Wartenden einzureihen. Sie zog ihren Ausweis aus der Tasche und zeigte ihn einem der Herren an den drei Schaltern.
„Können wir bitte mit ihrem Chef sprechen?“, bat sie den Angestellten.
„Wenn Sie unseren Filialleiter meinen, dann muss ich Sie vertrösten. Monsieur Awen Boderiou ist leider noch nicht erschienen. Und sehen Sie nicht, was hier los ist? Die Herrschaften wollen alle mit ihm sprechen.“
Anaïk sah Monique erstaunt an.
„Monsieur Boderiou ist der Filialleiter der Bank gewesen?“
„Wieso gewesen? Er ist es doch immer noch.“
„Wer vertritt Monsieur Boderiou, wenn er nicht im Haus ist?“
„Das ist Monsieur Le Gallic, Michaël Le Gallic. Er ist der Stellvertreter von Awen Boderiou.“
„Dann würden wir gerne mit Monsieur Le Gallic sprechen.“
„Wenn Sie einen Moment warten, ich sehe nach, ob er frei ist.“
Anaïk sah Monique erneut an.
„Das ist eine Überraschung, der Mann ist der Filialleiter der Bank. Damit könnte das Motiv der Tat durchaus auch hier zu finden sein.“
„Wenn ich mir die Besucher der Bank ansehe, dann scheint es sich fast ausnahmslos um Landwirte zu handeln. Die haben zurzeit große Probleme mit der Finanzierung ihrer Höfe. Tagein tagaus ziehen sie Aktionen vor den großen Supermarktketten durch. Falls er einem Bauern einen Kredit verweigert hat, dann könnte das vielleicht zu einer Kurzschlusshandlung geführt haben.“
„Genau das ist mir auch durch den Kopf gegangen.“
Der Angestellte kam zurück und bat Anaïk, sich noch einige Minuten zu gedulden, Monsieur Le Gallic war noch im Gespräch mit einem Kunden.
Die Stimmung in dem kleinen Raum schien sich aufzuheizen. Immer lauter wurden die Stimmen, die nach Monsieur Boderiou riefen.
„Wir warten jetzt schon eine Stunde, traut sich der feine Monsieur nicht, mit uns zu sprechen?“, rief einer aus der wartenden Menge.
„Aber Messieurs, glauben sie mir bitte, Monsieur Boderiou ist nicht im Hause, wir versuchen ununterbrochen, ihn zu erreichen.“
Anaïk dachte nicht daran, den Menschen hier in der Bank vom Ableben Monsieur Boderious zu erzählen. Die Information wird die Öffentlichkeit noch schnell genug, über den Ouest France oder Le Télégramme, erreichen. So lange hatten sie Ruhe vor der Presse.
Eine Tür öffnete sich, und ein Mann verließ den Gang, der zu den Büroräumen führte. Der Schalterangestellt winkte Anaïk zu.
„Sie können jetzt zu Monsieur Le Gallic“, sagte er und öffnete ihnen die Tür.
„Die letzte Tür links“, sagte er zu den beiden Kommissarinnen.
Anaïk und Monique klopften an der Tür und traten ein.
„Bonjour Mesdames, treten Sie ein, und nehmen Sie Platz, wie kann ich der police judiciaire helfen?“
„Monsieur Le Gallic, es geht um ihren Filialleiter, Monsieur Boderiou.“
„Oh, hat er etwas angestellt? Ist er deswegen nicht erschienen? Wir warten schon seit Stunden auf ihn.“
„Monsieur Boderiou wurde ermordet!“
Monsieur Le Gallic wurde kreidebleich. Gerade eben saß er noch auf aufrecht in seinem Sessel, jetzt ließ er sich zurückfallen.
„Monsieur Boderiou ist tot? Sie sind sicher? Das kann doch nicht sein, ich habe noch gestern, kurz vor Feierabend, mit ihm gesprochen. Er war sehr gut gelaunt.“
„Sie können uns glauben, wir gehen mit solchen Aussagen nicht sehr großzügig um. Uns geht es darum, etwas über seine Arbeit zu erfahren. Hat er in den letzten Tagen oder Wochen Drohungen erhalten, wer sind seine letzten Gesprächspartner oder Besucher gewesen. Alles könnte uns auf der Suche nach seinem Mörder weiterhelfen. Außerdem würden wir uns gerne sein Büro ansehen.“
„Ich bin gerne bereit, Ihnen alles was ich weiß zu sagen, aber um sein Büro zu durchsuchen, benötigen Sie dafür nicht einen richterlichen Durchsuchungsbefehl? Es geht hier schließlich um Bankgeheimnisse. Ich möchte mich keiner Straftat schuldig machen.“
„Den können wir gerne besorgen, das ist reine Formsache. Aber um die Sache zu beschleunigen könnten Sie uns zumindest das Büro zeigen.“
Monsieur Le Gallic schien mit sich zu kämpfen. Dann sagte er:
„Wenn Sie mir versprechen, keine Bankgeheimnisse nach außen zu tragen, dann zeige ich Ihnen das Büro.“
„Wenn es Dinge sind, die mit der Ermordung zu tun haben, kann ich Ihnen das nicht versprechen. Alles andere bleibt selbstverständlich vertraulich.“
„Gut, was möchten Sie also wissen?“
„Was für ein Mensch ist Monsieur Boderiou gewesen?“
„Ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Er hat alleine gelebt, sehr bescheiden. Er war spendabel, wenn es um Spenden für eine Wohltätigkeitsveranstaltung ging. In der Bank war er bei allen beliebt. Als Vorgesetzter war er uns immer ein Vorbild, er kam in der Regel als Erster ins Büro und ist meistens als Letzter gegangen. An zwei Tagen in der Woche ging er zu den Treffen der Kelc´h Vigoudenn, unserer Tanzgruppe hier im Ort. Er war aktiver Tänzer, schon seit Jahren. Gestern Abend war er bestimmt auch dort.“
„Wir haben in seinem Fahrzeug seine Tracht gefunden, er muss von der Veranstaltung gekommen sein. Können Sie uns eine Liste seiner letzten Gesprächspartner geben? Vielleicht hängt die Ermordung ja mit seiner Arbeit zusammen.“
„Sie meinen, dass es mit einer Kreditabsage zusammenhängen könnte?“
„Wäre doch möglich, meinen Sie nicht?“
„Hmmm.“
„Wie sieht es mit Drohungen aus, hat Monsieur Boderiou jemals eine Drohung erwähnt?“
„Davon weiß ich nichts, er hätte mich bestimmt informiert. Unsere Zusammenarbeit war sehr vertrauensvoll.“
„Wissen Sie etwas über seine Freunde oder Bekannten?“
„Freunde und Bekannte? Nein, da kann ich Ihnen nicht viel sagen. Er ist er mit den Mitgliedern der Gruppe Kelc´h Vigoudenn befreundet gewesen, vielleicht nicht mit allen aber mit einigen.“
„Wissen Sie zufällig, ob Monsieur Boderiou auf die Jagd gegangen ist?“ Die Frage stellte Monique Dupont.
„Auf die Jagd? Hmmm, das glaube ich nicht, er hat nie etwas davon erzählt. Aber ausschließen möchte ich es nicht. Wir Bretonen gehen gerne zur Jagd. Ich bin aktiver Jäger.“
„Was für ein Gewehr benützen Sie bei der Jagd?“
„Eine doppelläufige Schrotflinte, da kann man schnell einen zweiten Schuss abgeben, falls der erste nicht ganz gesessen hat.“
„Haben Sie in den letzten Tagen damit geschossen?“
Monsieur Le Gallics Miene verfinsterte sich.
„Ist Monsieur Boderiou erschossen worden? Mit einer Schrotflinte? Erschossen? Sie wollen mir doch nicht ernsthaft unterstellen, dass ich etwas mit der Ermordung zu tun haben könnte?“
„Monsieur Le Gallic, ich unterstelle grundsätzlich niemandem etwas, aber es gehört zu meiner Aufgabe, alles zu überprüfen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir Sie nach ihrem Alibi befragen müssen.“ Monique antwortete ihm nicht auf die Frage, wie Boderiou ermordet worden war.
„Ich bin gestern, am späten Nachmittag gleich nach meiner Arbeit, auf die Jagd gegangen. Ich habe zwei Hasen geschossen. Die können mein Alibi leider nicht bestätigen. Sie liegen in meiner Gefriertruhe.“
„Das heißt, Sie haben kein Alibi für den gestrigen Abend?“, fragte jetzt Anaïk, nachdem Monique bisher das Gespräch geführt hatte.
„Zwischen 18 und 23 Uhr kann ich nicht mit einem Alibi aufwarten.“ Monsieur Le Gallic war deutlich frostiger bei seinen Aussagen geworden.
„Können wir uns jetzt das Büro von Monsieur Boderiou ansehen?“
Le Gallic überlegte, sollte er zustimmen, obwohl die beiden Kommissarinnen ihn als Verdächtigen sahen. Er wollte sie aber auch nicht noch mehr gegen sich aufbringen, also erhob er sich etwas widerwillig und führte sie zum Büro seines Chefs.
Der Büroraum war nicht wesentlich größer als der vorherige. Der Schreibtisch und die Bürostühle glichen sich. Der Tisch machte einen aufgeräumten Eindruck. Anaïk trat an den Schreibtisch und versuchte, die Schublade zu öffnen. Aber der Schreibtisch war verschlossen.
„Haben Sie einen Schlüssel zum Schreibtisch von Monsieur Boderiou?“
„Nein, wo denken Sie hin, jeder hat seinen eigenen Schlüssel. Das ist privat.“
„Nun, im Schreibtisch werden doch überwiegend dienstliche Unterlagen zu finden sein, sodass vielleicht eine Schublade für private Dinge ausreicht.“
„Wir können aber nicht einzelne Schubladen sperren.“
„Gut, dann müssen wir wahrscheinlich noch einmal vorbeikommen.“
„Wie lange wird es dauern, bis wir die Liste seiner letzten Gesprächspartner bekommen können?“, fragte Anaïk Monsieur Le Gallic.
„Seine Sekretärin kann sie Ihnen gleich zusammenstellen.“
Anaïk und Monique sahen sich im Büro weiter um. In den Schränken konnten sie nichts finden das sie weitergeführt hätte. Sie verabschiedeten sich von Monsieur Le Gallic und verließen die Bank.
„Warum hast du nach der Jagd gefragt, wir haben doch bei Boderiou keine Anzeichen gefunden, dass er zur Jagd gegangen ist. Weder ein Gewehr noch sonstige Gegenstände, die darauf hinweisen könnten.“
„Das ist mir schon klar, aber ich habe Le Gallic dazu bringen wollen, mir etwas über sich zu erzählen. An der Wand hing ein kleines Bild, er, mit einem Hasen in der Hand und einem Gewehr über der Schulter.“
„Sehr gut Monique, das Bild habe ich nicht gesehen. Wir müssen seine Waffe untersuchen lassen. Du meinst, dass er ein Motiv haben könnte?“
„Nun, vielleicht möchte er Chef werden? Vielleicht ist er auf den Job seines Kollegen neidisch? Es gibt bestimmt viele Motive, die ich mir vorstellen könnte.“
„Wie ich schon gesagt habe, wir sollten seine Waffe untersuchen lassen, aber da er bereits gesagt hat, dass er gestern auf der Jagd gewesen ist, wird nicht viel dabei herauskommen.“
„Das, Monique, überlassen wir Dustin. Wie ich ihn in den letzten Wochen kennengelernt habe, hat er für fast jedes Problem eine Lösung.“ Anaïk lächelte.
„Bonjour Dustin“, rief Anaïk ihm entgegen, nachdem sie sein Büro betreten hatten.
„Bonjour, mes belles“, antwortete Dustin und lachte die beiden Kommissarinnen an.
„Dustin, wir haben eine Frage, die wahrscheinlich nur du beantworten kannst.“
„Nur zu, ihr kennt ja meinen Spruch, nicht verzagen, Dustin fragen. Wie kann ich euch helfen?“
„Nun, wir haben einen Toten, der mit einer Schrotflinte ermordet worden ist. Wie kann man die Waffe ermitteln? Denn eine Patronenhülse haben wir am Tatort nicht gefunden.“
„Ja, ohne die Patrone ist es tatsächlich schwerer, die Waffe zu ermitteln. Allerdings können wir die Munition vergleichen. Schrotkugel ist nicht gleich Schrotkugel. Es gibt da viele Unterschiede. Das fängt beim Durchmesser der einzelnen Schrotkugeln an und hört bei der Zusammensetzung der Legierungen und Materialien auf.“
„Materialien? Ich dachte eine Schrotkugel besteht immer aus kleinen Bleikugeln.“
„Das war früher so, aber die Bleikugeln sind zunehmend in Verruf geraten, da andere Tiere die verstreuten Kugeln aufnehmen können, wenn sie zum Beispiel Kadaver fressen, in denen noch Kugeln stecken. Die Tiere werden von diesen Kugeln vergiftet. Die Schrotmunition ist deshalb verändert worden. Heute finden wir Schrotkugeln aus…“
„Dustin, ich möchte nicht so genau wissen, was es für Munition gibt, ich will nur wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Waffe in Verbindungen mit unserem Toten zu bringen. Wir brauchen also nicht nur die Waffe, sondern auch die dazu passende Munition, verstehe ich richtig? Aus beidem kannst du uns dann sagen, ob der Tote mit der Waffe erschossen worden ist.“
„Wenn wir die Entfernung genau bestimmen und den Choke vermessen…“
„Stopp! Wir suchen die Waffe und die Munition, und du erledigst den Rest.“
„Wird gemacht, meine Damen“, antwortete Dustin und setzte wieder sein verschmitztes Grinsen auf.
„Viel schlauer bin ich nicht“, meinte Anaïk, aber es gibt scheinbar Möglichkeiten, eine Schrotflinte als Tatwaffe zu identifizieren.“